– NETFLIX seit 23.09.2022
Über seine Bad Robot Firma hat J. J. Abrams diesen Film produziert. Das mag einiges versprechen, ist doch der Name Abrams immer für Überraschungen gut, in irgend einer Form. Die Vorankündigung präsentiert einen Film, in dem ein hilfloser Mensch auf die besondere Fähigkeiten eines anderen fremden Menschen angewiesen ist, und diese sich erst einmal zusammen raufen müssen. Stoff von bereits unzähligen Filmen, nicht sehr originell, eigentlich überhaupt nicht originell, aber ein mögliches Unterhaltungsfeuerwerk in den Händen eines entfesselten Regisseurs. In diesem Fall Regisseurin. Anna Foesters Spielfilm-Outing war UNDERWORLD: BLOOD WARS, was aber nicht wertend zu verstehen ist. Denn Allison Janney kennt man als stets resolute Persönlichkeit, und da war die Rolle des wortkargen Bad Ass eigentlich überfällig.
Auf eine verschlafenen Insel, wird während eines Jahrhundertsturms die Tochter der alleinerziehenden Hannah entführt. Die ebenfalls allein lebende und sehr mysteriöse Nachbarin Lou ist wegen des Unwetters die einzige Hoffnung. Und Lou enttäuscht nicht, mit Energie und überraschenden Fähigkeiten will sie Hannahs Tochter zurück holen. Dabei spricht sie die magischen Filmworte: Wenn Du mich aufhältst, lass ich dich zurück. Und das alle nach einem vorwegnehmenden Intro, welches sehr viel rätselhafte Dinge über Lou angedeutet hat.
Was vielversprechend beginnt, entpuppt sich sehr schnell als weiterer Schnellschuss in der Reihe von lausigen Netflix-Produktionen die versuchen mit namhaften Persönlichkeiten ihrem Plattforminhalt den Anschein von Qualität zu verleihen. Das kann man bei LOU allerdings nur Michael McDonoughs Kameraarbeit zugestehen, der mit CGI-Unterstützung einige sehr beeindruckende Bilder in Kinoqualität zaubert. Und er hebt auch mit untersichtigen Weitwinkel-Einstellungen bei Heldenposen das optische Niveau.
Ansonsten läuft alles nach bewährter Formel. Gedreht wurde an Örtlichkeiten, die der Produktion kaum Motivablöse kosten, in diesem Fall ausgedehnte Waldstücke und ein leeres Strandstück mit verlassenem Leuchtturm. Wie bei Netflix üblich, produzieren die Hauptdarsteller selbst, was ihnen natürlich künstlerisches Mitspracherecht gibt, das bei anderen Produktionen nicht möglich wäre. Die Beteiligten müssen sich soweit wohlfühlen, um wieder für diesen Streaming-Dienst arbeiten zu wollen.
Die Action-Sequenzen beschränken sich auf gut choreografierte Frau-gegen-Mann-Kämpfe, die mit raffinierten Einstellungen gut zu vertuschen verstehen, ob nun Janney tatsächlich selbst Hand angelegt hat, oder dies einem Double überlassen hat. Sehr schade um die vertane Chance. Und schließlich kommt es zu der überraschenden Wendung, die gar nicht so überraschend ist, weil die Charaktere so unbedeutend gezeichnet sind, dass man sich endlich einen Kniff in der Handlung herbeisehnt.
Das ganze, künstlich hochgezogene Handlungsgerüst macht die Personen allerdings nicht interessanter, sondern verpasst der Geschichte einen Hauch von unfreiwilliger Komik. Und dies gipfelt in einem Showdown, der eine Bandbreite von Faszination bis Fremdschämen besitzt. Der in fast jedem Film verschenkte Matt Craven als kumpelhafter Kleinstadtsheriff, wird auch hier bis zur Bedeutungslosigkeit unterfordert. Dabei hätte doch die eigentliche Grundidee so viele gute Möglichkeiten offeriert.
Erschreckend ist nicht, dass weder Buch noch Regie etwas mit den Figuren anzufangen wissen. Selbst wenn der Film eine ganz neue Richtung einschlägt, entwickelt sich kein Charakter in irgend einer Form weiter. Erschreckend ist, dass die Macher die ohnehin sehr geradlinige Struktur nicht in ihrer ursprünglichen Form nutzen. Sie bringen LOU zum Scheitern, weil sie dem Film mehr Komplexität andichten möchten, als er auch nur annähernd liefern könnte.
Darsteller: Allison Janney, Jurnee Smollett, Logan Marshall-Green, Ridley Asha Bateman und Matt Craven u.a.
Regie: Anna Foerster
Drehbuch: Maggie Cohn, Jack Stanley
Kamera: Michael McDonough
Bildschnitt: Matt Evans, Paul Tothill
Musik: Nima Fakhrara
Produktionsdesign: Martin Laing, Brent Thomas
USA / 2022
107 Minuten