THE AMAZING MAURICE
– Bundesstart 09.02.2023
Das sich Terry Prachett mit ‚Maurice der Kater‘ bei den Geschichten der Kinderbuchautorin Beatrix Potter anlehnte, hat der Autor selbst kundgetan. Aber Unkundige könnten durchaus fälschlicherweise annehmen, dass sich die Verfilmung von MAURICE am Konzept von SHREK orientiert. SHREK war bereits fünf Jahre in der Vorproduktion, bevor Prachett für ‚The Amazing Maurice and His Educated Rodents‘ auf die Tasten haute. Aber wer die aberwitzigen Absurditäten der Scheibenwelt kennt, weiß auch, dass der leider viel zu früh verstorbene Prachett, kaum Anregungen benötigte. Drehbuchautor Terry Rossio hingegen, hat als Co-Autor an SHREK mit geschrieben. Als Mann der mehr Storys für Filme schreibt als Drehbücher zu verfassen, hätte Rossio von der Arbeit an SHREK mehr mitnehmen können. Auch wenn sich dieser verschlagene Kater mit seiner perfiden Betrügerei im Familiensektor sehr gut behauptet.
Der etwas begriffsstutzige Menschenjunge Keith mimt den Flöte spielenden Rattenfänger. Ein Pack verseuchter, und dadurch sprechender Ratten spielen die Plage. Und das Ganze wird von Maurice angezettelt, dem einzig sprechenden Kater auf der Scheibenwelt. Der erzählt den Dorfoberen, dass er der Heimsuchung alleine nicht Herr werden kann, aber für einen angemessenen Preis einen Mann mit Flöte kennen würde… Das geht von Dorf zu Dorf ganz gut, bis die betrügerische Truppe nach Bad Blintz kommen, wo bereits eine tatsächliche Rattenplage zu herrschen scheint.
Das bekannteste was Regisseur Toby Genkel von seinen Regiearbeiten anführen kann, ist vielleicht die Regie bei einem Film in der WERNER-Reihe. Noch weniger aufregend sieht es bei der Vita von Co-Regisseur Florian Westermann aus. Da sollte man annehmen, solche Künstler würden die Gelegenheit mit einem Terry Prachett Roman, nicht wie eine Auftragsarbeit abhandeln. Doch genau diesen Anschein erweckt MAURICE, der sich audiovisuell wie eine amerikanische Standard-Animation ausnimmt. Nur fehlt ihm eine eigenständige Atmosphäre, und eine differenziertes Humorlevel.
Zweifelsfrei ist Kater MAURICE witzig, und mit kindgerechten 93 Minuten, angenehm kurzweilig. Aber das wesentlich mehr möglich gewesen wäre zeigen alleine die wenigen, viel zu knappen Querverweise auf andere Aspekte der Scheibenwelt. Da ist kurz Gevatter Tod mit Lehrling zu sehen. Die Unsichtbare Universität wird kurz angesprochen. Und man sieht die Scheibenwelt von den vier Elefanten getragen auf dem Rücken der Schildkröte, die sich durch das Weltall bewegt. Es sind lediglich gut gemeinte Einschübe, die aber ihre Wirkung verfehlen.
Mehr von SHREK mitnehmen bedeutet nicht, mehr Märchen und Sagen ineinander zu verweben, sondern vielleicht mehr aus den verrückten Szenerien der anderen Romane der Scheibenwelt-Reihe elementar einzubinden. Nicht zwangsläufig als Fan-Service, was auch sehr schön gewesen wäre, sondern um diese Eigenständigkeit aufzubauen, die MAURICE und seinen gebildeten Nagern wirklich fehlt. Diese Welt ist in ihren kulturpolitischen Ein- und Aufarbeitungen so komplex, vielschichtig und absolut verrückt, dass angemessene Verfilmungen bisher ausblieben.
Das kann man durchaus als konstruktive Ansicht werten. Worunter MAURICE allerdings ernsthaft leidet, ist seine stolpernde Handlungsstruktur. Der titelgebende Held ist manchmal im Vordergrund, wie es sein sollte, und dann wieder für einige Sequenzen verschwunden. Unvermittelt wird die Geschichte einige Zeit aus Sicht der Rattensippe erzählt. Schließlich taucht noch die überdrehte Malicia als Erzählerin auf, und reißt jede Szene an sich. Mit ihr durchbrechen die Macher auch die vierte Wand. Und weil das scheinbar nicht genug scheint, errichten sie auf dieser erhöhten Ebene noch eine andere Geschichte.
Diese andere Geschichte ist die von ‚Mister Bunnsy‘, der in einem Kinderbuch verewigt, die Grundlage für Maurice’ betrügerisches Unternehmen bildet. Eine strukturierte Linie geht MAURICE dem KATER in seiner Adaption verloren. Der Film bekommt sehr schnell den Charakter einer Nummernrevue, die durch ihre Dynamik mit einigen frischen Ideen kurzweilig unterhält. Von den hintersinnig prägenden Filmen der animierten Familienunterhaltung ist das weit entfernt. Auch weil Heiko Hentschels Szenenbild nicht über den von standardisierten Animationen hinausgeht.
Die Figuren sind erwartungsgemäß allesamt physiognomisch verzerrt dargestellt, und der unförmige Titelheld mit einer unnatürlich menschlichen Mundpartie umgesetzt. Wenn es eine Anspielung auf Lewis Carrolls Cheshire Cat sein soll, ist das gelungen, macht die Figur aber weder putzig noch verschlagen. Wenngleich sich die Augenpartie von Sprecher Hugh Laurie durchaus in Maurice wiederfindet. Wer allerdings auf die verwegene Idee kam, einen Hugh Laurie von jemanden wie Bastian Pastewka synchronisieren zu lassen, hat eine ausgesprochen seltsame Art von Humor.
Sprecher:
Maurice: Hugh Laurie / Bastian Pastewka
Malicia: Emilia Clarke
Boss Man: David Thewlis
Keith: Himesh Patel / Jerry Hoffmann
Peaches: Gemma Arterton
Bürgermeister: Hugh Bonneville
Dangerous Beans: David Tennant
u.a.
Regie: Toby Genkel, Florian Westermann
Drehbuch: Terry Rossio
nach dem Roman von Terry Prachett
Bildschnitt: Adam Dolniak, Friedolin Dreesen
Musik: Tom Howe
Produktionsdesign: Heiko Hentschel
Großbritannien, Deutschland / 2022
93 Minuten