– Bundesstart 11.05.2023
Basierend auf der britischen DVD-Fassung.
Es ist eine überaus skurrile Idee, und gar nicht einmal so abwegig. Die imaginären Seelentröster der Kindheit und über Generationen liebgewonnene Schmusefiguren verwandeln sich durch widrige Umstände plötzlich in unkontrollierbare Psychopathen. Wegen seiner großen Ohren und den ständigen Hänseleien stark traumatisiert, würde Dumbo mit seinem Rüssel unvermittelt Zirkusbesuchern den Kopf abreißen. Rechtlich wäre diese Geschichte noch nicht mit dem Hause Disney vereinbar. Bei Winnie the Pooh wiederum sind lediglich die Charakterzeichnungen von Disney geschützt. Hingegen sind die Namen und das erste Buch von A.A. Milne seit 2022 gemeinfrei. Eine Riesenchance, sagt sich Filmemacher Rhys Frake-Waterfield. Eine riesige Dummheit, sagt das fertige Produkt. Man spaßt eben nicht mit den Ikonen der Kindheit von anderen, schon gar nicht so ungeschickt.
Christopher Robin ist erwachsen geworden und hat den 100-Morgen-Wald aus Gründen der schulischen Bildung verlassen. Genau das, was man sich für Frake-Waterfield wünschen würde, damit er auf die Filmschule gehen kann. Pooh, Piglet, Owl, Eeyore und Rabbit bleiben zurück, ohne das sich jemand um sie kümmert. In ihrer Not müssen sie Esel Eeyore als warme Mahlzeit zubereiten, was den Beginn des Abstiegs in ein degeneratives Dasein markiert. Und als Christopher mit seiner Braut zurückkehrt, um sie seinen Kindheitsbegleitern vorzustellen, werden sie vom geisteskranken, menschenfressenden Pooh und dem ebenso gestörten Piglet erwartet.
Wie viel Rhys Frake-Waterfield allein in den ersten zehn Minuten falsch macht ist erschreckend. Wobei falsch vielleicht das …falsche… Wort ist. Denn es sind so viele hochgesteckte Ambitionen zu erkennen, dass es ebenso erschreckend ist, dass BLOOD AND HONEY an keiner Stelle auch nur in irgendeiner Form funktioniert. Der mit Kratzern und Bildstörungen aufgemachte Retro-Vorspann aus Schlagzeilen und Radiomeldungen, wie sie mit den Remakes von TEXAS CHAINSAW MASSACRE und HILLS HAVE EYES beliebt wurden, ist lediglich ein gut gemeinter, dennoch peinliche Versuch, sich der Anmutung einer verstörenden Atmosphäre zu bemächtigen.
Hier verlieren sich unentwegt gute Absichten in unpassender Umsetzung. Genauso wie der Film weit von einer kohärenten Erzählung entfernt ist. In der Pre-Titelsequence wird die Schlachtung und Zubereitung von Christopher Robin eindeutig dargestellt, nur das er ohne Erklärung zwanzig Minuten später geschunden und halb tot wieder erscheint. Der ambitionierte Rhys Frake-Waterfield lässt keinerlei Gespür für Szenenaufbau erkennen. Versucht sich der Regisseur in einer genre-gerechten Spannungsdramaturgie, scheitert er an einer lächerlich übersteigerten Inszenierung.
Es gibt Krimis, wo der Spannungsaufbau nicht stimmt. Liebeskomödien, in denen die Chemie zwischen den Darstellern nicht funktioniert. Oder Action-Filme, die keine ernst zu nehmende Stunt-Arbeit liefern. Solche Filme kann es aber gelingen, in anderen kreativen Bereichen zu entschädigen. Der spannungslose Krimi mit herausragenden Bildern. Die unnahbare Komödie mit außergewöhnlichen Nebenfiguren. Oder die armselige Action wird durch aberwitzig spritzige Dialoge aufgewertet. Wenn aber wirklich kein Element von Intention, über Aufbau, bis hin zur Umsetzung passen will, wird es sehr schwierig.
Grundlegend kann so eine Geschichte nur funktionieren, wenn sie sich in dieser Form von Adaption nicht ernst nimmt. Sie muss als ironische Abhandlung des Stoffes aufgebaut sein und mit viel Respekt die Vorlage verinnerlicht haben. Aber nicht einmal einen Hauch von Humor gönnt der Macher seinem Film. Hier geht es ja nicht um eine abstruse Fantasie, die am Lagerfeuer ersonnen wurde, sondern es handelt sich um niemand Geringeren als Winnie the Pooh. Winnie the Pooh ist eine Institution, eine Figur, die sich mit ihren Geschichten Respekt verdient hat. Das alles interessiert Rhys Frake-Waterfield aber nicht im Geringsten, was diesen Film schließlich belanglos macht.
Belanglos wäre bei weitem nicht so schlimm, hätte Frake-Waterfield seinen Film nicht so atemberaubend dilettantisch inszeniert. Auch im Schnitt lässt sich nicht das geringste Gesfühl für Rhythmus erkennen. Wenn hier Köpfe abgeschlagen werden, dauert es Sekunden bevor die Protagonisten mit Schreien reagieren. Wenn sich der honig-sabbernde Killer mit schleifenden Schritten den Opfern nähert, wird gefühlt endlos hin und her geschnitten. Was Spannung erzeugen soll, wird hier zur Geduldsprobe. Und anstatt bequem wegzulaufen, wird mantraartig um Gnade gewinselt. Mit dem Versuch von definierenden Versatzstücken des Horrorkinos, macht man sich hier nur lächerlich.
Die offensichtlichen Laiendarsteller werden in ihren krampfhaften Bemühungen von der Regie schlichtweg alleine gelassen. Die himmelschreienden Dialogfetzen können nur vor Ort improvisiert sein, niemand kann ernsthaft solche Zeilen auch noch schriftlich festhalten. Das Ultra-Klischee von der traumatisierten Frau, die mit vier Freundinnen in einer einsamen Waldhütte entspannen will, wird ordentlich mit den Füßen getreten. Die betroffene Maria müsste den Regeln folgend eigentlich der Katalysator der Ereignisse werden, welche sie letztendlich zu ihrer Katharsis führen. Für Frake-Waterfield hingegen, wird diese Maria im Handlungsverlauf absolut irrelevant.
Zwei gut genährte Männer tragen die lächerlichsten Latexmasken seit Erfindung des Kinderfernsehen in den Fünfzigern, und das soll Angst und Schrecken verbreiten. Es gibt nichts, womit sich dieser Film rechtfertigen kann. Nur eine einzige Erklärung wäre möglich: BLOOD AND HONEY wurde derart schlecht inszeniert, um bewusst einen dieser ‚so-schlecht-das-du-es-sehen-musst‘-Kultfilme zu schaffen. Aber dazu, und das ist ebenso frei von Ironie wie der Film selbst, dazu ist er wirklich viel zu schlecht.
Darsteller: Nikolai Leon, Maria Taylor, Natasha Rose Mills, Amber Doig-Thorne, Danielle Ronald, Natasha Tosini, Craig David Dowsett, Chris Cordell u.a.
Regie & Drehbuch & Bildschnitt: Rhys Frake-Waterfield
Kamera: Vince Knight
Musik: Andrew Scott Bell
Großbritannien / 2022
84 Minuten