TOP GUN: Maverick

Top Gun Maverick - Copyright PARAMOUNT PICTURES– Bundesstart 25.05.2022

Vor 36 Jahren hatte Pete Mitchell auf seiner mit Aufnähern bestickten Bomberjacke die Flaggen von Japan und Taiwan auf dem Rücken. Es sorgte für Entsetzen und Besorgnis, wie weit der Einfluss der chinesischen Geldgeber gehen würde, als in den ersten Vorschauschnipseln jene Jacke nach fast vier Jahrzehnten eine Veränderung aufwies. Die Flaggen der unbeliebten Nachbarn Chinas waren durch unbestimmte Symbole ersetzt worden. Nach 2 Jahren Verzögerung ist jetzt Captain Pete ‚Maverick‘ Mitchell endgültig wieder auf der Leinwand gelandet, und dazu gleich die gute Nachricht vorweg: Die berühmteste Bomberjacke der Welt ist im Film unverändert geblieben.

Running Gag ist die immer wieder trockene Bemerkung, „immer noch Captain?“. Was darauf schließen lässt, dass sich Pete Mitchell scheinbar in den letzte drei Jahrzehnten nicht viel geändert hat. Ein Befehl ist für ihn noch immer das Äquivalent zu Vorschlag. Umso erstaunlicher, dass er mit 58 Jahren zurück zur Elitefliegerschule Top Gun beordert wird, wo Piloten mit spätestens 54 Jahren ausgedient haben. Aber ein unbenannter Schurkenstaat ist dabei eine Anlage zur Anreicherung von waffenfähigem Uran fertigzustellen.

Wesentlich eindringlicher als die meisten Blockbuster ist allein schon die Produktion dieses Films, der zuerst nicht als Fortsetzung, sondern als Neuauflage angedacht war. Aber was lange währt, wird endlich gut. Es folgte die freundliche Übernahme von Tom Cruise als Produzent, die Ausarbeitung zur Fortsetzung, und die strapaziösen, bisweilen ungesunden Dreharbeiten. Die Aufnahmen der Darsteller als Piloten fanden unter realen Bedingungen, in den Original-Jets statt. Der Produzent bestand auf den Verzicht von Computer-Effekten. Nicht zu vergessen, die maskulinen Ausschreitungen im Fitnessstudio für die Strand-Sequenz.

Letztendlich kamen noch die Terminverschiebungen hinzu, fünf an der Zahl. Wie auch Christopher Nolan für TENET durchsetzte, war es für TOP GUN MAVERICK ein absolutes Muss im Kino gestartet zu werden. Und wer in dort auch gesehen hat, wird ebenso eindringlich bestätigen, dass es genau so sein muss. Dieser Film ist allein schon wegen seiner technischen Umsetzung das Paradebeispiel, warum das Kino erfunden wurde, warum es dieses noch gibt, und das es noch lange nicht tot ist.

Nichts, aber auch gar nichts, wird selbst unbedarfte Besuchende im Handlungsverlauf überraschen. Das Script von McQuarrie, Kruger und Singer liest sich wie die Essenz aus 100 Jahren Kinoblaupausen, als Fortsetzung, als eigenständiger Film, als Musterbeispiel von struktureller Filmerzählung. Aber anders als DER PATE II oder DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK will MAVERICK überhaupt nicht besser oder anders sein als das Original. Er will genauso sein – der TOP GUN Film seiner Generation. Aber das alleine ist es noch nich,t was ihn so perfekt macht.

Top Gun Maverick 1 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Neudeutsch ist das Zauberwort Trigger. Val Kilmers im ehrlichen Sinn gemeinter, herzerwärmender Auftritt als ehemaliger Gegenspieler ‚Iceman‘. Das Football-Spiel am Strand mit den extrem aufgepumpten freien Oberkörpern. Das Wettrennen zwischen Kawasaki und Fighter-Jet. Auch die legendäre Bomberjacke. Und natürlich der komplett übernommene Titelvorspann. Regisseur Kosinski triggert immerzu das Publikum der ersten Generation, sowie die deren Nachkommen mit Bildern die fest im allgemeingültigen Filmzitatenschatz verankert sind.

Aber diese visuellen Verbindungen sind keine plumpen Erinnerungsstücke, sondern sehr wohl bedacht und klug eingewobene Elemente, welche die Handlung wesentlich solider ausgestalten. Sie funktionieren zweifellos als Trigger, sind aber gleichsam essenziell für die anziehende Atmosphäre, und wesentlich für die Handlung selbst. Die tiefe Hingabe der Drehbuchschreiber findet sich auch in dem eigentlich verworfenen, aber wenigstens kurz angerissenen Handlungselement von ausgedienten Fighter-Jets gegen moderne Kampfdrohnen. Eine Idee des zu früh verstorbene Tony Scott, dem Regisseur des ersten Teils.

MAVERICK erzählt nichts Neues, zeigt keine überraschenden Wendungen. Die Geschichte ist erneut mit fast kindlicher Naivität durchsetzt. Von jedem einzelnen Handlungspunkt aus, kann man die Auflösung voraussehen. Das fängt schon mit Mavericks scheuen Versuchen bei Barbesitzerin Penny an, die selbstredend anfangs noch abweisend ist. Aber die Genialität von Buch und Inszenierung liegt nicht darin, dass die Macher dem Publikum immer und immer wieder genau das geben, was es erwartet. Sondern wie sie es machen.

