Filmstart: 09.12.2011
„Wie ist das, die Kinder von weißen Leuten aufzuziehen, wenn der eigene Sohn zu Hause ohne Mutter auskommen muss?“ Diese Frage kann die schwarze Aibileen Clark nur mit einem sehr traurigen Blick beantworten.
Gleich in der ersten Minute schafft es Tate Taylor, mit dieser Frage seinen Film auf den Punkt zu bringen und den selbstauferlegten Anspruch zu halten. „The Help“ spielt in den Sechzigerjahren und handelt von schwarzen Bediensteten, die bei weißen Familien Arbeiten verrichten, für die sich die versnobte Gesellschaft zu fein fühlt oder aber auch schlichtweg zu dumm ist. Die Bürgerrechtsbewegung wächst nur langsam, und die Hilfen sind der weißen Gesellschaft schlichtweg ausgeliefert. Für nicht einmal einen Dollar die Stunde sind nicht nur der Haushalt und die Kinder zu umsorgen, sondern müssen sie stillschweigen alles ertragen, was mit dem offen ausgelebten Rassismus einhergeht.
Aber „The Help“ ist weder eine harte, schwer zu ertragende Kost noch ein leichtsinniger, überidealisierter Spaß. Regisseur Tate Taylor inszenierte mit einer erfrischenden Leichtigkeit, die dennoch keine Skrupel kennt, offen und direkt zu bleiben.
Es tut dem Film sichtlich gut, dass Taylor mit der Autorin Kathryn Sockett nicht nur eng befreundet ist, sondern mit ihr auch zusammen in dem im Film dargestellten Ort Jackson in Mississippi aufgewachsen ist. Taylor konnte sich so noch viel eindringlicher mit den Intensionen des Romans und seiner Autorin auseinandersetzen. Beide sind Jahrgang ´68 und dürften die Zustände, die im Buch und Film dargestellt werden, so drastisch nicht mehr erlebt haben. Aber zumindest Stockett wurde von einer farbigen Bediensteten großgezogen, weil ihre Mutter die Familie verlassen hatte. Ihr bisheriger Lebensweg lässt sich auch in dem der Hauptfigur Eugenia ‚Skeeter‘ Phelan erkennen. Skeeter kommt nach drei Jahren College zurück nach Jackson. Jung, enthusiastisch, voller Tatendrang, möchte die junge Journalistin sofort die Welt verändern. Aber mit einer kleinen Kolumne in der örtlichen Zeitung will sie sich nicht zufriedengeben.
Es ist eben kein stark ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein oder weltfremder Idealismus, der Skeeter dazu bringt, über die Verhältnisse schwarzer Bediensteter zu ihren Arbeitgebern zu schreiben. In erster Linie will Eugenia ‚Skeeter‘ Phelan Journalistin sein und der Welt auffallen. Das gibt dem Film schon sehr viel Ehrlichkeit und vermeidet damit auch unangebrachtes Wehklagen der Figuren, das in solchen Filmen gerne thematisiert wird. Neben der engagierten Skeeter gibt es mit Celia Foote eine zweite weiße Frauenfigur, die mit den Konventionen des alltäglichen Rassismus bricht. Celia ist das stupide Blondchen, das sich beim Mittagessen zu der Schwarzen an den Tisch setzt. Nicht, weil sie sich berufen fühlt, die Welt zu verändern, sondern weil sie sich schlichtweg keine Gedanken darum macht.
