– Bundesstart 23.06.2022
Als Schauspieler von Weltformat, sollte man markante Veränderungen gut abwägen. Jack Nicholson hat 2010 vollmundig das Ende seiner Karriere verkündet, und Wort gehalten. Allerdings bevor sein letzter Film auf den Markt kam, WOHER WEISST DU DAS ES LIEBE IST. Und sowas bleibt haften. Niemand sollte mit einem schlechteren Film abtreten, als er begonnen hat, und das war bei Nicholson immerhin DER KLEINE HORRORLADEN. Kaum noch Möglichkeiten der Abwägung blieben Bruce Willis, der seine Karriere wegen einer Form von Aphasie aufgibt. Niemand sollte mit einem schlechteren Film abtreten, als er begonnen hat, und das war bei Bruce Willis, nach einer Aufwärmphase mit der Serie MOONLIGHTING, immerhin DIE HARD. Selbstredend ist es unwahrscheinlich eine Karriere auf dem Niveau von DIE HARD beenden zu können. Allerdings ist A DAY TO DIE noch um einige Nuancen schlechter als WOHER WEISST DU DAS ES LIEBE IST.
Geiselnahme in einer Schule. Ein Geisterkommando der Spezialeinheit greift ein, aber der Einsatz geht schief und es kommt zur Katastrophe bei der die meisten Geiseln sterben. Der Einstieg zeigt unmittelbar, worauf sich der Zuschauer eingelassen hat. Denn diese, als Action titulierte Szene führt alles genau so vor, wie es der Film auch bis zum bitteren Ende darstellen wird. Sehr schlecht inszenierte Szenenabläufe (um das Wort ‚Action‘ zu vermeiden) und die übelsten Rückprojektionen seit dem Einsatz von digitaler Technik.
Besagte Kommandoeinheit wird aufgelöst, und die Soldaten müssen privaten Jobs nachgehen. Wie Connor Connelly, der seither als Bewährungshelfer tätig ist. Selbstredend gerät der ehemalige Soldat dabei in Schwierigkeiten, die seine ganze Erfahrung aus der Spezialeinheit fordern werden. Natürlich, man hat das ja noch nicht oft genug gesehen. Selbstverständlich wird dann seine Familie noch mit hinein gezogen. Auch da müssen sich die Macher gedacht haben, dass es innovativ wäre.
Wie sich die Geschichte aufbaut ist schon atemberaubend, zumindest in der naiven Welt der Drehbuchschreiber Rab Berry und Scott Mallace. Nicht nur die schamlose Dreistigkeit ausschließlich längst verbrauchte Versatzstücke unmotiviert aneinander zu hängen, sondern auch die Ideenlosigkeit mit der diese Blaupausen unbearbeitet bleiben. Aber dahinter kann sich Regisseur Wes Miller nicht verstecken, weil er das Ganze ebenso uninspiriert, um nicht zu sagen dilettantisch in Szene gesetzt hat.
Eine Rezension zeichnet sich dadurch aus, bei einem sehr guten Film auch negative Aspekte aufzuzeigen, oder wenn sie die positiven Eigenschaften eines schlechten Films herauszuheben versteht. Und es schmerzt, wenn man das als Autor nicht tun kann, weil sich so etwas dann nach billiger und fauler Polemik anhört. Will man es versuchen, sollte man unbedingt bei Frank Grillo anfangen, der selbst schlimmen B-Movies immer noch Charisma verleihen kann.
Aber selbst Grillo lässt sich von Miller führen, als würde er nur hinter der Kamera bei den Dreharbeiten zusehen. Und bei Kevin Dillon ist es das schlichte Unvermögen einen Film wirklich selbst zu tragen. Dillon ist kein Hauptdarsteller, und er ist erst Recht kein Action-Darsteller. Alles was bei diesem Film falsch ist, summiert sich nicht einfach auf, es verhält sich exponentiell. Die Helden stehen in der Schusslinie und werden nicht getroffen, dafür sterben in perfekter Deckung unwichtige Nebendarsteller wie die Fliegen.
Es gibt Filme wie Sand am Meer, da funktioniert das. Das sind Filme, die sich ihrer überzogenen Art bewusst sind. Eine Schießerei in A DAY TO DIE sieht so aus, dass Darsteller unbeweglich in derselben Pose verharren, und dieselbe Einstellung immer und immer wieder verwendet wird. Einen wirklichen Fluss, geschweige denn Entwicklung gibt es nicht. Eine Logistik innerhalb der Szene ist nicht existent. Es gibt Persiflagen von Action-Filmen, die dieses Szenario genauso aufs Korn nehmen.
Und dann gönnen sich die Macher eine überraschende Wendung, die es wirklich in sich hat. Sie ist derart unsinnig, dass man erst einmal die eigene Wahrnehmung in Frage stellt. Miller verkauft das im Film mit für die Handlung logischen Erklärungen, die selbst in der in sich geschlossenen Fantasiewelt keinen Sinn ergeben. Man will nur originell sein und ziemlich schlau wirken. War A DAY TO DIE bis dahin bestenfalls unspannend, überschreitet er hier die Grenzen ins Lächerliche.
Viele Filme geben im Moment vor, der letzte Film von Bruce Willis zu sein. Trotz, oder gerade wegen seiner widrigen Umstände war der Ausstoß an Filmen mit ihm in 2021 enorm, und ist 2022 noch höher. Einen Gefallen hat er sich damit nicht getan, noch weniger seinen Verehrern. Auch A DAY TO DIE will ‚der letzte Film‘ in Willis Karriere sein, obwohl drei weitere Premieren noch ausstehen. Darunter wird sicherlich kein DIE HARD sein, erst Recht kein TWELVE MONKEYS. Aber hoffentlich etwas mit Würde und Anstand.
Darsteller: Kevin Dillon, Bruce Willis, Frank Grillo, Leon, Alexander Kane, Gianni Capaldi, Brooke Butler, Johnny Messner, Mohamed Karim u.a.
Regie: Wes Miller
Drehbuch: Rab Berry, Scott Mallace
Kamera: Michael Brouphy
Bildschnitt: Julie Garcés
Musik: Paul Koch
Produktionsdesign: Nadia Bodie, Scott Daniel
USA / 2021
106 Minuten