DIE TÄUSCHUNG

Operation Mincemeat - Copyright WARNER BROSOPERATION MINCEMEAT
– Bundesstart Kino 26.05.2022
– Netflix USA 11.05.2022

„In jeder Geschichte, wenn es eine gute Geschichte ist, gibt es das was man sieht, und das, was versteckt liegt. Das trifft besonders auf Kriegsgeschichten zu.“
Es liegt in der Natur des Klassikers, dass John Maddens jüngster Film leicht falsche Hoffnungen wecken könnte. Maddens beste Filme gehören zu der Gattung von leichter Unterhaltung, aber nicht zu verwechseln mit seicht. Keineswegs sind SHAKESPEARE IN LOVE oder THE BEST EXOTIC MARIGLOD HOTEL seicht, sondern von angenehm ungezwungener Natur. Die Kriegspose UNTERNEHMEN PETTICOAT geht da fast zwangsläufig einher mit dem was man glaubt bei DIE TÄUSCHUNG erleben zu dürfen. Und ganz ehrlich, Colin Firth wäre ein exzellenter Ersatz für Cary Grant. Aber DIE TÄUSCHUNG ist anders, weil er eine Ernsthaftigkeit bewahrt die der Thematik angemessen ist und den Beteiligten Veteranen Ehrerbietung zollt. Auch wenn man an einigen Stellen bei OPERATION HACKFLEISCH der Absurdität wegen unvermittelt einige Lacher loswird.

Im Zweiten Weltkrieg müssen die Alliierten aus strategischen Gründen Sizilien als nächstes einnehmen. Aber für die deutsche Abwehr ist dieses Ziel nur allzu offensichtlich. Das Twenty Committee, die Abteilung für Gegenspionage und Täuschungsmanöver, muss durch geschickte Fehlinformationen die Deutschen davon überzeugen, dass Griechenland Ziel für die nächste Landung sein wird, um möglichst ohne Verluste in Sizilien einmarschieren zu können.

Es ist erstaunlich, einen Film zu sehen, der überhaupt nicht das Prädikat der wahren Geschichte oder die Tafel von wahren Begebenheiten vor sich herträgt. Dabei ist DIE TÄUSCHUNG einer der extrem seltenen Ausnahmen wo scheinbar jedes Detail der tatsächlichen Ereignisse für die Leinwand-Adaption berücksichtigt wurde. Aber nicht nur im militärischen Ablauf, viel wichtiger auch im Privaten der Charaktere. Wobei Leinwand-Adaption in nur wenigen Ländern zutreffend ist. In den Zuschauer relevanten Ländern, ist DIE TÄUSCHUNG ausschließlich bei Netflix im Programm.

Was Warner Bros geritten haben muss, den Start dieses Kriegsfilms auf den des militaristischen TOP GUN: MAVERICK zu legen, darf man sich betriebswirtschaftlich gar nicht ausmalen. Das Zielpublikum ist ohne Zweifel ein anderes, aber spontane Besucher und Unentschlossene werden nicht lange überlegen. So werden die Geheimdienstoffiziere Charles Cholmondeley und Ewen Montagu höchstwahrscheinlich sehr einsam im Kino bleiben. Was sie wirklich nicht verdient haben.

„Da ist der Krieg den wir sehen. Ein Wettbewerb mit Bomben und Patronen, Mut, Aufopferung, und brutaler Gewalt, während wir die Gewinner zählen, ebenso die Verlierer und die Toten.“
Erzählt wird die Operation aus der Sicht von Lieutenant Commander Ian Fleming (genau, der), dem schriftführenden Assistenten von Rear Admiral John Godfrey. Winston Churchill persönlich hat Godfrey mit dem Griechenland-Täuschungsmanöver beauftragt. Godfrey setzt allerdings Cholmondeley und Montagu darauf an, damit sein Name sauber bleibt, sollte die Operation fehlschlagen.

