THOR: LOVE AND THUNDER

Thor Love Thunder - Copyright MARVEL STUDIOS– Bundesstart 06.07.2022

Das schafft nur Taika Waititi, die Rolle des Thor mit Luke Hemsworth zu besetzen, dem Bruder von Chris. Auch dass Sam Neill den Odin von Anthony Hopkins übernimmt, sowie Matt Damon als Loki zu sehen ist. Mehr dazu im Film. Man hätte annehmen können, dass Iron Man auf Grund seiner Beliebtheitsskala durch das nonchalante Spiel von Robert Downey die Einzelfilme im Marvel Cinematic Universe anführen würde. Aber der, ebenso nonchalant ausgedrückt, mittelmäßige IRON MAN 3 hat einen vierten Teil vage werden lassen. Und da hat es nur einen Taika Waititi gebraucht, um so etwas wie eine Führungsrolle zugesprochen zu bekommen. THOR: RAGNAROK – TAG DER ENTSCHEIDUNG gewann mit seiner Unberechenbarkeit in Charakterzeichnung, Inszenierungsstil und Dramaturgie alle Sympathien im Querschnitt aller Zuschauer. Und damit gewann Thor noch vor Iron Man und Captain America einen vierten Einzelfilm.

Und der Filmemacher mit dem Hang zu schrägen Themen und anarchischen Inszenierungen, liefert ganz nach dem Credo aller guten Fortsetzungen: Er dreht den Lautstärkeregler auf 11. Das Stein-Alien Korg, also Waititi selbst, erzählt den Kindern von Neu-Asgard die Abenteuer von Thor. Wie dieser nach dem Blip den Guardians of the Galaxy Planeten mächtig auf den Senkel geht, weil er mehr in Trümmer legt als wirklich zu helfen. Und wie Odins Sohn zurück nach Neu-Asgard berufen wird, weil Götterschlächter Gorr mordend durch die Reiche zieht.

Noch während des melodramatischen Einstiegs geht es los, wenn Gorr seine erste Gottheit aus Rache für den Tod seiner Tochter dahin meuchelt. Da kippt der Film schnell ins grell bunte Absurde. Und wenn sich anderorts gleich darauf der Titelheld ins Kampfgetümmel stürzt, gewinnt THOR: LOVE AND THUNDER seinen parodistischen Charakter. Das ist durchsetzt mit allen Abstufungen von Humor, was Oftmals bis hin zur Farce reicht. Das hält Taika Waititi auch bis zum Ende durch.

Niemand wird abstreiten können, dass dieser Film der lustigste ist, den man bisher im MCU zu sehen bekam. Verschmitztes Gekicher und lautstarke Lacher geben sich den Hammer in die Hand. Dazu dröhnt Guns’N Roses im Original oder im Arrangement von Michael Giacchino und Nami Melumad, aber auch ABBA und Enya lassen von sich hören. Die sorgsame Musikauswahl unterstreicht den Bombast in Inszenierung und der vorherrschend freigeistigen Atmosphäre.

Thor Love Thunder 2 - Copyright MARVEL STUDIOS

 

Je unterhaltsamer und witziger sich LOVE AND THUNDER gibt, desto mehr präsentiert er sich unstimmig und inkohärent wie kein zweiter Marvel-Film im MCU. Das Natalie Portman wieder eine größere Rolle zuteil wird, ist eine wahre Freude, und das Schicksal ihres Charakters ist hervorragend geschrieben. Aber das Geschehen geht selten mit der Dramatik ihres Hintergrundes zusammen. Auch wenn die Verwechslungen mit ihrem Namen Jane Foster schlichtweg lustig sind. Und damit ist Rezensent wieder beim Problem.

Ernst nehmen kann man THOR: LOVE AND THUNDER nicht. Das beißt sich sehr stark mit Waititis Stil, Humor, Drama und Tragödie nicht ineinander fließen zu lassen, sondern mit harten Szenenwechsel umzusetzen. Wird in der einen Szene noch schenkelklopfend gelacht, werden nach einem Schnitt kleine Kinder vom Bösen zu Tode erschreckt. Baut sich eine mögliche Sterbeszene emotional richtig auf, muss man befürchten, dass ein brachial unpassender Scherz am Krankenbett erscheint.

