Der Aufschrei war groß, als man ein Remake von „The Thing“ ankündigte. Das ist eine alte Regel und eine besondere Pflicht unter Cineasten. Was kann ein Remake dem Thema schon Neues hinzufügen, noch dazu einem Klassiker, welcher nicht umsonst zu einem solchen wurde? Doch das Remake zu „The Thing“ ist selbst zu einem Klassiker geworden. Das war 1982, als John Carpenter Bill Lancasters Drehbuch-Fassung verfilmte. Cineasten konnten sich lediglich über die auf Schock konzipierten Spezialeffekte echauffieren. Aber sonst war diese filmische Fassung weit näher an John Campbells Roman als die Verfilmung von 1951 unter Howard Hawks oder Christian Nyby, je nachdem wer den Film letztendlich wirklich inszeniert hat.
Der Aufschrei war groß, als man ein Remake von „The Thing“ ankündigte. Diese alte Regel wird von selbsternannten Cineasten gerne zur Pflicht erkoren. Universal spielte schon lange mit dem Gedanken, man entwarf und verwarf sehr viel und sehr oft, und kam am Ende zu dem Schluss, dass ein wirkliches Remake von zwei Klassikern des Kinos keine sehr gute Idee wäre. Die Verweigerungshaltung der notwendigen Fan-Basis für das Projekt würde nur einem Todesstoß gleichkommen. Aus dem Remake wurde ein Prequel, und was Matthijes van Heijningen dabei inszenierte, wird kein Klassiker werden.
John Carpenters Film neu zu verfilmen, so die Produzenten reumütig, wäre wie der Mona Lisa Augenbrauen aufzumalen. Das ist ein ehrenwerter Satz, der zum eigentlichen Film allerdings wenig beiträgt. Carpenter hat mit seiner Version durch die bizarren Deformationen des Dings aus einer anderen Welt dem Horrorkino etwas Neues gebracht, mit langen Einstellungen und der für Carpenter typischen Beleuchtung hat er gleichzeitig dem seinerzeit aktuellen Trend bei Horrorfilmen entgegengewirkt. Matthijs van Heijningen, wegen Zumutung fortan nur noch MvH genannt, hat sich nichts Neues einfallen lassen. Die Vorgeschichte zu „The Thing“ ist ein dem aktuellen Trend des Spannungskinos untergeordnetes Werk, das weder überrascht noch der eigentlichen Erzählung etwas hinzuzufügen versteht.
1982 kam eine außerirdische Lebensform in eine amerikanische Forschungsstation in der Antarktis. Es ist ein Organismus, der sich jede lebende Zelle einverleiben und komplette Lebewesen imitieren kann. Mit Bluttests und viel Geschick versuchen sich die Forscher gegen den übermächtigen, weil kaum zu identifizierenden Gegner zur Wehr zu setzen. Doch Paranoia, Kompetenzgerangel und pure Angst lassen das Ding aus einer anderen Welt immer mehr die Oberhand gewinnen. Denn die Forscher haben eine gewisse Ahnung, was in dem norwegischen Camp bereits passiert ist, das ohne Überlebende zurückzulassen vorher von dem Ding heimgesucht worden war. Nun wird im Jahre 2011 erzählt, was sich im norwegischen Forschungscamp zugetragen hat, als der Wissenschaftler Sander die junge Paläontologin Kate Lloyd in die Antarktis holte. Man fand im Eis eingefroren einen außerirdischen Organismus. Wozu dieser fähig ist, werden die Wissenschaftler sehr schnell bei Leib und Leben feststellen.
Es ist ein leichtes, die Versuche, „The Thing“ neu zu beleben, als gescheitert oder unzumutbar abzutun. Doch MvHs Fassung ist kein wirklich schlechter Film. Er ist nicht sehr tiefgründig, er bringt auch keine überraschenden Wendungen, die Inszenierung ist nicht originell, die Effekte zeigen sich umgehend als Computergrafik und die Charaktere sind austauschbar. Aber all dies bewegt sich in einem Rahmen, der „The Thing“ von 2011 nicht zum Desaster werden lässt. Er ist ansehnlich und technisch annehmbar umgesetzt. Die wirklich große Enttäuschung bleibt aus, so aber auch jede angenehme Überraschung. Hier wäre wesentlich mehr drin gewesen, denn viel Mühe hat man ganz offensichtlich investiert. Das Set-Design hält sich streng an das, was man in Carpenters Version gesehen hat. Welche Axt steckte in welcher Tür. Welcher Tote saß, lag, starb wo und wie. Das alles haben die Macher penibel in die Inszenierung eingewoben. Sollten sich faktische Fehler gegenüber der Fassung von ´82 eingeschlichen haben, fallen sie nicht ins Gewicht.
