– Bundesstart 30.11.2023
– Release 22.11.2023 (US)
Die Besprechung basiert auf der englischen Originalsprachfassung.
Es ist der 62. Spielfilm aus dem Studio der Walt Disney Feature Animation, respektive Walt Disney Productions. Onkel Walt hätte gelächelt, wäre WISH der hundertste Film zum hundertsten Geburtstag geworden. Ob er dennoch über WISH milde und zufrieden lächeln würde? Wer weiß. Über ZOOTOPIA vielleicht noch, bei FROZEN ganz sicher. Aber WISH ist anders, mit einem ganz eigenen Stellenwert. Es geht um, selbstredend, Wünsche im weitesten Sinne, speziell die ureigensten Träume von Menschen oder Tieren. Das ureigenste Thema von Disneys Filmen selbst. Der Fuchs, der die innige Freundschaft zu einem Jagdhund nicht aufgeben will. Der von Wölfen großgezogene Menschenjunge, der im Dschungel bleiben möchte. Oder die Holzpuppe Pinocchio, der ein richtiger Junge werden will, Disneys zweiter Animationsfilm. Mit PINOCCHIO wurde das Lied ‚When you wish upon a Star‘ bekannt, von dem wiederum die Melodie seit Jahrzehnten das Disney-Logo begleitet. Das sich allerdings daraus ein eigener Film entwickeln würde, ist weniger überraschend als viel mehr kurios.
Um sein Reich frei von querelenden Problemen zu halten, sammelt Magnificio, König von Rosas und gleichzeitig auch Zauberer, alle Wünsche seiner Untertanen, wenn diese ihren achtzehnten Geburtstag feiern. Die Menschen in Rosas sind scheinbar damit zufrieden, weil sie von der Last unerfüllbarer Träume befreit sind. Dafür erfüllt Magnificio monatlich scheinbar wahllos für einen glücklichen Bürger dessen vergessen geglaubten Wunsch. Die sechzehnjährige Asha bewirbt sich als Zauberlehrling bei ihrem König, und hofft gleichzeitig, dass Magnificio als nächstes ihren hundertjährigen Großvater erwählt.
Es ist natürlich unausweichlich, dass Ashas Großvater Sabino hundert wird. Es gehört schließlich zum Konzept des Disney Jubiläums. Aber ziemlich irritierend für die Zuschauenden, hat sich das Animationsteam in Design und Wesensart von Sabino ein wenig vertan, der als gereifter Senior unglaubwürdig wirkt. Was allerdings nicht nur auf diese Figur zutrifft, sondern sich besonders merkwürdig bei der Gestaltung des Wunschsterns ausnimmt. Denn Asha durchschaut den König. Seine magischen Kräfte erhält er nur durch die von ihm festgehaltenen Wünsche, und Sabinos Wunsch wird keinesfalls erwählt.
Das ist der Moment, in dem die enttäuschte Asha in einer weiteren ausladenden Gesangseinlage, ihren eigenen Wunsch an die Sterne richtet. Die Antwort ist alles andere als eine gelungene Präsentation. Die Kreation von Star, dem Wunschstern, ähnelt einem Fleißsternchen im Schulaufgabenheft. Die Zeichentalente gestalten Star zwar lebendig, verständlich und durchaus auch witzig, aber mit ohnehin schon zwei gemischten Stilen von Animationstechnik wirkt Star wie ein optischer Fremdkörper. Ihm fehlt einfach die Inspiration für das Besondere in seiner Erscheinung, die visuelle Magie.
Aber WISH ist ein Film dem es an vielem fehlt, was ihn zu etwas Besonderem machen könnte. Er unterhält, kein Zweifel, und erreicht sein primäres Zielpublikum. Die Regisseure Chris Buck und Fawn Veersunthorn halten die übersichtliche Geschichte mit, mittlerweile selbst für Familienfilme, sehr kurzen 95 Minuten im zügigen Trab. Für die aus Disneys Art Department stammende Veersunthorn ist es das Regiedebüt. Buck hingegen zeichnet sich ausgerechnet für die beiden FROZEN inszenatorisch verantwortlich, mit Jennifer Michelle Lee als Co-Regisseurin.
