THE QUEEN MARY

Haunting Queen Mary 1 - Copyright SPLENDID FILMHAUNTING OF THE QUEEN MARY
– Bundesstart 28.12.2023
– Release 19.07.2023 (It)

Dieser Film endet mit einer überraschenden und herausfordernden Wendung. Es ist im Horrorfilm eine seit Jahrzehnten liebgewordene Tradition, noch in den letzten Szenen das Publikum mit einem denkwürdigen Schauer aus dem Saal zu entlassen. Filmemacher Gary Shore hat das auch für seinen THE QUEEN MARY übernommen, diesen Twist, der noch einmal alles auf den Kopf stellt. In diesem Fall hat man die Wendung schon lange vorher kommen sehen, oder sie überrascht tatsächlich wie ein Paukenschlag. Das kommt darauf an, zu welcher Fraktion des Publikums man gehört. Anzunehmen, das die meisten zur zweiten Gruppe gehören, welche das Ende unerwartet überrascht. Dann wird es auch nicht unbedingt ein Paukenschlag sein, eher eine mit Schulterzucken begleitete Erkenntnis. Denn der Weg zu diesem Ende ist lang. Sehr lang. Und extrem ermüdend, denn einen nachvollziehbaren Erzählstil findet Gary Shore nicht.

Im Grunde ist eigentlich überhaupt nichts nachvollziehbar, was gleich drei Autoren auf den altehrwürdigen Ozeanriesen loslassen. Shore selbst hat mit Tom Vaughan die Geschichte entwickelt, und schließlich mit Stephen Oliver in Drehbuchform gebracht. Da sollte man annehmen, dass inhaltliche Defizite leichter auffallen müssten. Vor sechzehn Jahren hat Shore einen passablen, und unterschätzten DRACULA UNTOLD inszeniert – mit Qualitäten, die ihm hier vollends abhanden gekommen zu sein scheinen. Die Geschichte erzählt sich auf zwei Zeitebenen. Im Heute, mit einer Geschäftsidee. Und 1938, als die Queen Mary den Geschwindigkeitsrekord über den Atlantik brechen möchte.

Die alleinerziehende Anne Calder hat die Idee, an Bord der ausgedienten Queen Mary  Führungen über mörderische Ereignisse aus der Vergangenheit zu veranstalten. Begleitet wird sie von ihrem Sohn Lukas, und Partner Patrick, um sich auf dem Schiff mit dem dubiosen Captain Bittner zu treffen. Schon da wird es in Buch und Inszenierung extrem unübersichtlich. Lukas leidet unter Kongenitale Spondyloepiphysäre Dysplasie, er ist also kleinwüchsig. Das wäre soweit in Ordnung, wenn einem nicht ständig das Gefühl gegeben würde, dass die Kleinwüchsigkeit für die Handlung von Belang wäre. Ist sie nicht.

Sind Anne und Patrick noch zusammen? Die eine sagt so, der andere so. Der Film lässt einen im Unklaren, und bleibt auch ohne Bedeutung. Ist Patrick tatsächlich Lukas‘ Vater? Auch hier gibt es zwei gegensätzliche Aussagen. Auch dafür gibt es keinen Grund, geschweige denn eine Auflösung. Da steht der Film noch ganz am Anfang, zeigt aber wunderbar auf woran er bis zum Ende krankt. Die Geschichte ist verheerend schlecht konzipiert, der Handlungsverlauf gestaltet sich in fast allen Szenen unglaubwürdig, und die Inszenierung verliert sich in lächerlichen Versuchen von filmischer Ästhetik. 

Haunting Queen Mary 2 - Copyright SPLENDID FILM

Dabei beruft sich die Prämisse auf den wahren Hintergrund, dass man in den letzten Jahren versucht hat, die festliegende Queen Mary als von Geistern heimgesuchte Spukstätte zu vermarkten. Erfolglos. Im Film wird es als Neuheit angepriesen. Was in den Führungen erzählt werden soll, zeigt QUEEN MARY in der parallel laufenden Ebene von 1938. Mit einem stets alkoholisierten Captain, und einer betrügerischen Artistenfamilie. Von der Familie wird der entstellte Vater die Nerven verlieren und ein Blutbad anrichten, während seine Tocher im Ballsaal mit Fred Astaire tanzt. Jawohl, der Fred Astaire.

Warum von allen berühmten Gästen auf der Queen Mary ausgerechnet Astaire und er allein ausgesucht wurde, verliert sich in der Masse von Rätseln die der Film ungelöst lässt. Der Film springt zwischen den Zeiten wild vor und zurück. Geister die Anne, Patrick und Lukas im Heute heimsuchen, besiegeln in 1938 noch sehr lebendig ihr Schicksal. Das kennt man bereits aus vielen anderen, vornehmlich Horrorfilmen. Allerdings nicht so billig, beliebig, paradox und unstrukturiert wie in THE QUEEN MARY. Es gelingen Shore immer wieder gefällige Gruselsequenzen, aber zusammenhangslos und abstrakt.

So folgt Lukas unter anderem einem Geist tiefer und tiefer in die längst vergessenen, finsteren Decks des Schiffes, wo selbst Erwachsene keinen Meter weiter gehen würden. Diese Sequenz ergibt weder dramaturgisch noch handlungsbedingt einen Sinn. Eine von unzähligen Szenen, die gegen ihre eigentliche Absicht wirken, weil sie einfach nicht nachvollziehbar sind. Auch wenn sehr schnell zu erkennen ist, dass Gary Shore einen ganz eigenen Stil etablieren möchte, funktioniert das allein wegen der verworrenen Umsetzung überhaupt nicht. Vom uninteressanten Aufbau der Geschichte ganz zu schweigen.

Schräge Kameraperspektiven, fragwürdige Lichtsetzung, fehlende Schauspielführung. Gedreht wurde auch auf der richtigen Queen Mary. Der Anteil scheint aber augenscheinlich sehr gering gewesen zu sein. Den sehr leicht zu erkennenden Kulissen und Computeranimationen fehlt schlichtweg die elegante Anmut, und die glaubwürdige Nähe zu den bekannten Originalschauplätzen. Man kann Gary Shore seine Bemühungen nicht absprechen. Doch diese Bemühungen verwässern sich in einer furchtbare Mischung von technischem Unvermögen, inszenatorischen Fehlentscheidungen und narrativen Defiziten. Da kann am Ende die überraschende Wendung nichts mehr gut machen.
Bis vor wenigen Jahren war neben der Queen Mary im Hafen von Long Beach noch das weltgrößte Flugzeug Spruce Goose zu bestaunen. Dem bleiben nach seinem Umzug hoffentlich solch drollige Eskapaden für eine wozu auch immer geartete Fortsetzung erspart.

Haunting Queen Mary 3 - Copyright SPLENDID FILM

 

Darsteller: Alice Eve, Lenny Rush, Joel Fry, Nell Hudson, Wil Coban, Dorian Lough, Tim Downie u.a.
Regie: Gary Shore
Drehbuch: Gary Shore, Stephen Oliver, (Story) Tom Vaughan
Kamera: Isaac Bauman
Bildschnitt: Colin Campbell
Musik: Jason Livesay, Nolan Livesay
Produktionsdesign: Christine Brandt, Gary Mackay
USA, Großbritannien / 2023
114 Minuten

Bildrechte: SPLENDID FILM
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