Doch das Prequel ist ein typisches Kind des aktuellen Kinos, das Schauwerte über den Inhalt stellt. Carpenter selbst inszenierte diese Schauwerte als integralen Bestandteil des Spannungsaufbaus, während MvH die Effekte lediglich als Katharsis nach dem Spannungsaufbau zu nutzen versteht. Carpenter baut mit der Vorwegnahme Angst auf, während heutzutage auf den Schock hin inszeniert wird. Dazu gehört auch, dass dem Publikum wenig Zeit für die Situation zugestanden wird, und der Hintergrund der Figuren auf das Notwendigste reduziert bleibt. Sehr schön spiegelt sich das in einer Situation wieder, als in MvHs Version die Charaktere merken, dass sie sich gegenseitig nicht mehr trauen können. Es wird geschrien, geschimpft und geschupst. Immer raschere Schnitte sollen die Intensität der Szene verdichten. Soweit ist das Szenario glaubhaft und in Ordnung, nimmt man zumindest an. Beobachtet man hingegen Carpenters Gemeinschaft, erkennt man sofort eine Gruppe von Männern, die trotz ihrer absoluten Charakterunterschiede als Team funktionieren, wie es die Isolation inmitten der Antarktis auch erfordert. Wenn einer mit dem Flammenwerfer arbeitet, sind zwei andere sofort mit Feuerlöschern zur Stelle. Dazu braucht es weder Worte noch Exposition, weil Carpenter seine Gruppe als professionelle Gemeinschaft voraussetzt. Auch in Carpenters Umsetzung gibt es die Konfrontation, die in gegenseitigen Anschuldigungen kulminiert. Hier muss nicht mit überflüssigen Dialogen oder fahriger Kamera nachgeholfen werden, weil die Intensität vom spürbaren Zusammenbruch der ehemals gefestigten Gemeinschaft ausgeht.
Gönnt geneigter Zuschauer sich einen angenehmen Kinoabend, kann er mit „The Thing“ einen ebenso angenehmen Gruselstreifen erwarten. Allerdings ist er einiges davon entfernt zu schocken oder dem Horrorspektrum einmal differenziertere Züge abzugewinnen. Gänzlich gescheitert wäre hingegen der Anspruch, sich mit dem als Prequel ausgebenden Remake auf die Stufe der Vorbilder stellen zu können. Denn bei aller Anstrengung, sich als eigenständige Vorgeschichte auszugeben, sind die Parallelen zu Carpenters Film bei Exposition, Handlungsablauf und Charakterentwicklung viel zu deutlich. Ein direkter Vergleich tut MvHs Bemühungen deswegen keinen Gefallen, im Gegenteil, er würde in ganzer Glorie untergehen.
Aber bemüht man sich selbst als Cineast oder Profi-Nörgler, kann man mit etwas Abstand einen soliden Film sehen, der mit Kurzweil unterhält. Kein großer Wurf, nichts wirklich Besonderes, aber doch über dem Durchschnitt der sonst gebotenen Unterhaltungsschocker. Das liegt zum einen an Mary Elizabeth Winstead, die selbst dick eingehüllt noch eine überzeugende Figur macht, und zum anderen an Ulrich Thomsen. Der Däne bringt mit seinem auf den Punkt gebrachten Spiel und seiner akzentfreien, sonoren Stimme ein ganz besonderes Flair von undurchsichtigen Absichten und unheilvollen Ahnungen in den Handlungsablauf. Und selbst Matthijs van Heijningen macht mit seinen eingeschränkten Möglichkeiten das Beste aus der Inszenierung. Denn es muss klar sein, dass Universal keinen Regie-Erstling bei einem Renommierstück einsetzt, um ihm wirklich die kreative Kontrolle zu überlassen. Daran krankt die Filmindustrie im Allgemeinen und Hollywood im Besonderen. Und daran krankt besonders ein als Prequel verkauftes Remake von „The Thing“, das ganz offensichtlich den Weg des geringsten Widerstandes gehen muss, um möglichst breitgefächert die Massen zu erreichen.
Wer sich auf „The Thing“ einlässt, darf dies nicht mit großer Erwartungshaltung tun. Wer sich nicht darauf einlässt, wird auch nicht wirklich etwas versäumen. Es war eine Chance, die unter dem merklichen Druck der Produzenten verpasst wurde. Wenn man so ein bisschen über beide Filme nachdenkt, kommt man zu einem interessanten Schluss. Neuverfilmungen werden natürlich auch unter dem Aspekt des Franchisings konzipiert, und stellt man die Zeitabläufe beider Filme von 1982 und 2011 gegenüber, wäre eine Fortsetzung möglich. Und zwar eine Fortsetzung, die nach Carpenters Version spielt. Kurt Russell gibt es noch, da wäre tatsächlich noch einiges drin.
Darsteller: Kurt Russell, Wilford Brimley, Keith David, T.K. Carter, David Clennon, Richard Dysart, Donald Moffat, Peter Maloney u.a.
Regie: John Carpenter
Drehbuch: Bill Lancaster, nach dem Roman von John W. Campbell Jr.
Kamera: Dean Cundey
Bildschnitt: Todd Ramsay
Musik: Ennio Morricone
Special Makeup Effects: Rob Bottin
Productionsdesign: John J. Lloyd
USA / 1982
zirka 109 Minuten
Darsteller: Mary Elizabeth Winstead, Joel Edgerton, Ulrich Thomsen, Eric Christian Olsen, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Paul Braunstein, Trond Espen Seim u.a.
Regie: Matthijs van Heijningen
Drehbuch: Eric Heisserer, nach dem Roman von John W. Campbell Jr.
Kamera: Michael Abramowicz
Bildschnitt: Julian Clarke, Peter Boyle
Musik: Marco Beltrami
Produktionsdesign: Sean Haworth
USA / 2011
zirka 103 Minuten