The Man From Hong Kong
– Bundesstart 31.07.1975
Noch immer hinkt das australische Kino der Beliebtheit der amerikanischen Massentauglichkeit hinterher. Selbst das europäische Kino schlägt sich mit seinen Nischenfilmen von künstlerisch übersteigerten Ansprüchen auf dem weltweiten Markt besser. Die Offensive beginnt Anfang des Jahrzehnts 1970. Im Zuge einer hohen Durchlaufrate von billigen Blut- und Gewaltproduktionen in den jugendlich dominierten Autokinos, versuchen australische Filmemacher und ihre euphorischen Produzenten mit bescheidenem Erfolg Lücken zu schließen. In diesem Sinne schickt Brian Trenchard-Smith als Drehbuchautor und gleichzeitig Regisseur, Inspektor Fang Sing Leng von der Polizei Hongkong nach Sidney, Australien. Fang Sing Leng wird von Kung-Fu-Star Jimmy Wang Yu verkörpert, bis vor kurzem noch einer der bestbezahltesten Hongkong-Darsteller.
Der unkonventionelle Polizist soll eigentlich nur einen Drogenkurier von Sidney nach Hongkong überführen, doch dieser wird noch auf dem Weg zum Schweigen gebracht. Das lässt den heißblütigen Fang Sing Leng zu Hochform auflaufen, dem eigentlich die Befehlsgewalt fehlt, und deshalb auf die Unterstützung der Beamten Taylor und Grosse angewiesen ist. Drahtzieher scheint Gangsterboss Jack Wilton zu sein, der in der Stadt nicht umsonst den Namen Mr. Big trägt. Mit Hilfe der attraktiven Journalistin Caroline Thorne, treffen schließlich der Mann von Hongkong und Jack Wilton bei einer Gartenpartie das erste Mal aufeinander.
Der Entwurf für DER MANN VON (sic!) HONGKONG ist am Ende dann doch zu groß und aufwendig für eine schnelle Auswertung in Autokinos, deren Beliebtheit mittlerweile ohnehin am sinken ist. Die James Bond-Filme begeistern unentwegt das Publikum, und die Welle an rein auf Karate und Kung Fu ausgelegten Eastern hat ihren Höhepunkt erreicht. Mit ihren Talenten und der notwendigen Risikobereitschaft schwenken die Australier um, von groß auf noch größer, und finanzieren den Film in einer erstmaligen Zusammenarbeit mit der Hongkonger Firma Golden Harvest als gleichberechtigtes Studio.
Es ist ein aufwendig überzogenes Spektakel, dass der MANN VON HONGKONG bietet. Die Handlung ist dürftig und in den meisten Handlungsteilen vorhersehbar. Regisseur Brian Trenchard-Smith preist seinen Film als Persiflage auf den britischen Geheimagenten im Dienste ihrer Majestät. Aber bereits die Eröffnungsszene macht deutlich, dass die Absichten weit über das einer Parodie auf James Bond gehen. Die Szene am Ayers Rock, einschließlich eines Karate Kampfes auf dem Berg selbst, und einer Verfolgungsjagd mit Helikopter und spektakulärer Explosion, ist phänomenal ausgerichtet und hält in Atem.
Weitere Autoverfolgungen folgen, und dazwischen immer wieder unbarmherzige Zweimannkämpfe, welche fabelhaft die Möglichkeiten von asiatischen Kampfkünsten demonstrieren. Die Kämpfe sind letztendlich das Herzstück vom MANN VON HONGKONG, bei denen sich auch die australischen Darsteller beweisen. Es sind keine spielerischen durchexerzierten Schaukämpfe, für das man das Hongkong-Kino mittlerweile auf der ganzen Welt bewundert. Wenn Jimmy Wang Yu zum Beispiel mit Grant Page aneinander gerät, dann sieht das real aus, und nicht in den Bewegungsabläufen einstudiert.
Die Mischung von asiatischem Kung Fu Film und amerikanisch orientierten Action-Spektakel geht auf. Für die Koordination der Mann gegen Mann Kämpfe zeichnet sich Hung Kam Po verantwortlich, wobei Jimmy Wang Yu, als Co-Regisseur für die Hongkong-Aufnahmen, sicherlich auch bei den Kampfabläufen einige Worte mitredete. Und Grant Page war in Organisation und Planung für alle weiteren waghalsigen Aktionen und spektakulären Tricks verantwortlich. Das Ergebnis in dieser ineinandergreifenden Zusammenarbeit ist grandios, und DER MANN VON HONGKONG wird für das spätere Actionkino in Australien wegweisend.
Jimmy Wang Yu muss bei diesem Film trotz des frühen Todes von Kampfkunst-Schauspieler Bruce Lee, noch immer gegen dessen immense Popularität ankämpfen. Man merkt auch, dass ihm diese lockere Haltung fehlt, die Lee für das westliche Publikum so nahbar machte. Berichte von den Dreharbeiten erzählen von einem respektlosen Jimmy Wang Yu, der gerade dem australischen Team das Leben schwer machte. Das ist im Allgemeinen sehr schade, weil ohnehin die gesamten darstellerischen Leistungen nicht zu den Glanzstücken dieses Films zählen.
Kollegiales Fehlverhalten ist grundsätzliches Gift bei einer Filmproduktion, wo alle Gewerke reibungslos ineinandergreifen sollten. Zumindest auf die reichhaltigen und grandiosen Action-Sequenzen hatte dies keinen sichtbaren Einfluss. DER MANN VON HONGKONG ist als länderübergreifende Koproduktion nicht nur geglückt, sondern setzt Maßstäbe. Atemberaubendes Kino, mit starker Musik. Aber auf keinen Fall für jüngere Zuschauer.
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Darsteller: Jimmy Wang Yu, George Lazenby, Hugh Keays-Byrne, Roger Ward, Rosalind Speirs, Grant Page, Rebecca Gilling, Frank Thring, Hung Kam Po u.a.
Regie: Brian Trenchard-Smith & Jimmy Wang Yu (Hongkong-Szenen)
Drehbuch: Brian Trenchard-Smith
Kamera: Russell Boyd
Bildschnitt: Peter Cheung & Ron Williams
Musik: Noel Quilan
‚Sky High‘ von Jigsaw
Produktionsdesign: David Copping, Chien Shum, Huang Shuen-Cheung, Graham Walker
Australien – Hongkong / 1975
104 Minuten
Bildrechte: 20th Century Fox