Operation Mincemeat 2 - Copyright WARNER BROS

 

Regisseur Madden vermeidet das ganz große Drama, sondern erzählt seinen Film mit vielen leisen Untertönen, besonders was die Persönlichkeit der Figuren betrifft. Es ist nicht nur die Spannung des sich entwickelnden Täuschungsmanövers, sondern auch der schleichende Einfluss auf das private Leben der eingebundenen Personen. So werden Montagu und Cholmondeley unter anderem wegen falscher Vorurteile von der Admiralität gegeneinander ausgespielt. Jeder aus der operativen Gruppe hat seine persönlichen Probleme, die sich wiederrum auf die Mission auswirken könnten.

Jetzt ist das Narrativ von Spionage und Gegenspionage, Täuschung und Fallen stellen in Zeiten des Krieges wirklich nichts neues. Dennoch kann DIE TÄUSCHUNG in seiner flotten Inszenierung und dem pointierten Spiel immer wieder überraschen. Doch allem voran, ist er nicht so aufgeblasen und knochentrocken erzählt wie ähnliche Filme. Und genau das macht ihn auch so spannend, weil man in Maddens Inszenierung merkt, dass er ehrlich bleibt und gar nicht erst versucht mit falschen Überhöhungen den Zuschauer zu… ja, täuschen.

Colin Firth und Matthew Macfayden ergänzen sich hervorragend. Sie erreichen eine Gelassenheit die förmlich ansteckt, weil sie wissen, dass die Admiralität ihren Fähigkeiten misstraut. Was an einem Punkt tatsächlich auch gerechtfertigt scheint. Man bleibt ihnen aber immer gewogen, weil der Film die Zuschauer zu Mitgliedern des inneren Kreises macht. Und wie sie ihre Mission erfüllen, ist laut den Geschichtsbüchern gar nicht so unkonventionell gewesen in jenen Tagen.

Am gelöstesten ist der Film, wenn die bisweilen bizarren und wirklich absurden Vorbereitungen für das Täuschungsmanöver beginnen. So absonderlich sich alles ausnimmt, ist alles eine nachvollziehbare Abfolge von logischen Rückschlüssen. Was anfänglich noch zum Schmunzel animiert, entpuppt sich am Ende als folgerichtige Entscheidung. Es ist nicht PETTICOAT, aber DIE TÄUSCHUNG ist sehr spannend und unterhaltsam, aber nicht albern oder überzogen.

„Aber neben diesem Krieg, wird ein anderer geführt. Ein Schlachtfeld in grauen Schattierungen, ausgespielt mit Täuschung, Verführung, und Misstrauen. Die Teilnehmer sind fremd. Sie sind selten, was sie scheinen, und Realität und Fiktion verschwimmen. Dieser Krieg ist eine Wildnis aus Spiegeln in denen die Wahrheit von Lügen geschützt wird. Dies ist unser Krieg.“
Rear Admiral John Godfrey veröffentliche die Aufzeichnungen der Operation Hackfleisch unter seinem eigenen Namen. Allerdings konnte durch die Handschrift und den Schreibstil nachgewiesen werden, dass Ian Fleming der Verfasser des sogenannten Trout-Memos ist. Im Gegensatz zu Godfrey, war Fleming auch im inneren Kreis des Teams verankert.

Operation Mincemeat 1 - Copyright WARNER BROS

 

Darsteller: Colin Firth, Matthew Macfayden, Fufus Wright, Kelly Macdonald, Jason Isaacs, Johnny Flynn, Penelope Wilton, Lorne Macfayden, Mark Gatiss u.a.
Regie: John Madden
Drehbuch: Michelle Ashford
nach dem Buch von Ben Macintyre
Kamera: Sebastian Blenkov
Bildschnitt: Victoria Boydell
Musik: Thomas Newman
Produktionsdesign: John Paul Kelly
Großbritannien – USA / 2021
128 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS
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