HOW TO PLEASE A WOMAN
– Bundesstart 20.04.2022
Ben gesteht dem älteren Steve, dass er nicht mit Sicherheit sagen könne, ob er eine Frau wirklich (sexuell) zufriedenstellen kann. Die Antwort seines Kollegen und Freundes ist einfach, „wenn du das sagen kannst, bist du ein besserer Mann als die meisten“. Diese kurze Szene in Renée Webster selbst geschriebenen Spielfilmdebüt, könnte einen überwältigenden Effekt haben, wenn die Absicht dahinter nicht so plakativ wäre. DAS REINSTE VERGNÜGEN ist der Film lediglich dann, wenn er den Zweck der reinen Komödie einfach einmal vergisst. Und mit der über fünfzigjährigen Gina als Beispiel, gibt es sehr viel über vernachlässigte Frauen zu erzählen, über das man auch einmal nachdenken könnte. Aus ihrer kleinen Firma wird sie wegen ihres Alters entlassen, und mit ihrem Mann hatte sie seit Jahren schon keinen Sex mehr. Den Stripper an ihrer Haustür, von ihren Freundinnen zum Geburtstag geschickt, überredet Gina lieber zum Hausputz.
Es ist ein herrliche Idee, die Renée Webster nutzt, um ein flammendes Plädoyer für die selbstbestimmten Freuden der Frau zu halten. Und damit sind nicht nur die sexuellen Vergnügen, zumindest zu Anfang. Gina ist genervt von ihrem Alltag, weshalb sie ihr Anrecht wahrnimmt, dass der im voraus bezahlte Stripper Tom seine Leistung auf die ein oder andere Art abarbeiten muss. Und im Augenblick ist die frustrierte Gina von nichts mehr genervt, als der eintönigen Putzerei. Ihren Freundinnen gegenüber rechtfertigt sie sich, dass eine Frau nichts glücklicher machen würde, als einmal einen Mann bei der Hausarbeit zuzusehen.
Da diese Zeilen aus der Sicht eines Mannes geschrieben werden, muss man in der Wortwahl vorsichtig sein, ob das Narrativ in dieser Form zutreffend ist, oder nur skurrile Basis für leichte Unterhaltung. Einfach einmal einen Mann beim Hausputz zuschauen, da stimmen Ginas Freundinnen begeistert zu. Bis eine schreit, „und danach Sex“. Mit den vier mehr oder minder gut aussehenden Kerlen einer Entrümpelungsfirma, die gerade – ganz zufällig – von Ginas ehemaliger Firma liquidiert wurde, will sie genau dieses Geschäft aufbauen. Hausputz und dann Sex, oder umgekehrt. Der deftige Spaß beginnt, und den Handlungspunkt ‚ganz zufällig‘ wird es im Verlauf noch mehrere Male geben.
In seiner Struktur ist dieses REINSTE VERGNÜGEN eine sehr gefällige Geschichte. Eine gewisse Routine aus Websters TV-Arbeiten kann der Film nicht leugnen, wo künstlerische Originalität stets hinter Effizienz im Erzählen anstehen muss. Viele Punkte sind einfach viel zu vorhersehbar. Das festgefahrene Verhalten von Ginas Gatten, bei dem sich der alleinstehende, gleichaltrige Tom als verständnisvoller Zuhörer erweist. Oder das vermeintliche Büro-Luder, das zum freundschaftlicher Helfer in der Not aufsteigt. Aber auch die Screwball-Blaupause, wo ein richtiger Polizist für einen Stripper gehalten wird.
Dennoch hält der Film ein sehr ansprechendes Niveau, weil er keine billigen Zugeständnisse an das männliche Publikum macht. Sein Thema zu unterdrückten, weiblichen Ansprüchen verfolgt er konsequent. Auch wenn es manchmal auf Kosten einer breiter gefächerten Betrachtung geht. Der weibliche Freundeskreis von Gina ist in Individualität und Vergnügungsausrichtung nicht wirklich differenziert. Aber es gibt auch sehr starke Szenen, wenn Klientinnen bei der Chefin im Vorfeld ihre sexuellen Präferenzen erläutern, um die Dienstleister korrekt vorzubereiten. Das ist gleichsam unglaublich komisch, und auch zutiefst berührend.
Wenn bei diesem Film von Freizügigkeit gesprochen wird, dann sind das nie Sexszenen. Wenn sich die Damen des Schwimmclubs in der Umkleidekabine bewegen, dann tun sie es in sehr natürliche Art. Da sind keine aufgefrischten Körper zu sehen. Webster zelebriert die Weiblichkeit in reiner Form, meist über Fünfzig, mal flüchtig, mal frontal. Aber sie stellt ihre Darstellerinnen nie zu Schau, sondern demonstriert deren Natürlichkeit als Identifikationsfiguren. Aber tatsächlich gibt es auch in einer Sequenz expliziten Sex, und es ist das komischste was man jemals zum Thema weiblicher Orgasmus im Kino gesehen hat.
Mit der einnehmend nuancierten Sally Phillips und einem ansteckend gut gelaunten Ensemble gelingt ein herrlicher Spaß, der allerdings weiter in die Tiefe gehen könnte. Gewisse Parallelen zu MEINE STUNDEN MIT LEO sind vorhanden, doch beide Filme waren zeitgleich in Produktion, was eventuelle Vorwürfe irgendeiner Art beiseite fegt. Aber Renée Webster erinnert ohnehin mehr an SHIRLEY VALENTINE, natürlich mit einer Portion GANZ ODER GAR NICHT. Diese geschickt gesunde Mischung bringt einen Frauenfilm hervor, der dieses Prädikat Frauenfilm stolz vor sich hertragen kann. Und vielleicht auch sollte. Nur um eine gewisse andere Publikumsschicht nicht eiskalt zu erwischen.
Aber DAS REINSTE VERGNÜGEN muss ja als gedankliche Anregung gerade für diese gewisse andere Publikumsschicht gar nicht mal so falsch sein. Egal wie plakativ oder lustig manche Szenen inszeniert sein mögen. Da gibt es Tom der sensationell im Bett ist, aber eine Niete im putzen, oder der exzellente Putzteufel Anthony, der in den Federn nichts taugt. Das reinste Vergnügen für die Zuschauerinnen, ist ein ehrlich gemeinter Anstoß für die Zuschauer.
Darsteller: Sally Phillips, Alexander England, Hayley McElhinney, Caroline Brazier, Erik Thomson, Ryan Johnson, Tasma Walton, Asher Yasbincek, Josh Thomson, Cameron Daddo u.a.
Regie & Drehbuch: Renée Webster
Kamera: Ben Nott
Bildschnitt: Merlin Eden
Musik: Guy Gross
Produktionsdesign: Emma Fletcher
Australien / 2022
101 Minuten