In diesem Sinne ist auch Penny keine neu erschaffene Figur. Fans werden sich erinnern, dass sie bereits im Original als eine von Mavericks Verfehlungen Erwähnung fand. Alles scheint wie selbstverständlich ineinander zu greifen. Die Macher liefern keine einzelnen, für sich stehenden Segmente. Der organische Fluss des Filmverlaufs ist nahezu makellos. Es fällt sofort auf wie Musik, Ton, Bild und Schnitt aufeinander abgestimmt sind, und nicht jeder für sich, sondern alle Gewerke zusammen den größtmöglichen emotionalen Effekt erarbeiten.

Top Gun Maverick 2 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Gleich zu Beginn, ist die Darkstar-Sequenz ein hervorragendes Beispiel von diesem Verständnis von Ursache und Wirkung. Anstelle der sonst üblich aufpeitschenden Musik, passt sich der Soundtrack den fast schon mystischen Bildern an. Aber die Macher schaffen diese Konzentration mit dem Spiel der Sinne über 131 Minuten durchzuhalten. Cutter Eddie Hamilton lässt keine Einstellung zu lange stehen, gerade Lacher sind auf perfekte Länge ausgespielt und nie überbeansprucht. Über die komplette Strecke kann soetwas aber auch nur mit einem sauber abgestimmten Ensemble funktionieren.

Die Darsteller können selbst in ihren schmäleren Rollen ihre differenzierten Charakterzüge hervorragend ausspielen. Über Cruise kann man nur sagen, dass ihm für seine Figur die letzten 32 Jahre an Erfahrung extrem gut getan haben. Pete Mitchell ist bedingt reifer geworden, seine unkonventionellen Verstöße sind lange nicht mehr unüberlegt. Und er muss sich auch nicht mehr als Heißsporn beweisen. Cruise bringt das auch auf die Leinwand. Seine Figur hält nicht mehr alles für selbstverständlich, und hat auch den Mut Zweifel und Ängste zu zeigen.

Das man als emotionalen Gegenspieler Miles Teller als ‚Rooster‘ besetzt hat, gibt den Elementen des Schauspielkinos ungemeines Gewicht. Mehr als in seinen bisherigen Charakterrollen, versprüht Teller in fast allen Einstellungen den Geist des jungen Paul Newman. Und als Fighter-Pilot besitzt er eine einnehmende Physis, die glaubwürdig mit seinen kaum merklichen Selbstzweifeln einher geht. Denn geflogen wird in TOP GUN MAVERICK sehr viel, und das meist über das Limit hinaus.

Wenn im Abspann mehr Kampfflieger, Luftkampf-Berater, militärisches Bodenpersonal und Armee-Einheiten genannt werden als Tricktechniker und Computerspezialisten, dann sollte man erahnen können, dass es dieser Film innerhalb seinen selbstgesteckten Rahmens sehr ernst meint. Man muss sich selbst als begeisterter Anhänger eingestehen, dass die Flugszenen im ersten Film einfach nur geschickte Zusammenschnitte von willkürlichen Flugaufnahmen sind, die durch erklärende Off-Funksprüche zusammengehalten werden. Zugegeben, es hat außergewöhnlich gut funktioniert.

Top Gun Maverick 3 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Das CGI doch noch nicht alles kann, zeigt das Kernelement von MAVERICK. Die Darsteller in reale Kampfjets zu setzen, und sie tatsächlich bei den Flugmanövern spielen zu lassen und zu filmen, die später die Jets auch in Außenaufnahmen vollführen, zahlt sich in jeder Sekunde aus. Joseph Kosinski hat die Szenen so exzellent umgesetzt, dass das Publikum mit im Cockpit sitzt, mit den Piloten fühlt, und die phänomenalen Außenaufnahmen jeden Muskel anspannen lassen. Man kann sogar erkennen, dass die Bewegungen im Cockpit und dem gut sichtbaren Hintergrund genau mit den Kurven der zwischengeschnittenen Radarbildern übereinstimmen.

Das es CGI unterstützte Flugaufnahmen gibt, bringt alleine das fiktive Szenario mit sich. Aber wie gering diese in der Fülle der Aufnahmen sind, zeigt sich an den Bildern selbst, die leicht auszumachen sind. Man kommt in Versuchung den Machern Absicht zu unterstellen, damit der atemberaubende Aufwand in den Flugaufnahmen noch eindringlicher herausgestellt wird. Kein Film in den vergangenen Jahren hat seine Zuschauenden so intensiv in die Action hineingezogen. Das ist allerdings auch auf die mitreißende Inszenierung des gesamten Filmes zurück zu führen, in dem einfach alles passt.

TOP GUN MAVERICK atmet die Atmosphäre längst vergangener Studioproduktionen, als die Bosse noch Projekte aus reinster Leidenschaft produzieren ließen. Wo die Handlung selbst zur Nebensache wurde, wie man auch MAVRICK attestieren darf, aber der Film sich durch und durch seiner selbst bewusst war. Und wer glaubt Penny und Maverick hätten im Film Sex gehabt, der sollte beim nächsten Mal (und das wird es sicherlich geben) genauer hinsehen. So beweist sich auch hier die Magie in der Kunst des Filmemachens.
TOP GUN MAVERICK ist Tony Scott gewidmet.

Top Gun Maverick 4 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Darsteller: Tom Cruise, Jennifer Connelly, Miles Teller, Jon Hamm, Ed Harris, Monica Barbaro, Val Kilmer u.a.
Regie: Joseph Kosinski
Drehbuch: Ehren Kruger, Eric Warren Singer, Christopher McQuarrie
Kamera: Claudio Miranda
Bildschnitt: Eddie Hamilton
Musik: Hans Zimmer, Lorne Balfe, Harold Faltermeyer
Produktionsdesign: Jeremy Hindle
USA – China / 2022
131 Minuten

Bildrechte: PARAMOUNT PICTURES
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