– Bundesstart 24.02.2022
Als Sportfilm ist KING RICHARD einfach zu wenig, und am biografischen Drama übernimmt er sich. Autorendebütant Zach Baylin weiß nie so richtig, wo er die Schwerpunkte setzen soll. Es ist eine raffinierte Entscheidung, die steile und überragende Karriere von Venus und Serena Williams eben nicht aus deren Perspektive zu erzählen. Will Smith als ihren Vater Richard zu besetzen ist ein weiterer hoher Aufschlag. Der unverhohlene Charme von Smith, paart sich sehr gut mit dem fragwürdigen Wesen seines Charakters. Das sind hervorragende Voraussetzungen für eine vielschichtige Biografie, die gute Chancen hat weit hinter das Spielfeld zu blicken. Aber das schwache Drehbuch bringt Regisseur Reinaldo Marcus Green dazu, sich ausschließlich auf seinen Hauptdarsteller zu verlassen.
Von der Geburt an, hat Richard Williams einen Plan für seine Töchter Venus und Serena. Er will beide zu den Besten im Profi-Tennis machen. Ohne Unterlass wird bei Wind und Wetter trainiert, bis sogar eine Nachbarin die Behörden wegen Misshandlung verständigt. Will Smith tut dabei das, was er am besten kann, und das ist unablässig reden. Er geht Top-Agenten auf die Nerven, die seine völlig unbekannten Töchter vertreten sollen. Und er nervt Trainer, die eigentlich McEnroe und Sampras fit machen. Während das auf der Leinwand gut aussieht, beginnt man als Zuschauer die Ansichten und Methoden dieses Mannes stark in Frage zu stellen. Der Film hingegen tut das nicht.
Wie Richard mit seiner penetranten Aufdringlichkeit so weit kommen konnte, und tatsächliche Persönlichkeiten sich von diesem Nobody so lange drangsalieren ließen, und damit auch noch Erfolg hatte, bleibt ein Rätsel. Aber irgendetwas muss ja dran sein, schließlich waren Venus und Serena in die Produktion involviert. Aber Regisseur Green inszeniert diese nervige Beharrlichkeit ebenso ausdauernd, dass auch der Zuschauer sehr schnell unter den immer selben Litaneien von Richards Plan zu leiden beginnt.
Der Charakter wird spätestens ab der zweiten Hälfte zur Geduldsprobe, der immer nur im Nachhinein seinen immer und immer wieder erwähnten Lebensplan für die Töchter als erreicht deklariert. Eine ernsthafte Reflexion über dieses Ziel, über seine Verantwortung und sein handeln, bleibt die Figur selbst und der Film im Gesamten schuldig. Vater Williams wird immer als Gewinner inszeniert, wenn er anderen seine persönliche Einstellung aufdrängt. Selbst als Serena in einer Sequenz ihr Schicksal erfolgreich selbst in die Hand nimmt.
Der Ball schlägt meist direkt an der Linie auf, wenn sich direkte Angehörige oder Betroffene als Produzenten bei eine Biografie einbringen. Ob direkt neben der Linie im Aus oder im Feld, liegt dabei am Regisseur, wie ihn diese Beteiligung in der Umsetzung beeinflusst. KING RICHARD schlägt immer knapp ins Aus, weil die Ansichten und Empfindungen der beiden Tennis-Ikonen vollkommen unbehandelt bleiben. Das dramaturgische Konzept ist zweifelsfrei aus der Sicht des Vaters, aber für eine schlüssigeres Verständnis hätte man feinfühlig aus dieser Einseitigkeit ausbrechen müssen.
Es gibt Andeutungen von Richards Motivation, seine leiblichen Töchter derart manisch in den Erfolg zu treiben (im Haushalt leben noch drei weitere Töchter aus erster Ehe von Gattin Orancene). Diese durch den armen Stadtteil Compton und der lokalen Bandenkriminalität geförderte Motivation muss sich der Zuschauer allerdings selbst zusammenglauben. Die verbalen Erklärungen und tätlichen Übergriffe von und gegen Richard verfangen sich in Plattitüden, die nach einfallsloser Inszenierung aussehen, aber nicht als dramaturgische Identifikation funktionieren.
KING RICHARD wird an den Stellen interessant, wenn die Handlung in den Hintergrund tritt. Wenn Will Smith meist zusammen mit der überragend geerdeten Aunjanue Ellis in sehr gefühlsbetonte Wortwechsel gerät, oder beide wortlos Szenen ausspielen, die umso mehr sagen. Damit spielt Regisseur Green aber auch seinen Ball ins Netz, weil diese emotional packenden Szenen zeigen, das mit diesen Darstellern wesentlich mehr an anspruchsvollem Drama möglich gewesen wäre. Aber letztendlich können auch diese den Film nicht zum Matchball verwandeln.
Darsteller: Will Smith, Saniyya Sidney, Demi Singleton, Aunjanue Ellis, Jon Bernthal, Toni Goldwyn u.a.
Regie: Reinaldo Marcus Green
Drehbuch: Zach Baylin
Kamera: Robert Elswit
Bildschnitt: Pamela Martin
Musik: Kris Bowers
Produktionsdesign: William Arnold, Wynn Thomas
USA / 2021
144 Minuten