Kann eine Fortsetzung besser gelingen als das Original? Und ist der Found-Footage-Thriller nicht schon längst zur Totgeburt verkommen? Nein und ja. Bei „Paranormal Activity 3“ könnte man auch sagen, ja und nein. Es ist das alte Für und Wider, und erneut wird es keinen versöhnlichen Konsens geben. Wer in diesem Vergleich dann auch gleich wieder „Pate 2“ oder „Imperium schlägt zurück“ anführen möchte, hat kaum die Dynamik des aktuellen Kinos verstanden. Der Found-Footage-Thriller hätte seine besten Zeiten längst hinter sich gehabt, sofern es solche überhaupt gegeben hätte. Und ein Vergleich mit „Toy Story 2“ oder „Dark Knight“ sollte bei dieser Art von Film gar nicht erst in Betracht gezogen werden. Doch gelingt einem der objektive Blick vorbei an einer cineastischen Überheblichkeit, erschließt sich mit diesem dritten Teil eine rundum gelungene Fortsetzung. „Paranormal Activity 3“ ist ein Film, der an den an ihn gestellten Erwartungen gewachsen ist.
Niemand kann mehr ernsthaft erwarten, dass dieses vornehmlich für Horrorfilme genutzte Subgenre so funktioniert, wie es die jeweiligen Macher dem Konsumenten verkaufen möchten. Allerdings hat Oren Peli mit seinem ersten Teil ein Stilmittel gefunden, das „Paranormal“ am nächsten zu „Blair Witch Project“ stellt, der den Hype um diese Filme erst entfachte. Pelis Film hatte nicht die Absicht, tatsächlich gefundenes Material vorgaukeln zu wollen, doch es gab ihm die Möglichkeit, auf effektive Weise zu den Wurzeln des eigentlichen Horrorfilms vorzudringen. Spannung, Grusel, Terror. Überbordende Effekte wurden dafür auf ein Minimum reduziert.
Bis in den dritten Teil hinein hat sich an dem Stilmittel nichts geändert. Man könnte es als platten Aufguss abtun, als sinnbefreite Wiederholung herabwürdigen. Dann sollte man einfach vermeiden, ins Kino zu gehen. Tatsächlich haben die Produzenten es geschafft, einen Handlungsbogen zu kreieren, der an manchen Stellen aufgesetzt und ein klein wenig gezwungen wirkt, dem eigentlichen Anliegen allerdings nicht entgegensteht. Unendlich lange blickt die starre Kamera in einen Raum, bis sich die aufgebaute Spannung mit einem Schreckensmoment löst. Oder auch nicht, das ist eben der eigentliche Terror bei den „Paranormal“en Filmen.
Es ist die Vorgeschichte der beiden Schwestern, die in den ersten beiden Filmen von Dämonen gequält wurden. Kristi und Katie werden diesmal, weil noch im Kindesalter, von Chloe Csengery und Jessica Tyler Brown gespielt, und ihre Interaktionen mit der Kamera sind überwältigend. Die Produzenten hatten gerade bei den Kleinen ein perfektes Händchen für die Auswahl der Darsteller. Einige Fragen, die sich aus den ersten Filmen ergeben hatten, werden beantwortet, andere Fragen tun sich dafür wieder auf. Wer mit den Augen rollt, weil dahinter natürlich nur der Sinn nach einer weiteren Fortsetzung stehen kann, ist selber schuld. Hollywood ist eben keine Sozialstation.
Die Filme werden auch gemeiner. Konnte man noch im ersten Teil darauf vertrauen, dass die Szenen am Tag zur Erholung der Nerven dienten und der dämonische Terror erst bei den Nachtszenen einsetzen würde, kennt der Dämon in Teil drei keine Tageszeiten. Natürlich widerspricht das dem ursprünglichen Film, weil „3“ einige Jahre vor dem ersten spielt, aber die Erbsenzähler werden vielleicht in Teil 4 oder 5 oder auch später eines Besseren belehrt. Wer sich hingegen gerne richtig gruselt, der kann über solche Kleinigkeiten leicht hinwegsehen. Sofern der Zuschauer kleine Ungereimtheiten überhaupt wahrnimmt, denn an vielen Stellen ist „Paranormal Activity 3“ einfach nervenzerreißend spannend.
Der Found-Footage-Thriller ist längst tot, und er funktioniert auch nicht mehr. Diesen allerdings als filmisches Stilmittel zu nutzen, ist dieser Filmreihe wirklich zugutegekommen. „Paranormal Activity 3“ funktioniert mit der sich einverleibten Bildsprache bis zur perfekten Gänsehaut. Seinen zwei Vorgängern steht er in nichts nach, wenn es um den kollektiven Horror im Kino geht, wo gemeinsam geschrien und hysterisch gelacht wird, wo jeder so tun möchte, als ob das Geschehen auf der Leinwand Kinderkram wäre. Die Reihe spricht Urängste an. Sie greift den Freund des gepflegten Horrors an den vermeintlichen Eiern, und verstärkt nach und nach den Griff.
Man darf die elitäre Gruppe von sich selbst überzeugten Filmverstehern durchaus an ihrer ebenso selbst angeeigneten Überheblichkeit packen und deren Nase auf die Leinwand drücken. Der erste Teil hat das Subgenre zu nutzen verstanden. Der zweite Teil hat bewiesen, dass dieses Verstehen die Filme aus ihren Schablonen von vorgetäuschter Realität herausheben kann. Und Teil 3? Wer jemals Angst vor der Dunkelheit hatte, sollte ihn meiden. Wer sich schon mal mit paranormalen Aktivitäten beschäftigt hat, sollte sich diesen Film nicht antun. Wer sich leicht gruselt, der hat hier nichts verloren.
Dieser Film funktioniert, weil er die Regeln des modernen Kinos beherrscht. Er funktioniert, weil er seinem Publikum nichts vormachen möchte, was er nicht wirklich halten kann. „Paranormal Activity 3“ will nie mehr sein, als er imstande ist zu zeigen. Die Story mag nicht originell sein. Und der angerissene Handlungsbogen könnte Zuschauer auch enttäuschen. Aber darauf kommt es echt nicht an. Es mag sein, dass sich die Geschichte um Dämonen und zwei Geschwister irgendwann totläuft, doch mit „Paranormal Activity 3“ ist man doch weit davon entfernt. Es ist ein gut inszenierter, herrlich gruseliger, perfekt schockierender Thriller, der weiß, worauf es ankommt. Und die Benutzung eines Ventilators bekommt eine ganz neue Qualität. Wenn dieser sich mit einer aufgesetzten Kamera langsam hin und her bewegt, dann bekommt der Schrecken eine Intensität, die man also durchaus innovativ bezeichnen kann. Von welchem Horrorfilm der letzten Jahre kann man dies schon behaupten?
Darsteller: Chloe Csengery, Jessica Tyler Brown, Christopher Nicholas Smith, Lauren Bittner, Katie Featherston, Sprague Grayden u.a.
Regie: Henry Joost, Ariel Schulman
Drehbuch: Christopher B. Landon, nach dem Original von Oren Peli
Kamera: Magdalena Gorka
Bildschnitt: Gregory Plotkin
Produktionsdesign: Jennifer Spence
USA / 2011
zirka 81 Minuten