INFINITY POOL

Infinity Pool - Copyright UNIVERSAL STUDIOS– Bundesstart 20.04.2023

Der Inselstaat La Tolqa ist einer jener verarmten Länder, die mit exotischem Strandidyll und traumhaftem Klima die elitäre Oberschicht anziehen. Im schamlosem Reichtum leben sie in La Tolqa ihre pervertierte Freiheit aus. Was von den Einheimischen nicht geschätzt wird, weswegen das Luxus-Resort von einem hohen Stacheldrahtzaun geschützt wird. Weil aber Geld überheblich macht, möchten Gabi und Alban einen abenteuerlichen Ausflug jenseits der Anlage machen, und involvieren dazu ihre neuen Bekanntschaften. James Forster und seine Frau Em, er erfolgreicher Schriftsteller mit Schreibblockade nach dem ersten Buch, und sie verwöhnte Tochter eines Verlagsmoguls. Autorenfilmer Brandon Cronenberg, der sich mit diesem Film endgültig aus dem Schatten seines übermächtigen Vaters löst, lässt aber bereits von der ersten Szene an keinen Zweifel daran, dass alle Ideen seiner Figuren, keine guten Ideen sein werden.

Karim Hussain hat auch hier, wie bei Cronenbergs ersten beiden Spielfilmen, die Bildgestaltung übernommen. Und anders als bei POSSESSOR, gibt es bei INIFINITY POOL einige sehr fragwürdige, visuelle Entscheidungen. Manchmal verwirren die Aufnahmen mehr, als das sie zur Atmosphäre beitragen, wie die Überflüge über das Resort. Oder sie überzeichnen unnötigerweise das Geschehen, was die realistische Prägnanz in Frage stellt, wie bei der Orgie im zweiten Akt. Nebenbei gesagt – wer mit POSSESSOR vertraut ist, sollte gewarnt sein, dass Cronenberg hier seinen radikalen Erzählstil ordentlich vorangetrieben hat.

Auf La Tolqa gibt es das Gesetz, wer den Tot anderer verschuldet hat, wird hingerichtet, und zwar vom nächsten Angehörigen des Verblichenen. Für ausländische Besucher gibt allerdings ein Schlupfloch zur Auffrischung der staatlichen Finanzen. Für eine stattliche Summe, können die Beschuldigten einen exakten Klon von sich anfertigen lassen, inklusive allen Wissens und Erinnerungen, der dann an ihrer statt exekutiert wird. Das Original darf unbehelligt weiter ziehen. Selbstverständlich trifft es James Forster, den Neuling im exklusiven Ring der Mega-Reichen, der auf der Rückfahrt betrunken einen Bauern überfährt.

Wie kann man aber sicher sein, wirklich als Original zurückzukehren. Der Film schickt seine Protagonisten auf eine Reise zwischen Selbstfindung und moralischen Abwägungen. Nach der Hinrichtung von James’ vermeintlichen Klon, reist Em entsetzt ab. Er selbst findet mit dem verschwundenen Reisepass eine Ausrede, mit den nun drei verbündeten Paaren im Resort, die herausfordernden Zustände dieses Rechtssystems auszuloten. Dabei lässt Cronenberg kaum etwas aus, was für das Publikum nicht an die Grenzen des guten Geschmacks geht, oder den Figuren das Maximum des körperlich wie geistigen Ertragbaren abverlangt.

Infinity Pool 1 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Körperliche Verstümmelungen, Demütigungen, Austausch sämtliche Körperflüssigkeiten, Folter, oder Sex der an der Schwelle des pornografischen kratzt. Da sind Alkohol und Drogen noch zierliche Unarten. Man muss allerdings anerkennen, dass dies in der Welt des Brandon Cronenberg einen in sich geschlossenen Sinn ergibt. Moral und Ethik werden von den bereits mehrmals geklonten Gesetzesbrechern verworfen, um für sich die Frage nach eben diesen moralischen Verantwortungen und ethischen Grenzen zu beantworten. Ein pervertierter Zirkelschluss, weil durch den Stellvertreter-Klon eine Schuld beglichen wird, die ohne jegliche Konsequenz bleibt.

Auch wenn das Ensemble größer ausgelegt ist, behauptet sich INFINITY POOL als Zwei-Personen-Stück. Für Alexander Skarsgård ist es nichts ungewöhnliches, sich richtig zu verausgaben. Sein James ist in konstanter Erregung zwischen Faszination und Angst. Skarsgård zeigt sich nie als starke Figur, sondern ist ein stetig Getriebener. Fast eine Minute bleibt die Kamera auf seinem Gesicht, wenn er das erste mal eine Hinrichtung von seinem Doppelgänger mit ansehen muss. Die Reaktion ist verstörend, aber auch atemberaubend. Etwas von dem Mia Goth noch weit entfernt scheint.

Für die verführerische Gabi hätte es eine starke Darstellerin gebraucht, eine die mehr mit charismatischer Präsenz überzeugt, und nicht mit quietschendem Gekreische. Goth mag mit ihrer äußeren Erscheinung manche Rollen zufriedenstellend besetzen, hier geht sie aber mit ihrem überzogenen Gehabe einfach auf die Nerven. In den Casting-Büros sollte man endlich verstehen, dass Mia Goth einfach noch keine Hauptrolle auszufüllen versteht. Gerade in einem derart anspruchsvollen, multi-thematischen Film, der nur über seine Darsteller funktionieren kann.

Sollte INFINITY POOL als Sozialsatire gedacht sein, ist kaum etwas davon zu spüren. Cronenberg hat eine bestimmte Ausrichtung gefunden, die er mit einer unerbittlichen Flut von fast bösartiger Klarheit verfolgt. Normalerweise nehmen Regisseure ihre Zuschauerinnen und Zuschauer an die Hand und führen sie. Doch hier werden sie vom Filmemacher immer in eine Situation geworfen, und alleine gelassen. Manche Szenen spielen sich in ungewöhnlicher Länge aus, was ungemütlich viel Zeit einräumt, um den fiebrigen Wahnsinn richtig zu erfassen. Wann macht der Mensch Halt, wenn er nicht zur Rechenschaft gezogen wird?

Infinity Pool 2 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

 

Darsteller: Alexander Skarsgård, Cleopatra Coleman, Mia Goth, Jalil Lespert, Thomas Kretschmann, Adam Boncz, Zijad Cracic u.a.
Regie & Drehbuch: Brandon Cronenberg
Kamera: Karim Hussain
Bildschnitt: James Vandewater
Musik: Tim Hecker
Produktionsdesign: Zosia Mackenzie
Kanada, Ungarn, Kroatien / 2023
117 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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