Pixars ELEMENTAL

Elemental - Copyright DISNEY-PIXAR– Bundesstart 22.06.2023

Wenn Bernie und Cinder Lumen auf einen Boot von Feuerland nach Element City immigrieren, wird die Phantasie des Publikums erst einmal abgestellt. Das altersschwache Boot, die wenigen Koffern verpackten Habseligkeiten, die Wolkenkratzer-Skyline von Element City, und die vorgelagerte Insel mit dem Flachbau. Da braucht es nur wenig Phantasie, wohin uns die Geschichte entführen wird. Die Elementewesen Erde, Luft, Feuer und Wasser bevölkern mehr oder minder harmonisch die Metropole. In ZOOTOPIA (2016) gibt es auch einen großstädtischen Schmelztiegel, der sich in Bezirke mit unterschiedlich gesellschaftlichen Schichten aufteilt. Der Film ist aus dem Hause Disney, und was man aus ZOOTOPIAs Geschichte schöpfen kann, darf jeder im Publikum für sich selbst in Erfahrung bringen. ELEMENTAL ist zwar auch von Disney, aber eine Pixar Produktion. Und da wird es dann enttäuschend, denn die inhaltliche Ausrichtung von Filmen der beiden Animationsstudios ist man eigentlich andersherum gewohnt.

Bernie und Cinder sind Feuerelemente, und finden ihr neues Zuhause auch nur in einem Bezirk der vornehmlich von Ihresgleichen bewohnt ist. Sie eröffnen einen Laden, die ‚Feuerstelle‘, und integrieren sich im Viertel. Ihre energische Tochter Ember soll die ‚Feuerstelle‘ einmal übernehmen, der Beginn einer Art Familientradition. Ember lernt bei einer Inspektion den konfusen Bürokraten Wade kennen, ein Wasserelement das die ‚Feuerstelle‘ wegen Baumängel schließen müsste. Wenn nicht passieren würde, was gar nicht passieren dürfte. Feuer und Wasser entdecken ihre Zuneigung zueinander.

Pixar kämpft seit geraumer Zeit mit Schwächen und Problemen, die vormals im Repertoire unbekannt waren, somit die Reputation und den eigentlichen Reiz der innovativen Animationsschmiede ausmachten. Bei ELEMENTAL ist die Geschichte vorhersehbar, die Allegorien allzu aufdringlich, und die Figuren uninspiriert beschrieben. Aber vor allem, von Regisseur Peter Sohn ersonnen und von John Hoberg, Kat Likkel und Brenda Hsueh verfasst, vergisst die Geschichte immer wieder die Grenzen der inneren Logik. Was bei näherer Betrachtung gerade die letzten Minuten in Frage stellt.

Es ist die altbekannte Erzählung zweier gegensätzlicher Wesen, die nicht gegensätzlicher sein könnten. Durch eine Verkettung von aufeinander aufbauenden,  unglücklichen Umständen lernen sich beide erst einmal zu respektieren, und schließlich zu lieben. Standesgemäß lösen sie die ausschlaggebenden Probleme auf unkonventionelle Weise, indem sie das Beste beider Welten zusammenführen. Soweit ist das durchaus akzeptabel, man ist mit der Formel vertraut. Nur können die drei Autoren dem nichts Neues hinzufügen. Immigration und Ghettoisierung erschöpfen sich  bereits im Ansatz.

Ember ist die feurig temperamentvolle Minderheiten-Vertreterin, Wade der verwässerte Ahnungslose aus der elitären Oberschicht. Bernie ist der stolze Vater, mit viel mehr Verständnis als die Wirklichkeit vertragen kann. Einzig bemerkenswert ist Clod, ein pubertierendes Erdelement, der Ember damit imponieren möchte, dass schon die ersten Blumen aus seiner Achselhöhle sprießen. Clod ist der Running Gag, der eindeutig vorauseilend für Fortsetzungen oder Spin-Offs konzipiert wurde. Als einziges Luftelement gibt es Wades Vorgesetzte Gale, die Kumuluswolke, die aber nicht weiter der Rede wert ist.

