– Bundesstart 17.05.2023
Man sollte sich vor dem Genuss von FAST AND THE FURIOUS 10 auf keinen Fall das Interview mit Louis Leterrier im ‚Esquire‘ zu Gemüte führen. Es würde einem ordentlich den Spaß verhageln, wie der Regisseur über (handgemachte) praktische Effekte schwadroniert, und vorgibt das die Basis der Action geerdet sein musste. Da wird einer oder einem Angst und Bang, was man scheinbar in Physik alles nicht verstanden hat. Das Prinzip hat sich nämlich nicht geändert. Von den Kleinganoven hin zu Geheimagenten, und nun endlich bei Superhelden angekommen. Worum es dabei geht hat man zehn Minuten nach dem Abspann bereits wieder vergessen. Aber es muss großartig sein, sonst hätte man diese Inkarnation nicht auf zwei Teile aufgespalten. So muss es jedenfalls in den Köpfen der Macher ausgesehen haben. Das Publikum sieht davon nur überladenen Unsinn.
Es gibt Filme die sind so bravourös auf Trash ausgelegt, dass Unsinn richtig Freude bereiten kann. Diese Freude haben die Produzenten bei FAST AND THE FURIOUS mittlerweile im Keim erstickt. Sie haben seit dem vierten Teil die Grenzen des Möglichen zuerst angefangen aufzuweichen, um jetzt soweit zu sein, Grenzen und Logik mit Schulterzucken zu ignorieren. Und dies mit einer zum Scheitern verurteilen Seriosität in der Inszenierung. Jason Momoa ist dieses Mal als Dante Reyes der Böse, der den Tod seines Vaters, dem Drogenbaron Hernan Reyes aus FAST FIVE rächen möchte. Es ist ein Konzept der Reihe, und somit auch in diesem eigentlich sehr schlichten Buch, dass allen Elementen eine relevante Vergangenheit angedichtet werden muss.
Die Autoren versuchen vergeblich wirklich clever zu wirken, in dem sie immer wieder munter von einer auf die andere Installation vor und zurück verweisen. Vergeblich deswegen, weil mit den hanebüchenen Kaninchen aus dem Hut nur viel mehr Verwirrung gestiftet wird. Eines dieser Kaninchen ist eben auch Dante, dessen Name bestimmt nur ganz zufällig an irgendein Inferno erinnert. Der war laut Rückblick die ganze Zeit dabei, als Brian und Dom seinem Vater in FAST FIVE zum Tode verhalfen. Gesehen oder gehört hat man ihn seinerzeit aber nie. Ganz nach dem nachträglich erdachten Konzept.
Unbekümmert geht es so weiter. Der Quereinsteiger ist verwirrt wegen des Aufhebens um einige plötzlich erscheinende Figuren, während der eingefleischte Fan ebenso wegen dieser Figuren verwirrt ist, weil die in einem vorherigen Teil gestorben waren. Die Produzenten haben wegen eines Charakters bereits einmal die chronologische Ordnung der fortlaufenden Teile geändert. Da wäre es durchaus denkbar, dass auch FAST X überhaupt nicht in der Zeitlinie von Nummer 9 liegt. Denkbar, aber für den Unterhaltungswert letztendlich vollkommen irrelevant.
Dante will Straßenrenner/Spitzenagent Dominic Toretto und seine Freunde nicht töten, er will sie leiden sehen, Schmerz zufügen. Es geht um Familie, dass Mantra artige Thema in der Filmreihe, dass hier bis zur Lächerlichkeit wiederholt wird. Doch man könnte auch darüber, wie über soviel anderen Unsinn hinwegsehen, wenn es wenigstens in der Kernkompetenz funktionieren würde. Aber selbst als es nach fünf Teilen endlich wieder einmal ein ursprüngliches Straßenrenner geben soll, vermasseln es die Macher mit dummen Einfällen.
War in der Reihe der bisherige Spitzenreiter an Absurdität eine 50 Kilometer lange Startbahn (den Ausflug ins All muss man einfach unter den Teppich kehren), glänzt FAST X gleich mit drei katastrophalen Dummheiten. Die erste ist eine kugelförmige Bombe mit zwei Meter Durchmesser, die Kilometer weit auf den Vatikan zurollt. Die zweite ist der Dodge Charger mit einer Bodenhaftung die allen Beschreibungen spottet. Und schließlich eine Vertikalfahrt mit besagtem Automobil, die nicht einfach sprachlos macht, sondern am Verstand zweifel lässt. Nicht nur am eigenen, sondern besonders an dem des Regisseurs.
