– Bundesstart 09.02.2023
Vier Menschen mit martialisch anmutenden Geräten kommen zu einer Hütte im Wald. Leonard, der mutmaßliche Anführer, begehrt auf höfliche, aber bestimmte Weise Einlass. Das Paar Eric und Andrew, mit ihrer adoptierten Tochter Wen, wollten eigentlichen einen erholsamen Wochenend-Urlaub in der Hütte genießen. Eingeschüchtert und verängstigt, verwehren sie natürlich den Zutritt. Leonard erklärt ruhig, dass sie nicht gewaltsam eindringen möchten, aber müssten, wenn Eric und Andrew sich weigern zu öffnen. Nach kurzen Turbulenzen sitzt das Paar dann auf Stühlen gefesselt, im Wohnraum der Hütte. Es ist eine Eröffnung die durch die bedachte Ruhe von Leonard gegen jeden sonst üblichen Spannungsentwurf inszeniert ist. Aber dessen ist sich Regisseur und Autor M. Night Shyamalan durchaus bewusst, und entwirft dadurch eine ganz eigene Form von Intensität.
Man würde nicht in einem Shyamalan-Film sitzen, wäre da nicht die Erwartung an dieses bedeutsame Erlebnis, dass über einen konventionellen Kinoabend hinaus geht. Die überdimensionierten Titeltafel versprechen da schon sehr viel. Die haben tatsächlich eine Anmutung von Blockbustern der Siebzigerjahre. Allerdings verhält sich das konträr zu den gewohnten Settings des Filmemachers Shyamalan, der selbst große Themen aus kleinen, in sich geschlossenen Systemen heraus erzählt. Das Farmhaus, die Kommune, der Strand, etc. Hier klopft ausgerechnet Dave Bautista an die Tür einer Hütte im Wald.
Was folgt, ist die große Sinfonie des Emotionsorchesters, nur die Instrumente sind nicht gestimmt, und die Musiker spielen gleichzeitig unterschiedliche Komponisten. Vom Wrestler zum Action-Antagonisten, hin zum ernsthaften Schauspieler. Letzteres hat sich Bautista so vorgestellt, und man kann in KNOCK AT THE CABIN schon sehr gut erahnen, dass er zu Charakter-Rollen durchaus in der Lage wäre. Nur wenn die Kamera sein Gesicht bildfüllend einfängt und er seinen Dialog direkt ins Objektiv spricht, dann ist das von einer fünf Meter hohen Leinwand für Zuschauerinnen und Zuschauer einfach zu viel.
Nicht Bautistas Spiel bringt einen aus dem Konzept, sondern eine sehr unvorteilhafte Kameraführung, die nur verwirrt anstatt zu erweitern. Dabei sind die meisten Bilder mit exzellenten Lichtstimmungen eindrucksvoll gestaltet. Innenaufnahmen sind ausschließlich mit vermeintlich natürlichem Licht von außen gesetzt. Nur harmoniert dies selten mit Einstellungsgrößen und -bewegungen. Wenige Minuten in den Film hinein wird klar, dass die vier Eindringlinge weder Räuber noch sadistische Mörder sind. Der ‚Home Invasion Thriller’ wandelt sich zur philosophischen Moralstudie mit religiösen Diskursen.
Ein kundiges Publikum weiß, dass diese inhaltliche Wende nicht Shyamalans zu erwartender ‚Twist‘ sein kann. Zu diesem Zeitpunkt sind auf der einen Seite die zwei Väter mit ihrer Tochter, auf der anderen die vier Überbringer der Apokalypse. Die kann verhindert werden, wenn sich einer in der Familie opfert, oder geopfert wird. Nebenbei haben die vier Eindringlinge ganz eigene Vorstellungen, wie sie dem vermeintlichen Weltuntergang entgegen treten wollen. Hinzu kommen ausreichend Rückblenden, die Eric und Andrews beziehungstechnischen Werdegang beschreiben.
M. Night Shyamalan schreckt nie zurück, unkonventionelle und kontroverse Konzepte für die Inszenierung umzusetzen. In diesem Fall hat er aber seinen fließenden Themen- und Genremix nicht im Griff. Es ist nachvollziehbar, dass der Regisseur mit den Erwartungshaltungen spielt. Er will sich nicht in die Karten des Handlungsverlaufs schauen lassen, womit KNOCK AT THE CABIN allerdings eine einheitliche Struktur verliert. Es werden Sequenzen aufgebaut, deren Auflösung immer ins Leere laufen, weil der Regisseur bei jedem Abschnitt von Science Fiction zum Gesellschaftsdrama zum Katastrophenfilm in den Horror wechselt. Oder wild durcheinander.
Der Film zeigt den Zuschauenden nicht, was er wirklich sein will, oder sein soll. Die Apokalypse vom Standort einer abgeschiedenen Waldhütte aus zu erzählen, ist ein Konzept, dass der Filmemacher Shyamalan eigentlich schon in Perfektion verfolgt hat. Nur hier bleibt es ein wundersamer Teppich an gleichbleibenden Stimmungen, in dem selbst tragende Gewaltszenen so zurückhaltend inszeniert sind, dass sie ihre Wirkung verlieren. Zu allem Überfluss werden noch zeitgemäße QAnon-Theorien thematisiert, die dann wiederum anderweitige Spannungsmomente in Frage stellen.
Durchgängige Spannung bezieht KNOCK AT THE CABIN lediglich aus der ständigen Aufmerksamkeit des Publikums, eventuelle Hinweise zu finden oder Dialoge zu deuten. Angereichert mit zu vielen dramaturgischen Versatzstücken in Dialog und Handlung, können auch die Darsteller nur wenig gegen das inkohärente Dilemma ausrichten. Trotz ihrer ausgezeichneten Leistungen, dürfen ihre Figuren keine wirkliche Entwicklung erfahren, weil die auf sich selbst ausgelegte Handlungsstruktur das unmöglich macht. Was bleibt, ist die Erwartung in die alles auf den Kopf stellende Wendung.
Hoffentlich hat M. Night Shyamalan nicht eine neue Durststrecke begonnen, wie seinerzeit mit THE HAPPING, die erst nach drei Filmen mit THE VISIT beendet wurde. Ein kleiner philosophischer Exkurs wäre vielleicht, ob M. Night Shyamalan tatsächlich nur mit ‚dem Twist‘ kann, aber das ist vorerst nur ein flüchtiger Gedanke des Kritikers. Im Grunde ist alles da, was einen hervorragenden, atmosphärisch fesselnden Thriller ergibt. Nur ist von allem viel zu viel da, und das steht sich unentwegt selbst im Weg. Die ganz eigene Form der eingangs erwähnten Intensität ist die von vielen aufgebauten, aber nie erfüllten Versprechen.Bis sich daraus inszenatorischer Unsinn ergibt.
Darsteller: Dave Bautista, Jonathan Groff, Ben Aldridge, Nikki Amuka-Bird, Kristen Quinn, Rupert Grint u.a.
Regie: M. Night Shyamalan
Drehbuch: M. Night Shyamalan, Steve Desmond, Michael Sherman
nach dem Roman von Paul Tremblay
Kamera: Jarin Blaschke, Lowell A. Meyer
Bildschnitt: Noemi Katharina Preiswerk
Musik: Herds Stefánsdóttir
Produktionsdesign: Naaman Marshall
USA, China / 2023
100 Minuten