Heute leidet Jennifer Lee als Chief Creative Officer die Geschicke von Disney Animation. Und ihr aufgetragenes Anliegen ist sehr deutlich. Die Kleinen im Saal werden mit standardisierten Songs, der üblichen Heldin, die ungewollt über sich hinauswachsen muss, und den bekannt spaßigen Nebenfiguren bei Laune gehalten. Wobei sich das Zicklein Valentino als drolliger Publikumsliebling hervor tut. Der vom sonst brillierenden Alan Tudyk gesprochen Valentino bleibt aber für Erwachsene erstaunlich unlustig, und wird mit permanent enttäuschenden Einzeilern abgespeist, die nie zünden.
Während WEST SIDE STORYs Ariana DeBose als Asha mit spürbarer Energie durch die Handlung fegt, versackt ihr spielerischer Enthusiasmus in einer Rolle, die Disney gefühlt seit Jahrzehnten für junge Frauen nutzt. Aber selbst DeBose bringt mit ihrer atemberaubenden Stimme die von Julia Michaels und Benjamin Rice geschriebenen Songs nicht über das Niveau von Mittelmäßigkeit. Ein wünschenswerter Ohrwurm bleibt aus. Lediglich Chris Pine kann mit seiner einnehmend charismatischen Stimme dem Schurken-Song ‚This Is The Thanks I Get?!‘ eine angemessene Intensität verleihen.
Für die mit Disney-Filmen groß gewordenen Erwachsenen, und dann auch nur diesen Erwachsenen, bleibt das große Rätselraten. Wer, wo und was sind die offensichtlichen, sehr versteckten oder oft subtilen Anspielungen, Zitate und angelehnte Figuren. Nimmt man Abstand von dem vordergründigen Familienfilm, öffnet sich WISH als abstrakte Metaebene, die einen Abriss über hundert Jahre Disney Animation bildet. Am auffälligsten vielleicht Ashas sieben Freunde, ausgestattet mit den selben Attributen wie Schneewittchens Kumpels. Und natürlich Großvaters hundertster Geburtstag.
Oder ein Baloo auffällig ähnlich sehender Bär, der ein Reh freundschaftlich Bambi nennt. Subtiler wird es mit den hunderten von Wünschen, die in Magnificios Zauberlabor schweben, wo sich immer wieder bekannte Figuren wie zum Beispiel Peter Pan abzeichnen, welcher später noch einmal in Gestalt von Ashas Freunden erscheint. Es sind unzählige solcher Verweise, zu denen auch mindestens dreimal die ‚versteckte Mickey‘ in Form ihrer stilisierten Ohren zählt. Der Rätselspaß würde allerdings mitreißender sein, wenn der Film entsprechend unterhaltsamer wäre, einfach besser durchdacht.
Es geht darum seine Wünsche, sprich Träume, niemals aufzugeben. Das hatte CCO Jennifer Michelle Lee mit WISH sicherlich ebenso vor dem geistigen Auge. Zumindest ein raffinierter Twist gibt ergibt sich aus der Metaebene, wenn Magnificio den von Sabino selbst vergessenen Wunsch als viel zu gefährlich ablehnt. Der Zauberer würde mit allen erfüllten Wünschen auch jede Zauberkraft verlieren. Es ist abzunehmen das Sabino bei einer Rückbesinnung auf seinen Wunsch als Liedermacher, ein ganz bekanntes Lied komponieren wird. Was einen wunderbaren Zirkelschluss zu Disneys Anfängen bildet. Die macht den Film als solide Familienunterhaltung aber noch lange nicht besser.
Stimmen:
Asha: Ariana DeBose / Patricia Meeden
Valentino & Star: Alan Tudyk / Stefan Kaminski
König Magnificio: Chris Pine / Alexander Doering
Königin Amaya: Angelique Cabral / Jana Werner
Simon: Evan Peters / Amadeus Strobl
Sabino: Victor Garber / Freimut Götsch
Safi: Ramy Youssef / Dirk Stollberg
u.a.Regie: Chris Buck, Fawn Veersunthorn
Drehbuch: Jennifer Lee, Allison Moore, Chris Buck
Bildgestaltung: Rob Dressel
Licht: Adolph Lusinsky
Character Design: Izzy Abreu
Bildschnitt: Jeff Draheim
Musik: Dave Metzger
Produktionsdesign: Michael Giaimo
USA / 2023
95 Minuten