Natürlich kann ein Film mit derart grandiosen Vorschusslorbeeren seinen Erwartungen nicht gerecht werden. Aber die Zweifler können sich entspannen und zurück lehnen. Christopher Nolans ‚Dark Knight‘ kann zweifellos für sich in Anspruch nehmen, das Genre des Superhelden-Filmes auf ein ganz neues Level gehoben zu haben.
In Bezug auf Batman, behält Tim Burtons filmische Version durchaus seine Gültigkeit. Keiner hat bisher die Seele des Comics, die Welt gezeichneter Bilder und übersetzter Sprechblasen so genau getroffen, wie Burton. Und er hat trotz des mitunter zirkusreifen Spektakels, die düsteren Phantasien und gequälten Charaktere bewahrt. Burton ist Bob Kanes Zeichnung von Gotham City gerecht geworden und Christopher Nolan baut meisterlich darauf auf.
Zusammen mit seinem Bruder Jonathan, hat Chris Nolan die Grundlage von ‚Batman Begins‘ gefestigt und den nur allzu menschlichen Helden endgültig in eine Zeit gehoben, die unserer Wirklichkeit in nichts nachsteht. Dabei ist ‚Dark Knight‘ ein zutiefst amerikanischer Film, als Reflexion auf ein Land mit seinen künstlich geschürten Ängsten, mit all seiner Zerrissenheit und den starren Grenzen zwischen weltlichem Liberalismus und radikalem Patriotismus. Der Held als erklärter Verbrecher, der Bösewicht als Spiegel einer von Perspektivlosigkeit zerfressenen Ordnung und eine zerrüttete Gesellschaft, die zum passiven Zuschauer verkommt. Von Burtons zu Nolans Vision ist es eine logische Entwicklung, gleichzeitig aber ein riesiger Sprung.
Realismus wird bei Nolan groß geschrieben. Selbst die Ninja-Ausbildung Bruce Waynes, die ihn so übermenschlich wirken lässt, stützt sich auf eine real erscheinende Basis. All die gespaltenen Persönlichkeiten, die Monster unter den Menschen, das Böse über und in Gotham hat einen realen Ursprung, gestärkt ohne jede Art von überirdischen Einflüssen. Keine künstlich erzeugten Übermenschen, keine mutierten Gegner. Kämpfe finden nicht mit Superkräften statt, sondern werden ausgetragen durch Prinzipien und Wertvorstellungen. Mutiert ist einzig die Gesellschaft, verhaftet in ihren Ängsten, in ihrer Ohnmacht. Der Eine nützt dies aus, der Andere will sie daraus befreien. Noble Gesten, wie es scheint, doch die Rollen vertauschen sich während des Filmes ständig. Da wird der Heilsbringer durchaus mal zum Schreckgespenst und das personifizierte Böse freut sich über soviel Anteilnahme.
Technisch gesehen, ist ‚Dark Knight‘ seinem direkten Vorgänger um einiges voraus. In Zimmers und Howards gemeinsam komponierten Soundtrack finden sich wesentlich differenziertere Stücke und Variationen. Lee Smith‘ Bildschnitt ist ausgefeilter und erlaubt dem Zuschauer den Geschehnissen, speziell in den Action-Sequenzen, auch logistisch zu folgen. Das Set- und Produktionsdesign verzichtet merklich auf Einsätze Computer generierter Hintergründe und Szenenbilder, was Kamermann Wally Pfister die Möglichkeit einräumt, atemberaubende Einstellungen zu kreieren, die noch durch Handwerk definiert sind. Das Drehbuch der Nolan-Brüder ist ständig damit beschäftigt dem Film keinen Leerlauf zuzugestehen, selbst die Charakter bezogenen Szenen und Dialoge fügen dem steten Fluss weitere Elemente an Spannung hin zu. Viele Szenen und Situationen sind direkt aus den ersten Batman Comics übernommen, was viele lesende Anhänger erfreuen dürfte. Doch auch der verwöhnteste Fan dürften überrascht sein, was ‚Dark Knight‘ alles bietet, denn hier ist alles möglich und gestorben wird sehr schnell und viel.
Als Wertmutstropfen erweist sich dabei allerdings, das ein kompletter Handlungsstrang um eine der Hauptfiguren schon ein thematischer Komplex für einen eigenen Film bilden könnte. Und um genau diese Sequenzen, fühlt sich der Film auch zu lange an. Keineswegs lässt Nolans gespannte Regie irgendwelche Längen aufkommen, doch mit der Figur des unberechenbaren Jokers und dem gebrochenen Heldentum des Batman ist der Zuschauer ausreichend bedient und könnte sich mit diesem einen, weiteren Handlungsfaden schnell überfordert fühlen.
Aber wo Licht, da auch Schatten, wie beim dunkle Ritter Batman, dem der strahlende Held Arthur Dent gegenüber steht. Doch die Für und Wieder sind äußerst gering und ‚Dark Knight‘ erweist sich als grandioser Film, der schnell seinen Rhythmus findet und sein Tempo gemächlich, aber stetig anzieht. Er ist zweifellos bedrohlicher und düsterer, als all seine Vorgänger und das hat letztlich wohl auch damit zu tun, dass er politischer ist, als es bisher ein Film um irgendwelche Superhelden gewesen ist. Gotham City ist überall, mit seinen undurchsichtigen Machenschaften, mit den Unsicherheiten in seiner Bevölkerung, das Gut und Böse, wo sich die Grenzen nicht nur verwischen, sondern durchaus auch mal kippen. Kameramann Wally Pfister zeigt in seinen Bildern wesentlich deutlicher die Stadt Chicago als Stand-In für Gotham, welches sonst gerne mit New York gleichgesetzt wird. So verwischen auch hier die Grenzen, wenn die Macher mit den Wahrnehmungen des Zuschauers spielen.
‚Dark Knight‘ hat das Genre der Comic-Verfilmungen tatsächlich auf eine höhere Ebene gestellt. Hart, ehrlich, brutal und überraschend realistisch. Und er bleibt ein durch und durch amerikanischer Film, mit seiner Abhandlung von durch und durch amerikanischen Psychosen. Sein Erfolg ist unbestritten verdient, doch außerhalb Amerikas fraglich. Zweifellos einer der besten Filme aus dem Mainstream der letzten Jahre, aber auch verstörend und ungewohnt. Das nach der Neuorientierung in Bezug auf Realismus von ‚Batman Begins‘, Story-Kollaborateur David S. Goyer und Nolan die Schrauben der Glaubwürdigkeit noch einmal nachziehen konnten, passt nur schwer ins Bild der sommerlichen Popcorn-Unterhaltung. Im politisch und intellektuell beweglicheren Europa, verliert die emotionale Bestandsaufnahme schon deutlich an Wirkung. Aber zurück bleibt ein Film er trotz allem für einige Überraschungen sorgt, zu unterhalten versteht und das Publikum hart am Gemüt packt. Der weltweite finanzielle Erfolg ist fraglich, aber durch seine filmtechnische Qualität durchaus möglich.
Darsteller: Christian Bale, Heath Ledger, Aaron Eckhart, Michael Caine, Maggie Gyllenhaal, Gary Oldman, Morgan Freeman u.a.
Regie: Christopher Nolan; Drehbuch: Christopher und Jonathan Nolan; Kamera: Wally Pfister; Bildschnitt: Lee Smith; Musik: Hans Zimmer, James Newton Howard
USA / 2008; ca. 152 Minuten