MADRES PARALELAS
a.k.a. PARALLEL MOTHERS
– Bundesstart 10.03.2022
amerikanische Prime Video Fassung / spanisch mit engl. UT
Es scheint wie eine flüchtige Bekanntschaft, wenn sich Janis und Ana auf der Geburtsstation ein Zimmer teilen. Die erfolgreiche Fotografin mittleren Alters und die verängstigte Jugendliche ohne Lebensplan. Beider Schwangerschaften waren wirklich nicht geplant, aber die alleinstehende Janis sieht es als Bereicherung und Herausforderung, während Ana von Selbstzweifeln geplagt wird, weil keiner ihrer geschiedenen Elternteile bereit ist sie zu unterstützen. Nach den Geburten trennen sich ihre Wege wieder. Aber das ist ein Film von Pedro Almodóvar, oder einfach nur Almodóvar, wie das Poster wieder einmal keck verkündet. Wer schon den einen oder anderen Film des spanischen Filmemachers gesehen hat weiß, dass sich diese flüchtige Zweckverbindung von Janis und Ana wesentlich komplexer gestalten wird.
In sieben der letzen elf Filmen von Almodóvar hat Penélope Cruz gespielt. Und warum Cruz die beliebteste Darstellerin des Filmautoren wurde, erklärt sich auch in PARALLELE MÜTTER sehr genau. Penélope Cruz vereint so ziemlich alle Frauentypen, die ein Film aus der Sparte eines Pedro Almodóvar braucht. Gereift, aber mit jugendlichem Charme. Über Maßen selbstbewusst, mit der Anmutung von hoher Verletzlichkeit. Rassige Femme Fatale, mit einer schüchternen Seele. Und impulsiv, mit abwägender Rationalität.
Vor allem kann Penélope Cruz ihre Natürlichkeit ausspielen. Ihre kurzen Abstecher nach Hollywood haben immer wieder ein Kunstobjekt aus ihrem Talent gefördert. Zweifellos hat sie auch hier großartiges geleistet, aber Almodóvar gesteht ihr immer zu, wirklich sie selbst zu sein, als bodenständige Frau mit all ihren Facetten. Wie Janis auch sein muss. Kind und professionelle Photographie hat sie unter einen Hut gebracht, der verheiratete Kindsvater Arturo bleibt außen vor.
Zufällig treffen Ana und Janis wieder zusammen, was beider Lebe positiv beeinflusst. Ana findet in der älteren Janis einen Ersatz für Familie, was ihr nach wie vor verwehrt blieb, während Janis so etwas wie eine Scheinfamilie komplettiert. Der Regisseur hält dabei den Fokus auf Janis, denn der Zuschauer erfährt auf Augenhöhe mit ihr nach und nach von dem bevorstehenden Schicksal der Frauen. Das es keine gewöhnliche Geschichte wird, liegt in der Natur des Filmautoren.
Filmtechnische Taschenspielertricks verweigert der Regisseur, selbst DIE HAUT IN DER ICH WOHNE ist in sich stimmig und funktioniert ohne bewusste Täuschung. Der Handlungsverlauf suggeriert anderes, aber dann hat man nicht genau hingesehen. So wird auch bei PARALLELE MÜTTER der Kern der Geschichte nicht verschleiert, sondern Aldomóvar nähert sich dem auf ganz anderen Wegen an, so dass man das Unvermeintliche erahnen könnte, aber gar nicht wahrhaben möchte.
Die Beziehung zwischen Janis und Ana wird zu einer Zerreißprobe, wie sie eigentlich nur Frauen widerfahren kann. Nachempfunden wird das aber geschlechterneutral. Das könnte zum ganz großen Melodram aufgebauscht werden, so wie die Filme des Regisseurs fälschlicherweise gerne eingeordnet werden, aber das würde der Erzählung nicht gerecht. Almodóvar und Cruz führen den Zuschauer nicht in das Innerste der Figuren, sondern lassen ihn beobachten und das ganze Geschehen auf sich persönlich übertragen. Wir wissen genau wie Janis und Ana empfinden, aber wie erginge es uns selbst?
PARALLELE MÜTTER ist ein fantastischer Film, der das weibliche Wesen exzellent zu beleuchten versteht. Kein Film der uns zu Tränen zwingt oder uns Mitgefühl aufdrängt, und vielleicht weinen wir letztendlich auch deswegen mit und können so stark nachempfinden. Über zwei starke Charaktere, die so unterschiedlich sind, und sich dabei so perfekt ergänzen. Es gibt keinen schlechten Charakter in diesem Film, auch wenn es oberflächlich betrachtet den Anschien hat. Aber alle Figuren können sich erklären, weil sie so aus dem Leben gegriffen sind, dass man ihnen Verständnis entgegen bringt.
Der Anthropologe Arturo wird zwar von Janis aus der Elternschaft ausgeschlossen, wird aber am Ende für sie zu einer ganz wichtigen Person in einem ganz anderen Anliegen. Der Kreis schließt sich, und macht PARALLELE MÜTTER dann auch zu einem gleichermaßen hintersinnigen Film über den Wert des Lebens und seiner Würdigung. Irgend ein Kreis hat sich dann wohl auch für Pedro Almodóvar geschlossen, der bereits vor 13 Jahren in ZERRISSENE UMARMUNGEN eine Wohnung mit dem Filmplakat von MADRES PARALELAS dekorieren ließ.
Darsteller: Penelope Cruz, Milena Smit, Israel Elejalde, Aitana Sánchez-Gijón, Rossy de Palma, Julieta Serrano u.a.
Regie & Drehbuch: Pedro Almodóvar
Kamera: José Luis Alcaine
Bildschnitt: Teresa Font
Musik: Alberto Iglesias
Produktionsdesign: Antxón Gómez
Spanien / 2021
123 Minuten