Diese beiden so unterschiedlichen, aber stark gezeichneten Figuren umrahmen allerdings nur den eigentlichen Kern der Geschichte. Und das sind Viola Davies und Octavia Spencer als Aibileen Clark und Minny Jackson. Sie berühren den Zuschauer, nehmen ihn mit auf diesen Streifzug durch ihr Leben, bei dem man nur Bruchteile ihrer Empfindungen ermessen kann, aber sie voll und ganz versteht. Zwischen resolut und devot nehmen sie ihr Schicksal hin, sind aber niemals verbittert. Hier merkt man die Kraft von Regie und Vorlage, dass nämlich gerade die betroffenen Figuren keine resignierenden Duckmäuser sind. Sie haben ihr Leben unter diesen widrigen Umständen einfach im Griff. Sie lachen, albern herum und bleiben realistisch. Sie wissen, worauf es im Leben ankommt, und können damit sehr gut umgehen. Und sie packen die Gelegenheit am Schopf, wenn Skeeter die Geschichte der Schwarzen aus der Sicht der Schwarzen erzählen will.
Während Spencers Minny Jackson hier und da mal ins Klischee der polternden, aber herzensguten Mama verfällt, bleibt Viola Davies wieder einmal eine Offenbarung. Mit weniger als 15 Minuten Zeit auf der Leinwand war sie 2009 mit „Glaubensfrage“ für alle großen Filmpreise zumindest nominiert gewesen. In „The Help“ ist sie vielschichtiger, greifbarer, wesentlich präsenter. Aber man soll mit Vorhersagen vorsichtig sein. Letztendlich kommt es nicht darauf an. Es ist der Unterhaltungswert, der zählt, wenn man sich auf dieses menschliche Abenteuer einlässt.
„The Help“ spielt 1963, also weiß man, dass die Figuren keine tiefgreifenden Veränderungen bewirken werden. Am Ende wird kein Spalier von Weißen überzeugt und demütig den gedemütigten Schwarzen Applaus zollen. Verschiedene Verbände und Organisationen haben ja bemängelt, dass „The Help“ nicht hart genug wäre, nicht tiefer an die eigentliche Substanz gehen würde und viele Umstände verharmlosend darstellt. Wenn Bryce Dallas Howard im Film das Toilettenpapier mit einem Stift markiert, um zu kontrollieren, ob die schwarze Hilfe die Toilette benutzt hat, ist das sehr wohl sehr komisch, aber es geht sehr tief an die Substanz. Und wenn eine Mutter aus der Oberschicht zur einer anderen ganz nebenbei anmerkt, „für DIE dreht es sich doch alles nur ums Geld“, dann lacht der Zuschauer. Denn der Zuschauer weiß um die 90 Cent die Stunde, und das ist alles andere als verharmlosend.
Tate Taylor ist mit einem traumhaften Team, einem außerordentlichen Set-Design und einer atemberaubenden Ausstattung ein exzellenter Film gelungen. Ein Film, der zum Lachen einlädt, einen schmunzeln lässt und manchmal auch zu Tränen rührt. Er hält die perfekte Waage zwischen Realismus und Hoffnung. Wir als aufgeklärte Zuschauer wissen, dass es für die Figuren noch ein weiter Weg ist. Aber wir wissen auch, dass sie diesen Weg gehen werden. Und sie gehen ihn nicht verbittert, und deswegen begleitet man sie auf diesem kurzen Weg von 137 Minuten als Zuschauer auch gerne. Die Kraft des Kinos entfaltet seine Wirkung nicht nur durch Brutalität oder schonungslosen Realismus, sondern durch die Freude am Erzählen. Tate Taylor und Kathryn Stockett hatten sehr viel Freude am Erzählen. Und dass alle Afro-Amerikaner an dieser Stelle einfach nur Schwarze genannt wurden, sollte jetzt einen Aufschrei des Entsetzens nach sich ziehen.
Darsteller: Emma Stone, Viola Davis, Octavia Spencer, Bryce Dallas Howard, Jessica Chastain, Ahna O’Reilly, Allison Janney und Sissy Spacek u.a.
Regie & Drehbuch: Tate Taylor, nach dem Roman von Kathryn Stockett
Kamera: Stephen Goldblatt
Bildschnitt: Hughes Winborne
Musik: Thomas Newman
Produktionsdesign: Mark Ricker
USA / 2011
zirka 137 Minuten