– Bundesstart 04.01.2024
– Release 03.11.2023 (Can)
Es gibt kaum Regisseure die sich so vehement, leidenschaftlich, und anspruchsvoll mit der Einsamkeit von Menschen auseinandersetzen wie Sofia Coppola. Frauen die in einer gewissen Isolation das Leben reflektieren, und dem Zuschauenden zugänglich gemacht, aber niemals voyeuristisch betrachtet werden. Doch am wichtigsten ist es bei Coppola, dass sie ihre Figuren nie in die Opferrolle zwängt, sondern diese immer als gestärkte Charaktere beschreibt, die eventuelle Rückschläge als Chance zu nutzen verstehen. Das waren 1999 selbst die fünf Lisbon-Schwestern in VIRGIN SUICIDES. 2010 ging Sofia Coppola sogar einmal mit einem Mann auf ihre Markenzeichen-Reise der Selbstfindung, mit dem hervorragenden Stephen Dorff in SOMEWHERE. Da klingt es wie selbstverständlich, dass sich die Filmemacherin irgendwann der Geschichte von Priscilla Beaulieu annehmen würde. Ein Herzensprojekt seit sie deren 1985er Memoiren ‚Elvis and Me‘ gelesen hatte.
1959 lernt die vierzehnjährige Priscilla Beaulieu in West Deutschland den zehn Jahre älteren Elvis Presley während seines Wehrdienstes kennen. Sie zieht mit dem Einverständnis ihrer Eltern nach Graceland, Memphis. Elvis formt sie zu seiner Vorzeigefrau. Ihren High-School-Abschluss macht Priscilla auf einer katholischen Mädchenschule. Während er in Hollywood arbeitet, ist sie dafür auserkoren auf ihn zuhause zu warten und da zusein. Mit ihrer Volljährigkeit heiraten Priscilla und Elvis. Neun Monate später wird Tochter Lisa-Marie geboren. 1973 lässt sich Priscilla von Elvis scheiden, und verlässt Graceland. Das ist die Zeit, die Sofia Coppola auch reflektiert.
In Besetzungsfragen hat Coppola in ihren Filmen noch nie enttäuscht. Bei Cailee Spaeny allerdings, befallen einem leichte Zweifel, wenn man sie das erste mal als Vierzehnjährige erlebt. Wie soll diese kindlich zerbrechliche Figur einen so subtil komplexen Charakter bis ins Erwachsenenalter von fast Dreißig transformieren? Spaeny meistert das mit ihrer einnehmenden Natürlichkeit, und eindringlichen Variationen. Wenn sie Elvis das erste mal vergeblich fragt, ihn nach Hollywood begleiten zu dürfen, kommt das mit einer kindlich naiven Begeisterung. In späteren Jahren ist die Frage nur noch eine abgeklärte Angewohnheit mit resignierender Erkenntnis ohnehin Graceland bleiben zu müssen.
In den ständigen Konfrontationen wegen der durch die Presse verbreiteten Gerüchte über Affären mit Anne-Margret oder Nancy Sinatra, wird Cailee Spaeny zunehmend erwachsener. Ihre wachsende Unzufriedenheit hält sie aber stets bedeckt. Es ist erstaunlich welch überzeugende Wandlung Spaeny in nur zwei Stunden vollzieht. Eine Darstellerin die bisher schlichtweg unterschätzt war. Viel von der manchmal Gänsehaut erzeugenden Atmosphäre kommt aber auch von Philippe Le Sourds fast schon unterkühlter Bildgestaltung. Sofia Coppolas Kameramann bei DIE VERFÜHRTEN und ON THE ROCKS. Die Farbgebung ist trist, und die Einstellungen extrem akzentuiert.
Wenn Priscilla lange und alleine im ausladenden Wohnraum von Graceland steht, dann spürt man auch ihre Einsamkeit. Wenn sie wieder einmal von ihrem Gatten erniedrigt wird, oder er seinen ehelichen Pflichten nicht nachkommen will, dann bleibt die Kamera lange auf ihrem, nur scheinbar, regungslosen Gesicht. Das Gefühlsspektrum von Cailee Spaeny, die in fast allen Szenen präsent ist, ist mitreißend. Und Coppola enttäuscht nicht, wie sie Priscilla mit jeder Filmminute mit wachsendem Selbstbewusstsein zeichnet. Das Problem ist nur, sie stellt ihr auch nichts an emotionaler Gleichberechtigung gegenüber. Noch problematischer, der Film reduziert sich ausschließlich auf zwei Figuren.
Zweifelsfrei führt der Film sehr kompetent und intensiv das Schicksal einer Frau vor Augen. Und er zeigt sehr eindringlich, wie sie sich dem erfolgreich entgegenstellt. Aber Coppola verweigert einen intellektuellen Austausch von Sichtweisen. Ihre Absicht war die Perspektive von Priscilla Presley wiederzugeben, was ihr ausgezeichnet gelingt. Bis zu dem Punkt, dass es hier um Priscilla Presley geht, die einstige Frau des bekanntesten und erfolgreichsten Sängers der Welt. Das Verhältnis des Paares ist durch tausend Biografien hinlänglich bekannt, somit auch das Elvis privat ein sehr schwieriger Mensch gewesen sein muss. Aber hier ist die dargestellte Position von Priscilla reine Schwarzweißmalerei.
Gerade bei Menschen von größtem öffentlichen Interesse, wird von Coppola ausgerechnet der Kontext ausgespart, in welchem Priscillas Partner gefangen blieb. Auch das würde Elvis in seiner Beziehung zu keinem besseren Menschen machen. Doch in dieser Inszenierung wird er auf Egoismus, Ignoranz und Größenwahn reduziert. In Anbetracht der bekannten Umstände ergibt das eine außerordentlich einseitige Wiedergabe, in der das wahre emotionale Potential ausgespart wird. Sofia Coppola geht aber in ihrer Adaption noch viel weiter. Keine der anderen Figuren wird in irgendeiner Weise eine relevante Rolle zugestanden. Sie werden zu Statisten und Stichwortgebern.
Selbst Manager Tom Parker findet nur in Elvis‘ Dialogen Erwähnung. Tochter Lisa-Marie ist zierendes Beiwerk. Dreimal fällt ihr Name, als wäre es ein Versehen gewesen. Elvis‘ Entourage wird zur geselligen Männerrunde, die nur ihrem Herren gefällig ist. Die sonst starke Dagmara Dominczyk und Ari Cohen bleiben als Priscillas Mutter und Vater mit Standardsätzen besorgter Eltern absolut unterfordert. Die starke Reduktion auf nur zwei Personen, nimmt der Geschichte viel von ihrer eigentlichen Tragweite. Noch dazu, das Jacob Elrodi wahrlich nicht zu überzeugendsten Elvis Darstellern zählt. Obwohl dieser in seiner geschichtlichen Relevanz, der eigentliche Auslöser der Erzählung ist. Als Portrait einer starken Frau, die Selbstbewusstsein und ihren Weg findet, Ist PRISCILLA wirklich beeindruckendes Kino. Als offenbarende Biografie ist der Film erstaunlich belanglos.
Darsteller: Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Dagmara Dominczyk, Ari Cohen, Tim Post, Lynne Griffin u.a.
Regie & Drehbuch: Sofia Coppola
nach Memoiren von Priscilla Presley, mit Sandra Harmon
Kamera: Philippe Le Sourd
Bildschnitt: Sarah Fleck
Musik: Phoenix
Produktionsdesign: Tamara Deverell
Italien, USA / 2023
113 Minuten