Es sind nicht die Ideen die hinter diesen Actionszenen stehen, die so furchtbar sind, sondern die Ausarbeitung und Umsetzung. Jede einzelne Aktion innerhalb dieser Szenen widerspricht allen gültigen Gesetzen der Physik. Das war in den vorherigen Filmen nicht anders. Doch ist grotesk, wie man dies im Rahmen der Steigerungsformel für Fortsetzungen zwanghaft bis ins Unansehnliche überstrapaziert. Dazu gibt es tatsächlich noch eine zusätzliche Steigerung in Form von unfassbar dilettantischen Visuellen Effekte, die ernsthafte Fragen aufwerfen.
Mit ca. 340 Million Dollar Budget ist FAST X als achtteuerster Film bestätigt. Wo dieses Geld sein soll, wenn es ganz offensichtlich nicht in die Visuellen Effekt investiert wurde, wird ein Rätsel bleiben. Was man jedenfalls an praktischen Auto- und Helikopter-Stunts zu erahnen glaubt, rechtfertigt niemals dieses Budget. Denn die beschworene Bodenständigkeit bei der Action verschwimmt in CGI und Schnittgewitter. Was direkt zu Dylan Highsmith und Kelly Matsumotos Schnitt führt, der schlicht ausgedrückt, einfach schlampig ist und unprofessionell wirkt. Die Motorschlachten mit Auto, Motorrad, Truck oder Hubschrauber haben nie einen kohärenten Fluss.
Bei den Verfolgungsjagden sieht man nie einen der Hauptdarsteller wirklich selbst fahren, es sei denn simuliert auf Kamerawagen, oder in CGI aufbereiteten Aufnahmen. Bei den Prügelszenen ist kaum ersichtlich, ob die Darsteller selbst akrobatisch tätig sind, oder die Montage dies nur vorgaukelt, weil choreografierte Abläufe mitten in der Bewegung auf eine andere Kameraperspektive umgeschnitten werden. Der Grund für den anfänglichen Erfolg der Serie waren bis dahin nie gesehene, reale Auto-Stunts. FAST X könnte nicht weiter davon entfernt sein.
Man muss sich als Publikum auch nicht mehr kümmern, in irgend einer Form emotionale Energie auf die Charaktere zu verschwenden. Es war bereits vor diesem zehnten Teil der Punkt erreicht, wo das Schicksal der Figuren irrelevant wurde. Es spielt keine Rolle was ihnen widerfährt, in welche Bedrängnis sie auch kommen mögen. Unmöglich ist gar nichts mehr. Und selbst sterben ist vollkommen ohne Bedeutung, weil unablässig immer wieder totgeglaubte Personen mit einem verschmitzten Lächeln das Publikum beglücken. Also, was soll’s.
Zumindest kann man sagen, dass die Spielfreude des Ensembles beim Publikum durchweg ankommt. Die offensichtliche Lust am ausgelassenen Spiel, besonders die überwältigenden Auftritten von Jason Mamoa, können aber kaum etwas kompensieren. Lediglich Vin Diesel macht den Eindruck, als hätte der Regisseur nichts für ihn übrig gehabt, oder das er vielleicht schon unter Ermüdungserscheinungen leiden könnte. Die Reihe hat ja nicht einmal mehr Popcorn-Qualitäten, weil der größte Anteil mit einer verbohrten Ernsthaftigkeit inszeniert wurde, die schlichtweg unangebracht ist. Was eigentlich überhaupt nicht nach der Handschrift von Regisseur Louis Leterrier aussieht. Das Ende muss man dann wirklich metaphysisch sehen, da kippen die Macher mit der Mid-Credit-Scene ihren kümmerlichen Rest an Glaubwürdigkeit in den Abfluss.
Darsteller: Vin Diesel, Jason Momoa, Michelle Rodriguez, Jason Statham, Tyrese Gibson, Helen Mirren, Charlize Theron, Rita Moreno, Brie Larson, Ludacris, John Cena u.a.
Regie: Louis Leterrier
Drehbuch: Justin Lin, Dan Mazeau
Kamera: Stephen F. Windon
Bildschnitt: Dylan Highsmith, Kelly Matsumoto
Musik: Brian Tyler
Produktionsdesign: Jan Roelfs
USA / 2023
141 Minuten