LONDON BOULEVARD ist doch nur schmale Gasse

Colin Farrell war als Mitchel eine große Nummer in der Londoner Unterwelt. Jetzt kommt er aus dem Knast, und … natürlich, er möchte neu anfangen. Keira Knightley war als Charlotte eine große Nummer im Filmgeschäft, bevor sie aufhörte. Der Ärger mit den Paparazzi ist geblieben, und … natürlich ist das Mitchels neuer und idealer Job. Wer jetzt noch Zweifel hat, wie diese Geschichte weitergeht, der war für sehr lange Zeit nicht mehr im Kino, wenn überhaupt.

Die Geschichte von Mitchel und Charlotte, und von Mitchel und der Unterwelt, und von Mitchel und seinen Motivationen, ist ebenso alt wie das Kino. Aber William Monahan gibt sich als Schreiber und Regisseur alle Mühe, nicht dem Versuch zu erliegen, diese Art von Film neu zu erfinden. Allein in der Inszenierung der ersten fünf Minuten weiß man, dass Monahans große Vorbilder für diesen Film in den Siebzigern liegen.

Grobkörnige Bilder, wechselnde Filmformate und ein unheimlich cooler Held, der sich verletzlich gibt. So wie William Monahan seinen Film erdacht und umgesetzt hat, funktioniert er tatsächlich noch. Nicht nur als Reminiszenz, sondern eben auch als eigenständiger Beitrag. Woran „London Boulevard“ dann doch scheitert, sind viele kleine Details, die einzeln betrachtet weniger ins Gewicht fallen, zusammen allerdings den Beigeschmack immer schaler werden lassen. Muss Mitchel wirklich so unwiderstehlich cool sein? Muss der Unterweltboss unbedingt so stereotyp sein? Reicht Knightleys Schönheit wirklich aus, um die Untiefen in ihrem Charakter überspielen zu können? Warum gesteht der Filmautor dem Publikum nicht Gerechtigkeit zu?

Letzter Punkt ist „Boulevards“ eigentlicher Knackpunkt. Wenn man als Autor von seinem Publikum einfordert, dass es sich emotional auf die Figuren einlassen soll, dann muss man dessen Erwartungen auch Rechenschaft tragen. Am Ende des Films wird Monahan sein Publikum enttäuschen. Er versucht seinen Film auf einmal wie eine Guy-Ritchie-Fantasie enden zu lassen, doch zuvor war eben einfach 100 Minuten purer William Monahan. Man sieht den Darstellern sehr gerne zu, sie agieren und interagieren wie man es sich als Kinofreund nur wünschen kann. Zu keinem Zeitpunkt ist die Story wirklich originell, aber muss es denn so sein, wenn die Darsteller und die Inszenierung dem Zuschauer bieten, was der der Zuschauer von dem Thema erwartet?

Grundsätzlich würde „London Boulevard“ funktionieren, scheitert dann aber an diesen Grundsätzen. Es ist kein schlechter Film, er ist gute Unterhaltung, er macht Spaß, er ist handwerklich absolut solide. Und David Thewlis als abgehalfterter Assistent der Filmdiva ist einfach genial. Es ist nicht nur Thewlis persönlicher Höhenflug, sondern auch „London Boulevards“ darstellerischer Hochglanz. Aber es ist am Ende doch nur ein Film, der wesentlich besser sein könnte, als er letztendlich umgesetzt wurde.


Darsteller: Colin Farrell, Keira Knightley, David Thewlis, Anna Friel, Ben Chaplin, Ray Winstone, Eddie Marsan u.a.
Regie und Drehbuch: William Monahan
Kamera: Chris Menges
Bildschnitt: Dody Dorn, Robb Sullivan
Musik: Sergio Pizzorno
Produktionsdesign: Martin Childs
England / 2010
zirka 103 Minuten

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