Elemental 1 - Copyright DISNEY-PIXAR

 

Was ELEMENTAL thematisch und konzeptionell vermissen lässt, können die Autoren  mit hervorragenden Wortspielereien wenigstens zeitweise verdrängen, die ununterbrochen Bezug auf das jeweilige Element nehmen. „Ember, you are so hot“, ist noch eines der schlechteren Beispiele. Der Sprachwitz wird bemerkenswerterweise nicht als Pointe genutzt, sondern fließt unaufdringlich und natürlich in die Dialoge ein. Viel besser würde es dem Film stehen, die Dialoge selbst wären inhaltlich ebenso originell, aber auch wesentlich tiefgründiger. Allerdings steht nach wie vor Pixar auf der Packung, immer noch ein Gütesiegel.

Der eigentlich letzte Film, der mit der Pixar üblichen Mixtur von Innovation, allgemeinem Anspruch, intelligenter Erzählung und künstlerischer Noblesse allumfassend funktionierte, war Pete Docters SOUL. Und wenn ELEMENTAL in eben diesen Bereichen zurückfällt, überzeugt er immerhin mit fantastischen Bildern. Das Manhattan-Equivalänt Elemental City ist im Design etwas zu arg nach verrücktem Kinderkino geraden, aber jede Einstellung vibriert mit Leben. Die Detailfreudigkeit ist schwer in Wort zu fassen. Das stete Treiben auf den Wasserstraßen, die belebten Straßenzüge.

Die präzise Beobachtung vom Leben in der City oder in den Außenbezirken. Jedes Setting hat eine eigene, stimmige Farbpalette. ELEMENTAL bietet mehr als man beim ersten Mal erfassen kann. Die Feuerelemente haben die Anmutung von Farbstiftzeichnungen, die harten Konturen sind immer in Bewegung, das Gelborange ganz leicht pulsierend. Die Wasserelemente hingegen sind weich gezeichnet, mit flüssig anmutenden Bewegungen und leichter Transparenz. Die Wesen integrieren sich ihrer Form entsprechend mit Feuerschein oder durchscheinenden Hintergründen naturalistisch in die Umgebung.

Es gibt viel zu Sehen und zu Staunen in ELEMENTAL, wobei die Tonebene mit exzellenten Effekten und Thomas Newmans vielschichtigem Ethnik-Score eine wunderbare Einheit mit der visuellen Ebene bildet. Aber unweigerlich fallen einem die Ideen zu ALLES STEHT KOPF oder CARS wieder ein. Und die bemerkenswerten Figuren von TOY STORY oder WALL*E. Natürlich ist die Botschaft angekommen und dem moralischen Anspruch wurde genüge getan, aber ELEMENTAL bleibt leider auf dem Niveau von LUCA und RED. Zum großen Glück nicht auf dem Niveau von LIGHTYEAR.

Elemental 2 - Copyright DISNEY-PIXAR

 

Stimmen:
Ember Lumen: Leah Lewis /Emilia Schüle
Wade Ripple: Mamoudou Athie / Jannis Niewöhner
Bernie Lumen: Ronnie del Carmen
Cinder Lumen: Shila Ommi
Gale Cumulus: Wendi McLendon-Covey
Brook Ripple: Catherine O’Hara
Clod: Mason Wertheimer
u.a.

Regie: Peter Sohn
Drehbuch: John Hoberg, Kat Likkel, Brenda Hsueh
. . . . . . mit Peter Sohn (Idee)
Kamera: David Juan Bianci, Jean-Claude Kalache
Bildschnitt: Stephen Schaffer
Musik: Thomas Newman
Produktionsdesign: Don Shank
USA / 2023
109 Minuten

Bildrechte: DISNEY / PIXAR
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