– Bundesstart 07.12.2023
– Release 01.12.2023 (UK)
William Oldroyds Inszenierung von EILEEN ist ein kraftvolles und beeindruckendes Beispiel für einen perfekten Noir-Thriller. Ein Werk, welches zuerst sehr unscheinbar, aber dann gewaltig die Kunst des verführerischen Erzählens im Kino demonstriert. Und es hätte alles ganz anders kommen können, als der 2015 erschienene Roman von Ottessa Moshfegh bereits 2016 zum Film adaptiert werden sollte. Aber die üblichen Schiebereien der Rechte und die weltweite Krise, machten es für Moshfegh möglich, mit ihrem Lebenspartner Luke Goebel selbst am Drehbuch zu schreiben und lange daran zu feilen. Es ist die Geschichte von Eileen, einer 24-jährigen Angestellten in der Jugendhaftanstalt, Mitte der 1960er in Massachusetts. Sie ist zurückgezogen, trägt unmodische Klamotten, ist der Sündenbock für ihre Vorgesetzten, und träumt von spontanem Sex mit einem der Wärter, oder einem bestimmten Gefangenen. Und dann kommt die neue Psychologin Rebecca.
Ari Wegner hat bei EILEEN die Bildgestaltung übernommen, die Australierin hinter den optischen Phänomenen THE WONDER oder POWER OF THE DOG. Wegen des Budgets konnte Wegner nicht auf Film drehen, behalf sich aber mit speziellen Optiken, um einen überzeugenden Kino-Look der 1960er zu generieren. Der kommt gerade bei den Nahaufnahmen der beiden Hauptdarstellerinnen zum tragen. Eileen fühlt sich sofort von Rebeccas Femme Fatale ähnlichen Auftreten angezogen, und beginnt das Verhalten der Psychologin zu immitieren. Die Frauen freunden sich an, mit zerstörerischen Folgen.
Besonders aufregend ließt sich die inhaltliche Beschreibung nicht. Aber es gibt so viele Faktoren, die den Film im Gesamten einfach stimmig und außergewöhnlich werden lassen. Da zählen zum Beispiel die Episoden mit hinein, in denen sich Eileen um ihren alkoholkranken Vater kümmern muss. Ein ehemaliger Polizist, der mit dem Verlust der Frau ein schweres Trauma druchläuft, die Nachbarschaft terrorisiert, und sich bewusst zu tote säuft. Was sich über sechzig Minuten wie eine Nebenhandlung ausnimmt, wird letztendlich essenzieller Teil für Eileens Befreiung aus ihren eintönigen Dasein.
EILEEN ist faktisch nur möglich mit den Talenten und der Ausstrahlung seiner beiden Darstellerinnen, Thomasin McKenzie und Anne Hathaway. Wobei McKenzie den Film ausmacht, mit ihrer behutsamen Wandlung von graziler Scheu zur treibenden Kraft. Und sie verschmilzt derart mit dieser nuancierten Rolle, dass man nie aufhören möchte ihr zuzusehen. Selbst Hathaway, die schon mit allen Facetten von Charaktereigenschaften überzeugen durfte, überrascht hier mit unerwarteter Intensität und überraschender Wandlungsfähigkeit. Und all das liegt an ihren fantastisch geschriebenen Figuren.
In den ersten zwei Akten erweckt Regisseur William Oldroyd den Eindruck, als würde der Film keine Entwicklung machen. Wir lernen die Protagonisten kennen, und wir beobachten ihre täglichen Abläufe, erkunden ihre Geheimnisse, begleiten sie durch tägliche Widrigkeiten. So unscheinbar Eileens Leben nach Außen hin anmuten mag, wird durch die Inszenierung von Anfang an klar, dass ihr etwas düsteres und unberechenbares anhaftet. Ihre kurz eingeblendeten Tagträume lassen keinen Zweifel daran, dass in dieser ersten, gediegenen, aber dennoch unglaublich fesselnden Stunde alles passieren kann.
In den ersten beiden Akten beobachten wir, was alles scheinbar nicht passiert. Dafür fügen sich in den letzten dreißig Minuten alle noch so beliebig scheinenden Details der ersten Stunde, zu einem grandios entworfenen Showdown. Überraschend, erschreckend, und eine atemberaubende Ode an die schöpferische Kraft des Kinos. EILEEN ist ein Film, der so klein und bescheiden scheint, dass er Gefahr läuft selbst von einem geneigten Publikum kaum wahrgenommen zu werden. Aber ein Film, der so packend und überzeugend ist, dass selbst ein breiteres Publikum, sein Versäumnis bereuen wird.
Darsteller: Thomasin McKenzie, Anne Hathaway, Shea Whigham, Marin Ireland, Owen Teague, Jefferson White, Tonye Patano, Siobhan Fallomn Hogan u.a.
Regie: William Oldroyd
Drehbuch: Luke Goebel, Ottessa Moshfegh
nach dem Roman von Ottessa Moshfegh
Kamera: Ari Wegner
Bildschnitt: Nick Emerson
Musik: Richard Reed Parry
Produktionsdesign: Craig Lathrop
Großbritannien, USA, Südkorea / 2023
97 Minuten