SPOILER ALERT
– Bundesstart 04.05.2023
Dies ist eine Geschichte, in der es um die Figuren gehen sollte. Um ihre Liebe, und ihre Leiden. Es ist äußerst unvorteilhaft, wenn durch gewisse Unzulänglichkeiten von dieser Geschichte abgelenkt wird. Eigentlich eine Allerweltserzählung, aber gerade deswegen auch so mitreißend und einnehmend. Die Beziehung des Fernseh-Journalisten Michael Ausiello und dem Fotografen Kit Cowan, zwei Menschen die sich finden, weil sie nicht unterschiedlicher sein könnten. Doch etwas lenkt ab, und im Verlauf wird allmählich deutlich was. EYES OF TAMMY FAYE-Regisseur Michael Showalter trifft in seiner Inszenierung einige wagemutige Entscheidungen, manchmal fragwürdig, manchmal exzellent. Dazu gehört, dass er Hauptdarsteller Jim Parsons in emotional eindringlichen Momenten direkt in die Kamera blicken und reagieren lässt. Ein Unvermögen von Seiten Showalters oder gar Parsons scheint undenkbar. Doch diese immer wiederkehrenden Momente machen deutlich, woran SPOILER ALERT im allgemeinen krankt – dieser Michael Ausiello überzeugt einfach nicht.
Die wahre Geschichte von Kit Cowan und Michael Ausiello ist eine sehr einfache Geschichte. Noch dazu erfahren wir gleich zu Beginn das Ende. Ausiello hat es ja schon in der als Vorlage dienenden Biografie als Buchtitel verwendet, ‚Spoiler Alert: The Hero Dies‘, versucht sich also gar nicht erst in künstlichen Überraschungen. Das erinnert konzeptionell und narrativ stark an Arthur Hillers LOVE STORY nach Erich Segals Roman, ohne dessen Klasse zu erreichen. Auch wenn sich SPOILER ALERT als Film, soweit es die dramaturgischen Konzessionen zulassen, an wahre Ereignisse hält.
Was der Inszenierung allerdings nicht gut tut, sind die kläglichen Versuche, modern und ausgefallen zu erzählen, und somit die strikte Geradlinigkeit zu verlassen. Das führt zum Beispiel zu einer nur vermeintlich überraschenden Wendung, die man durch einen Zeitsprung herbeiführt. Wie eigentlich ständig in diesem Film, umgeht man damit Erklärungen, welche zum Beispiel zu jener Wendung führten. Michael Showalters Inszenierung schmeißt förmlich das Publikum immer in bestehende Situationen. Die Beziehung von Kit und Michael entwickelt sich nie, es gibt immer nur den augenblicklichen Ist-Zustand.
Dabei wäre es bei so gegensätzlichen Charakteren wie dem introvertierten Michael und dem offensiven Kit sehr spannend die beziehungsdynamischen Alltagsprobleme zu beobachten, bevor sich die zweite Hälfte in den Alptraum von Kits Schicksal stürzt. Das Problem ist allerdings, dass Showalter seinen Film gerne unbeschwert mit einer leichten Nonchalance zu erzählen versucht, es aber am fehlenden Humor scheitert. Weder David Marshall Grants und Dan Savages Drehbuch, noch die Inszenierung selbst generieren irgendwelche Lacher, welche die Erzählung auf das dringend erforderliche, ansprechend bittersüße Niveau bringen.
Da Michael die Ereignisse aus der Ich-Perspektive erzählt, gibt es immer wieder nach seiner Profession als TV-Journalist ausgerichtete Sequenzen, in denen er sich als Jugendlicher in einer Sitcom versetzt sieht. Diese widersprüchlich inszenierten Einschübe erklären Michaels Kindheitstrauma über den Tod seiner Mutter, die ebenfalls an Krebs starb. Aber die Relation zu Kits vorhersehbaren Tod bleibt aus, zudem sind diese Sequenzen nicht einmal mit schwarzem Humor ausgestaltet. Genauso verhält es sich mit Michaels ständigen Off-Kommentaren, die offensichtliche Momente einfach nur unterfüttern, aber nie tiefere Einsichten oder komplexere Gedanken gewähren.
Lediglich eine Referenz an James L. Brooks’ ZEIT DER ZÄRTLICHKEIT funktioniert ausgezeichnet, vorausgesetzt man kennt den Film gut genug. Und Sadie Scott als einsilbige Mitbewohnerin ist in ihren ganz wenigen Szenen schlichtweg umwerfend. Erst mit Sally Fields Auftritt in der dreißigsten Minute, wird nur allzu deutlich woran es SPOILER ALERT wirklich mangelt. Abgesehen vom zögerlichen Humorlevel, erzeugen selbst die Hauptdarsteller keine wirklichen Momente. Solche, die über das gewöhnliche Niveau eines gewöhnlichen Dramas hinaus gehen. Und genau das sollte SPOILER ALERT eigentlich nicht sein – gewöhnlich.
Fields gibt ihrer Rolle als Mutter die mit dem Ableben ihres Sohnes zurechtkommen muss, mit einer beherrscht zurückgenommenen Verzweiflung, eine greifbare Präsenz die emotional mitreißt. Und das fehlt den Hauptdarstellern Ben Aldrigde und Jim Parsons. Besonders Parsons überzeugt nicht, der den Film nicht nur tragen sollte, sondern gefühlsmäßig auch definieren müsste. Dabei hat er erst in HOLLYWOOD demonstriert, wie der schmierige Produzent Henry Willson mit Parsons prägnantem Minimalismus erst richtig widerwärtig werden konnte. In SPOILER ALERT bleibt er weitgehend ohne Chance um tiefgreifend zu bewegen.
Besonders als LGBTQ+ orientierter Film hätte Michael Showalters Versuch einer stimmigen Adaption von Michael Ausiellos Memoiren sehr viel mehr erreichen können. Andere Filme tragen regelrecht aufdringlich die Flagge von Gleichberechtigung und Toleranz vor sich her. Bei SPOILER ALERT wird Homosexualität extrem zurückhaltend behandelt und als gesellschaftliche Selbstverständlichkeit in den Hintergrund gestellt, weil thematisch einzig die Beziehung als Kernelement im Vordergrund steht. Dadurch hätte der Film eine wesentlich breitere Publikumsschicht angesprochen, wäre er nicht mit seinen inszenatorischen Schwächen überfordert. Denn so ehrlich muss man sein, dass die gesellschaftliche Kluft zwischen Alltag und ehrlicher Akzeptanz noch nicht geschlossen ist.
Darsteller: Jim Parsons, Ben Aldridge, Sally Field, Bill Irwin, Antoni Porowski, Nikki M. James u.a.
Regie: Michael Showalter
Drehbuch: David Marshall Grant, Dan Savage
nach der Biografie von Michael Ausiello
Kamera: Brian Burgoyne
Bildschnitt: Peter Teschner
Musik: Brian H. Kim
Produktionsdesign: Sara K White
USA / 2022
112 Minuten