– Le Tour Du Monde En 80 Jours
– aka Around the World in 80 Days
– Bundesstart 03.02.2022
Vielleicht sollte man Jules Vernes großartigen Abenteuer-Roman gelesen haben, um sich über die inhaltlichen Änderungen bei dieser Neuverfilmung auszulassen. Filmische Adaptionen hingegen kann man aber kaum ignorieren, die zwangsläufig zum Vergleich auffordern. Kaum 6 Wochen nach der europäischen Koproduktion als politisch korrekte und geschlechtergerechte Mini-Serie, wagt StudioCanal einen französischen Animationsfilm hinterher zu schieben. Diesem Unterfangen muss man allerdings zugestehen, dass er voll und ganz auf ein junges Publikum ausgerichtet ist. Auf ein sehr junges Publikum. Und warum auch nicht, die abenteuerliche Hetzjagd um den Globus bietet ausreichend Elemente und Momente, um auch eine kindgerechte Adaption rechtfertigen zu können. Und wer nicht schon immer von Phileas Fogg auf Frog gekommen ist, der hat sein unbelastetes Gemüt bereits hinter sich gelassen.
Das junge Seidenäffchen Passepartout träumt davon, einmal ein großer Abenteurer zu werden. Nicht nur seine Unbeholfenheit sind ihm dabei im Weg, sondern ganz besonders sein Mutter, für die das Wort Helikoptereltern erfunden wurde. Doch dann verschlägt es den lebenshungrig unbeschwerten Frosch Phileas auf Passepartouts kleine Insel, die eigentlich von dubiosen Shrimps dominiert wird. Um kein angeberisches Wort verlegen, kommt der Lebefrosch Phileas schnell in Verlegenheit mit den Shrimps eine irrsinnige Wette abzuschließen.
Mit erfrischendem Elan treibt Samuel Tourneux seinen Film an und hält das Tempo. Schlag auf Schlag geht es von einer abenteuerlichen Situation in die nächste, bunt und turbulent werden die Sinne gefordert. Ein nach den Vorgaben eingeschränkt gefülltes Kino bei der Vorpremiere bestätigt die Macher in ihren Absichten, wenn vornehmlich Kinder vor Vergnügen kichern und quietschen, und manchmal auch kreischen. Sogar mit moralisierenden Ansprüchen hält sich das Drehbuch und die Inszenierung stark zurück.
Man könnte sagen: Mission erfüllt. Da stört es auch nicht, das bis auf eine Möwe alles Getier die selbe Größe hat, oder Seidenäffchen eigentlich nur in Zentralafrika heimisch sind, aber nicht an der Küste oder auf Inseln. Es tut dem kindlichen Unterhaltungswert keinen Abbruch. Aber es verdeutlicht, dass die Macher wenig Wert auf das besondere Etwas in der Ausgestaltung ihrer eigenwilligen Adaption legten. Wo andere Animationshäuser mit ausartender Detailverliebtheit überfordern, wird diese Weltumrundung zur Billigreise.
Das Presseheft hebt das Licht- und Farbdesign hervor, welches wirklich auffällig heraussticht. Einzelne Sequenzen sind nicht einfach nur grellbunt, sondern sehr naturalistisch in ihrer artifiziellen Lichtgestaltung. Aber auch einige Szenenübergänge sind sehr ungewöhnlich und originell umgesetzt, meist unterstützt von einem ebenso außergewöhnlichen Toneffekt. Da hat der Film mit einem Schlag die ungetrübte Aufmerksamkeit des Filmfreaks. Wenigstens für einen Moment.
Außer Charakternamen und einzelne Schauplätze, bleibt sehr wenig von den 80 TAGEN UM DIE WELT. Das Drehbuch macht es sich sehr einfach, wenn man das Wort ‚faul‘ vermeiden möchte, und reiht ein Setting an das andere, ohne die Ereignisse stimmig in einen Ablauf zu bringen. Die eigentliche Schlusspointe des Romans entfällt, allerdings wäre sie für das Zielpublikum auch schwer zu erklären gewesen. Dafür haben sich die Macher etwas sehr nettes einfallen lassen, um das Verständnis von einer Welt seinen Figuren anzupassen.
Es gibt einige popkulturelle Anspielungen, wie zum Beispiel die ‚Superhelden-Landung‘, oder der selbstreferierende Dialog über die obligatorische musikalische Schlussnummer. Aber grundsätzlich haben die Macher sehr wenig dazu beigetragen, um erwachsene Begleiter ansprechender in den Film einzubinden. Betrachtet man etwas kritischer die Ausarbeitung der Texturen von Figuren, Landschaften, oder am auffälligsten von Wasser, könnte man diesen Film leicht als billigen Schnellschuss missinterpretierten.
Mit seiner Animation ist IN 80 TAGEN UM DIE WELT weit hinter dem Standard von bisher geläufigen Möglichkeiten. Letztendlich ist es aber nicht das wirkliche Problem. Selbst das Kinder über acht Jahre schnell Ermüdungserscheinungen erleiden, muss kein zwingendes Kriterium sein. Aber eine unzusammenhängende Abfolge von Versatzstücken die nur wage mit einem der größten Abenteuer-Romane in Verbindung gebracht werden können, ist schlichtweg verlorene Liebesmüh‘.
Darsteller:
Phileas: Damien Frette / Norman Matt
Passepartout: Julien Crampon / Constantin von Jascheroff
Aouda: Kaycie Chase / Elisa Bannat
Fix: Céline Ronté / Daniela Hoffmann
Mom: Véronique Augereau / Daniela Strietzel
Juan Frosch de Leon: Gabriel Le Doze / Hans Bayer
u.a.
Regie: Samuel Tourneux
Drehbuch: Gerry Swallow & David Michel mit Derek Dressler
nach Jules Vernes Abenteuer-Roman
Bildschnitt: Benjamin Massoubre
Musik: Norbert Gilbert
Charakter Design: Julien Le Rolland, Sébastien Rouxel
Lichtdesign / Farbmischung: Jérome Bacquet, Carine Gillet, Edouard Koen
Art Direction: Mathieu Vavril
Frankreich – Belgien / 2021
82 Minuten