COUPEZ!
a.k.a FINAL CUT
– Bundesstart 17.02.2023
Besprechung basiert auf der französischen Originalfassung mit englischen Untertiteln.
Vorweg: Es kann, muss aber nicht, jedem gewahr sein, dass FINAL CUT ein Remake des 2017 gedrehten ONE CUT OF THE DEAD von Shin’ichirô Ueda ist. Wenn jemand eine Rechtfertigung verlangt, warum dies denn unbedingt notwendig war, wird sie – oder er – diese Begründung auch nicht in Michel Hazanavicius’ Adaption finden. Nicht ohne einen direkten Vergleich. Denn das japanische Original basiert selbst auf einer Vorlage, nämlich dem Theaterstück ‚Ghost In The Box‘. Und daran hat sich Hazanavicius nach eigenen Worten orientiert, als er seine Version der Geschichte verfasste. Wer aber mit dem französischen Ausnahmeregisseur vertraut ist, der Cineast und Ästhet von höchstem Rang ist, kann erahnen, dass er diesen Stoff zwar zu seinem eigenen machen wird, aber das Vorbild niemals verleugnen würde. Das Ergebnis wird zu einer Verbeugung und einem eigenständigen Spektakel gleichermaßen.
Wenn der Begriff Spektakel überhaupt angemessen ist, denn diesen Begriff besetzt man in der Regel positiv. Doch in diesem Sinne macht es Michel Hazanavicius seinen Zuschauerinnen und Zuschauern wirklich nicht leicht. Es geht um ein kleines Filmteam, dass in einem aufgelassenen Einkaufzentrum einen Zombiefilm dreht. Der Regisseur ist hysterisch, die Darsteller untalentiert, der Kameramann unfähig. Wie sich im Verlauf herausstellt, sind im zweiten Weltkrieg unter dem Gebäude die Opfer von furchtbaren Experimenten verscharrt worden. Durch schlampige Arbeit bei den Spezialeffekten, werden just diese Toten wieder erweckt. Die menschenfressenden Zombies beginnen das an einem Zombiefilm arbeitende Filmteam zu jagen. Der Regisseur ist begeistert, und lässt die Kamera weiter laufen.
An dieser Stelle sollte man nicht viel weiter auf die Handlung eingehen. Natürlich entspinnt sich ein haltloses Chaos, und die Szenerie wird immer absurder. Aber würde man sich weitergehend damit auseinandersetzen, nähme man dem Film seine essenzielle Eigenschaft, inhaltlich und inszenatorisch. Was man aber anführen kann und muss, ist Michel Hazanavicius’ mitreißende Leidenschaft fürs Kino. Und die geht soweit, dass er mit seinem Verständnis für die Mechanismen von Genrefilmen und Filmtheorie diese auch explizit so einsetzt. Der als Low-Budget-Produktion angepriesene Film, ist auch mit entsprechenden Elementen umgesetzt.
Bis zur Schmerzgrenze des vom stilistischen Arthouse-Kinos verwöhnten Publikums, strapaziert der Regisseur die Sehgewohnheiten. Wie mit der dilettantischen Kameraführung, der man allerdings zugestehen muss, dass der als Z betitelte Zombiefilm in einer einzigen Einstellung gedreht wird. Die Bemühungen von Kameramann Jonathan Ricqueborg, das Flair von wirklich schlechten B-Movies zu gestalten, gehen vollends auf. Die unwirklich überzogenen Farben tun das übrige. Darüber hinaus enthüllen die vermeintlichen Schauspieler mit offensichtlichen Reaktionen auf die Kamera ihre spärliche Filmerfahrung. Der einzige Profi im Ensemble erweist sich beim improvisieren als völlig untalentiert.
Eigentlich der Romancier unter den Filmkomponisten, muss für Alexandre Desplat diese Arbeit eine spannende Abwechslung gewesen sein. Nervenzehrende Synthesizer-Klänge hören sich bei manchen Passagen einfach sinnbefreit an und erklingen oftmals auch völlig konträr zum Bild. Desplat schafft damit genau die Atmosphäre, wie der Film auch erfahren werden will. Man muss es einfach so beschreiben, dass die Raupe auch nicht das schönste Stadium des werdenden Schmetterlings ist. FINAL CUT hat tatsächlich unter den schmutzigen Bildern und improvisierten Dialogen eine zuerst nicht wahrnehmbare Ebene, die sich erst entpuppen muss.
Wer ONE CUT OF THE DEAD von Shin’ichirô Ueda gesehen hat, wird ohnehin das Lesen an dieser Stelle aufgegeben haben. Wer unbedarft bis hierher gekommen ist, darf nur noch soviel erfahren: Michel Hazanavicius hat eine hinreißende Liebeserklärung an die Leidenschaft für das Kino und die Kraft der Filmschaffenden inszeniert. Wie er es mit den zwei OSS-Filmen getan hat, oder THE ARTIST, nicht zu vergessen GODARD MON AMOUR, aber auch mit dem immer wieder geschmähten DER VERLORENE PRINZ. Man muss FINAL CUT nur Zeit zugestehen, dann schlüpft der Schmetterling. Und im letzten Akt beginnt er dann wunderbar zu fliegen.
Die Darsteller entwickeln sich zu greifbaren Charakteren und die Handlung bekommt Tiefe. Romain Duris profitiert besonders von der wechselnden Dynamik, wo er sich vom durchgeknallten Idioten zum sympathischen Regisseur mit Leidensfähigkeit wandeln kann, und schließlich an den Rand des Nervenzusammenbruchs gelangt. Im Nachhinein ist man einfach davon überzeugt, dass kaum ein anderer diese drei Stadien eines Filmemachers besser verkörpert hätte. Aber FINAL CUT ist ein Film über das Filmemachen, und so wird auch der Rest des fabelhaften Ensembles selbstverständlich zu einem essenziellen Bestandteil der raffiniert durchdachten Handlungsstruktur.
In seiner eigenen Welt, ist FINAL CUT OF THE DEAD ein beinahe perfekter Film. Er überzeugt mit einem Handlungsverlauf, der kaum überflüssige Momente hat, auch wenn es einige Zeit braucht sich dessen bewusst zu werden. Fast jede Szene hat Dialog oder Handlung, die Auswirkungen auf die folgenden Sequenzen hat. FINAL CUT ist ein in sich geschlossenes Konzept, wo alles verbunden ist und ineinander greift. Man sollte sich nur bewusst sein, dass er dennoch kein massentauglicher Film ist. Dafür ist er schlichtweg zu speziell und konkret auf die große Leidenschaft Kino ausgelegt. Dies beherrscht Michel Hazanavicius allerdings mit Scharfsinn und präzisem Blick für Details, und vor allem mit großer Begeisterung. Folgerichtig ist der Begriff Spektakel hier durchaus angemessen, und als Begriff bei FINAL CUT OF THE DEAD absolut positiv gesetzt.
Darsteller: Romain Duris, Bérénice Bejo, Grégory Gadebois, Finnegan Oldfield, Matilda Lutz, Sébastian Chassagne, Lyes Salem, Simone Havanavicius u.a.
Regie: Michel Hazanavicius
Drehbuch: Michel Hazanavicius nach Shiníchiro Ueda, Ryoichi Wada
Kamera: Jonathan Ricquebourg
Bildschnitt: Michel Hazanavicius, Mickael Dumontier
Musik: Alexandre Desplat
Produktionsdesign: Joan Le Boru
Frankreich, USA, Großbritannien, Japan / 2023
112 Minuten