Man muss zur eigenen Beruhigung des Pulses sagen, dass Taika Waititi zum Glück inszenatorisch das nicht geschehen lässt, was an dramaturgischer Grenzüberschreitung möglich gewesen wäre. Doch wer sollte dies ihm Vorfeld schon wissen. Alles ist möglich, und Waititi macht verdammt viel möglich (Ja, er. Denn es ist ganz klar sein Film, auch wenn Jennifer Robinson mit am Drehbuch schrieb.)

Es ist wirklich nicht leicht sich immer wieder in der Kürze der Zeit emotional so schnell umzustellen, um dem Gerüst einer Handlung die angemessene Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Das außergewöhnlich hohe Humorlevel stellt auch die Glaubwürdigkeit der Figuren immer wieder in Frage. Als Zuschauer findet man keinen Anhaltspunkt, inwieweit sich das aufgepeitschte Tohuwabohu ernsthaft in den Kontext des MCU einfügen lässt. Ist doch Phase 4 ohnehin noch ein Puzzle ohne Rand- und Eckteile.

Thor Love Thunder 3 - Copyright MARVEL STUDIOS

 

Die Phantasie der nerdigen Fan-Base wird auch hier wieder schwer beschäftigt (nicht nur die Frauen während der Thronsaal-Szene). Die Darsteller sind tadellose erste Güte, vor allem Hemsworth und Portman, und die zusätzlich antrainierte Muskelmasse. Auch wenn Mjolnir und Stormbreaker als Hammer und Axt endlich die charakterliche Ausarbeitung bekommen haben, die schon lange überfällig war, müssen sich diese die Aufmerksamkeit mit weiteren Innovationen teilen.

Am imposantesten ist in der Inszenierung sicherlich der erste Kampf zwischen dem Gott des Donners und dem Götterschlächter. Bei der Annährung an das Schattenreich wechselt das Bild allmählich in schwarzweiß. Wenn Thors Stormbreaker und Gorrs Necrosword aufeinander einschlagen, geht das nicht mit den üblichen Blitzgewittern einher, sondern wird die Szenerie mit jedem Schlag kurz farbig. Da bekommt das Attribut von ‚bildgewaltig‘ eine wirklich angemessene Bedeutung.

Das THOR: LOVE AND THUNDER augenscheinlich hauptsächlich vor Green-Screen gedreht ist, tut der Dynamik und Opulenz keinen Abbruch. In erster Linie konzentriert sich alle Aufmerksamkeit auf die phantastisch aufgelegten Darsteller. Und die ‚Set-Designer’ haben zudem die künstlichen Welten mit soviel Detailliebe ausgestattet, dass hinsehen ein regelrechter Augenschmaus wird. Und die Technik ist gerade in dieser Budget-Klasse ohnehin soweit, dass Übergänge zwischen Real und Computer nicht mehr auszumachen sind.

Außer bei den Ziegen vielleicht. Bei den Ziegen könnte man vielleicht ein wenig die visuelle Umsetzung bemängeln. Vielleicht. Aber die Ziegen überzeugen ohnehin auf einem ganz anderen Level. Auch wenn sie zweifellos bereits als Instant-Klassiker gesetzt sind, werden sie sich als Klingelton für Smartphones bestimmt nicht durchsetzen. Ansonsten gibt THOR: LOVE AND THUNDER mächtig viel auf Augen und Ohren, was wirklich überwältigt und vor Aha-Effekten nur so strotzt. Dennoch…

Thor Love Thunder 1 - Copyright MARVEL STUDIOS

 

Darsteller: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Christian Bale, Tessa Thompson, Taika Waititi, Russell Crowe, Jaimie Alexander, Karen Gillan, Chris Pratt u.a.
Regie: Taika Waititi
Drehbuch: Taika Waititi, Jennifer Kaytin Robinson
Kamera: Barry Baz Idoine
Bildschnitt: Peter S. Elliot, Tim Roche, Matthew Schmidt, Jennifer Vecchiarello
Musik: Michael Giacchino, Nami Melumad
Produktionsdesign: Nigel Phelps
Australien, USA / 2022
125 Minuten

Bildrechte: MARVEL STUDIOS

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Kino gesehen abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar