– Bundesstart 06.07.2023
LOVE AGAIN ist das amerikanische Remake der deutschen Liebeskomödie SMS FÜR DICH von 2016. Diese basiert wiederum auf Sofie Cramers Buch von 2009. Es ist das Spielfilmdebüt der Schauspielerin Karoline Herfurth. Als Regie-Erstling ist SMS FÜR DICH beachtlich fokussiert, und deswegen auch verdient erfolgreich. Was man von der Neuverfilmung LOVE AGAIN nicht sagen kann. Auch wenn sich Herzschmerz-Spezialist Jim Strouse für Buch und Regie verantwortet. Zudem stützt sich Strouse auf gleich fünf Autoren des filmischen Originals. Anstatt unsägliche Klischees, schlecht konstruierte Zufälle und unglaubwürdige Charakterzüge auszumerzen, hat Jim Strouse deren Auswüchse noch um einiges gesteigert. Nach dem Unfalltod ihres Freundes, fällt die junge Kinderbuch-Illustratorin Mira in ein emotionales Loch. Nach zwei Jahren, beginnt sie auf Anraten eines Freundes, Textnachrichten an den Verstorbenen zu schicken. Ohne zu ahnen, dass die Telefonnummer bereits wieder vergeben wurde.
Es gehört nicht viel dazu, die Prämisse alleine weiterzuführen. Aber romantische Komödie leben in der Regel auch von solch liebevoll vorhersehbaren Zufällen. Der von der Liebe enttäuschte Journalist Rob bekommt von seiner Zeitung ein Firmentelefon, und somit auch Miras Nachrichten. Selbstredend kann er es so arrangieren, dass sich beide begegnen, ohne das Mira ahnt was hinter diesem Zusammentreffen steht. Und, wer hätte das gedacht, sie verlieben sich. Wirklich dumm ist nur, dass sich der zentrale Konflikt genau aus dem wahrlich verbrauchtesten aller unsinnigsten Klischees ergibt.
Während zarte Bande über die Leinwand mäandern, hat Regisseur Jim Strouse echte Probleme. Alle Möglichkeiten stehen ihm offen, und mit nichts weiß er etwas eigenständiges zu schaffen. Das ist der Mann, der auch den einfühlsam sensiblen GRACE IS GONE inszeniert hat. Sofia Barclay als Miras treusorgende Schwester ist ein nicht zu bändigendes Energiebündel. Es geht soweit, dass sie innerhalb kurzer Zeit unheimlich nervt. Robs Kollegenfreunde Lisa und Bill sind dem Blaupausen-Katalog von gehaltlosen Nebenfiguren entnommen. Sie taugen als komische Auflockerung, aber ohne Komik.
Céline Dion spielt in diesem Film auch mit. Sie ist auch ausführende Produzentin. Vielleicht war es die Nähe zu ihrem eigenen Schicksal, dass sie an diesem Stoff interessierte. 2016 verlor sie ihren Mann, den Vater ihrer drei Kinder, was sogar im Film behandelt wird. Das wirkt etwas unangebracht, weil der Handlungsverlauf des Films wenig mit der Realität zu tun hat. Genauso wenig wie die Beziehung ihrer realen Figur zu einem Film-Journalisten. Für einen funktionierenden Charakter hätte Dion aus ihrer realen Wesensart heraus gelöst werden müssen. Siehe Springsteen in HIGH FIDELITY.
Während die von Leben und Liebe enttäuschten Seelen ihre Beziehung vertiefen und ausbauen, verpasst Rob natürlich immer wieder die Gelegenheit, Mira von den wahren Hintergründen ihres Treffens zu erzählen. Und genauso selbstverständlich findet Mira das durch einen unheimlich dämlichen Zufall heraus. Bis zu diesem Zeitpunkt war LOVE AGAIN ohnehin schon mit unzeitgemäßer Zuckergussromantik ausgereizt. Jetzt wird die Auseinandersetzung zur echten Zerreißprobe für die Akzeptanz des Publikums. Der unsinnige Vorwurf von Vertrauensbruch und Lüge werden in den Ring geworfen.
Kaum etwas in LOVE AGAIN fühlt sich echt an. Priyanka Chopra Jonas und Sam Heughan sind eine attraktive Paarung, die zu wesentlich mehr fähig sind. Aber die Regie reduziert beide entweder auf die maximale Ausbeute von schnulziger Romantik, oder den größtmöglichen Konflikt. Den Darstellern werden kaum Nuancen zugestanden. Die Möglichkeit für eine ehrliche, oder glaubwürdige Beziehung wird ihnen, und damit dem Publikum verwehrt. Die Ausrede, dass alles auf das Ursprungsmaterial zurückzuführen ist, wäre blanker Hohn. Karoline Herfurth hat einen anderen Film gemacht.
SMS FÜR DICH ist ein liebevoller Film, und auf einem Niveau innerhalb seiner eigenen Grenzen inszeniert. Jim Strouse will von allem das meiste. Herzschmerz und Drama bis zur Unerträglichkeit überspitzt, bis jeder Funke Realität erlöscht. Wenn man aber regelrecht spürt, wie jede Szene das Potential für etwas wirklich greifbares, vielleicht sogar wunderbares birgt, wird es besonders bitter. Mira und Rob werden zu zuckersüßen Traumgebilden, aber sie sind keine Identifikationsfiguren. Céline Dion hat neben ihren Gassenhauern noch fünf neue Songs beigetragen. Auf die Dramaturgie des Films haben sie keinen großen Einfluss, aber es ist schön wenigstens etwas neues von ihr zu hören, so kurz vor ihrem unfreiwilligen Karrierestopp.
Darsteller: Priyanka Chopra Jonas, Sam Heughan, Céline Dion, Sofia Barclay, Russell Tovey, Lydia West, Omid Djialili u.a.
Regie & Drehbuch: Jim Strouse
nach dem Drehbuch von Andrea Wilson, Malte Welding, Karoline Herfurth, Sophie Kluge, Anika Decker
basierend auf dem Roman von Sofie Cramer
Kamera: Andrew Dunn
Bildschnitt: Jesse Gordon
Musik: Keegan DeWitt
Produktionsdesign: Rebecca Milton
USA / 2023
104 Minuten