MOONFALL

Moonfall - Copyright LEONINE ENTERTAINMENT– Bundesstart 10.02.2022

Hier ist der Film, in dem angsterfüllte Menschen dem Mond davon laufen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das birgt sehr viel Ironie, wenn ein Objekt mit 3500 Kilometern Durchmesser so nah an der Erde entlang kratzt, dass selbst Bergspitzen gekappt werden. An dieser Stelle muss man sich als Filmemacher genau überlegen, wie man dies inszeniert, oder besser, ob so eine Szene überhaupt notwendig ist. Denn selbst in einer so obskuren Situation ist es selbstverständlich, aus reiner Panik davonzulaufen. Aus gemütlicher Entfernung vor der Leinwand, macht das aber immer noch einen absurden Eindruck der zum Schreien komisch ist. Aber nicht wegen der Angst dieser Menschen, sondern weil dem Regisseur das Gespür für derartige Szenen fehlt. Man erinnert sich an den Film 2012, in dem ein Darsteller wortwörtlich sagt, „nichts kann unsere Beziehung spalten“, genau in dem Augenblick, als ein Erdbeben das Pärchen voneinander trennt. Das ist nicht Ironie, und auch nicht komisch, das ist albern. Willkommen in der Welt des Roland Emmerich.

Wenn die demente Mutter der pummeligen Putzkraft KC fälschlicherweise annimmt, ihr Sohn wäre eine große Nummer bei der NASA, weiß man sofort, dass er am Ende die große Nummer in der Geschichte werden wird. Wenn der geschiedene Vater seinen straffällig gewordenen entfremdeten Sohn nicht aufgeben will, dann wird dieser Sohn am Ende über sich hinausgewachsen sein, und seinem Vater näher sein als je zuvor. Wenn zwei hoffungslos zerstrittene Ex-Kollegen gezwungen sind wieder miteinander zu arbeiten…

Das Problem bei MOONFALL ist nicht seine unglaublich einfältige Erzählweise, sondern die Lieblosigkeit, mit der Roland Emmerichs sein jüngstes Spektakel inszenierte. Der unterprivilegierte Nerd ist der Erste, dem auffällt, dass der Mond seine Umlaufbahn verlassen hat, und sich spiralförmig orbital der Erde nähert. Doch der arbeitslose Astronaut Brian Harper will von KC Housemans Entdeckung nichts wissen, weil dieser auch noch die Meinung vertritt, der Mond wäre eine künstlich erschaffene Megastruktur.

Und da wäre sie schon, eine Verschwörungstheorie, die bei mindestens 6 von Emmerichs bisher 21 Regiearbeiten die Grundlage der Handlung bildet. Das funktioniert in den meisten Fällen ganz gut, weil die Macher solche Albernheiten bisher immer richtig umgesetzt haben. Der gelungenste Schenkelklopfer ist immer noch bei INDEPENDENCE DAY zu finden, wenn das erste Mal die Sprache auf Area 51 kommt. In MOONFALL wirkt die Idee des Mondes als künstlich erschaffenes Objekt eher wie notwendiger Ballast.

Viele ‚Außenaufnahmen‘ sind absonderlich offensichtlich auf Studiobühnen gedreht. Nicht nur das die Ausleuchtung artifiziell anmutet, sondern die räumlichen Verhältnisse zu den Personen stimmen einfach nicht, und machen die Enge der Kulissen sichtbar. Allerdings schwerwiegender für eine 140 Millionen Dollar Produktion sind die unausgereiften Green-Screen-Aufnahmen, die viele Einstellungen sofort entlarven, und den gewünschten Effekt vom beeindruckenden Setting augenblicklich in Frage stellen.

Moonfall 1 - Copyright LEONINE ENTERTAINMENT

Was tricktechnisch vor 40 Jahren State of the Art war, sollte heute nicht einmal mehr Nostalgikern zugemutet werden. Nicht in einem Film, der innerhalb seiner eigenen Prämisse ernst genommen werden will. Der Albernheiten bewusst, manövrieren sich die alten Hasen Halle Berry und Patrick Wilson selbstbewusst durch die Stereotypen ihrer Figuren, und bewahren darstellerisch durchaus ihre Würde. Aber als wahrer Scene-Stealer beweist sich John Bradley, dessen Timing im Spiel umwerfend ist, und der mit grandiosen Einzeilern seinen Charakter richtig witzig, aber nie lächerlich macht.

Auffallend in der Inszenierung sind die teilweise verwirrend harten Schnitte. Selten baut Emmerich Spannung auf, wenn der gefährlich nahe Mond auf der Erde durch Gravitation Flutwellen auslöst, atembare Luft absaugt, oder Mondgestein zerstörerische Meteoritenschläge niedergehen lässt. Der Zuschauer wird in den Ist-Zustand geworfen, und muss sich erst selbst orientieren. Die Zerstörungen werden dann aber auch nicht als großes Drama gezeigt, zu welchem sie eigentlich herausfordern sollten.

Bei MOONFALL hat man ständig dieses eigenartige Gefühl, er wäre ohne die sonst für Roland Emmerich übliche Leidenschaft gemacht. In der Zerstörungswut fehlt die epochale Wucht, und in den Charakter-Momenten bleibt das überzogene Drama aus. Alles was der Regisseur in anderen Filmen mit einer unerschütterlichen Übertreibung zelebriert, bleibt hier erschreckend dünn. Wenn sich in der Mitte eine Figur für eine andere opfert, dann passiert es, und ist abgehakt. Wenn rings um die Helden unentwegt tonnenschweres Gestein einschlägt, beharren diese unbeirrt auf ihr Vorwärtskommen.

Im letzten Drittel haben sich die drei Autoren Emmerich, Kloser und Cohen an einer unübersichtlichen Zahl von anderen Filmen bedient. Als Film-Nerd legt man dabei mehr Wert darauf das jeweilige Plagiat zuzuordnen, anstatt den angedachten Spannungsmomenten zu folgen. Was immer man gegen die eigenwilligen Ideen und überbordenden Inszenierungen eines Roland Emmerich vorzubringen hat, wird hier vermisst. Der Regisseur hat sich erst kürzlich bei ‚Den Of Geek‘ lächerlich gemacht, in dem er behauptete, dass Marvel Superhelden und Star Wars Ableger wegen ihrer Konformität die Filmbranche ruinieren würden. Aber genau das fehlt MOONFALL, die Verlässlichkeit eines Roland Emmerich.

Im Cinecitta Nürnberg täglich in zehn Vorstellungen.

Moonfall 1 - Copyright LEONINE ENTERTAINMENT

 

Darsteller: Halle Berry, Patrick Wilson, John Bradley, Charlie Plummer, Michael Peña, Carolina Bartczak, Zayn Maloney, Ava Weiss, Hazel Nugent, Chris Sandiford u.a.
Regie: Roland Emmerich
Drehbuch: Roland Emmerich, Harald Kloser, Spenser Cohen
Kamera: Robby Baumgartner
Bildschnitt: Ryan Stevens Harris, Adam Wolfe
Musik: Harald Kloser, Thomas Wanker
Produktionsdesign: Kirk M. Petrucelli
Großbritannien – China – USA / 2022
130 Minuten

Bildrechte: LEONINE Entertainment
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