– Bundesstart 14.12.1978
Als Film lehnt sich SGT PEPPER’S LONELY HEARTS CLUB BAND sehr lose an ein Off-Broadway Stück an, welches 1974 aufgeführt wurde. Die Verfilmung macht mit drei Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Zuerst ist es der Musikproduzent Robert Stigwood, der SGT PEPPER’S vollmundig zum VOM WINDE VERWEHT der jungen Generation machen will. Dann wird Robin Gibbs Statement veröffentlicht, dass die Beatles nie ‚Sgt Pepper‘ Live vor Publikum gespielt haben, die meisten Jugendlichen die Original-Lieder nicht kennen würden, demnach kommende Generationen die Lieder auf dem Sgt-Pepper-Album immer mit den Bee Gees in Verbindung bringen würden. Die vorerst letzte Schlagzeile beschreibt, dass zwei Wochen nach Beginn der Dreharbeiten die Gibb-Brüder aus dem Film aussteigen möchten, weil sie starke Zweifel an der Produktion haben und glauben dass der Film ihrer Karriere schaden wird.
Mit seiner Marschkappelle Lonely Hearts Club Band hat Sergeant Pepper sogar Schlachten im ersten großen Krieg gewonnen. Nicht mit Gewalt, sondern durch Freude an der Musik. Auch Prohibition und die große Depression wurden mit Sgt Peppers Musik zu einem Fest der Freude. Als ihm zu Ehren in seiner Heimat Heartland, USA die neue Wetterfahne auf dem Rathaus mit seinem Konterfei präsentiert wird, segnet der Musikant mit einem letzten Ton das Zeitliche. Diese Geschichte wird von Heartlands Bürgermeister in der Gestalt von George Burns erzählt.
Die magisch anmutenden Instrumente von Pepper und der Hearts Club Band sind im heimatlichen Museum verwahrt, und solange sie da verweilen, werden die Menschen in Heartland immer glücklich sein. Und Jahre später übernimmt Peppers Neffe Billy Shears das Erbe, und der stellt dabei mit Mark, Davis und Bob Henderson seine eigene Hearts Club Band vor. Ihre Musik klingt jetzt mehr nach Rock und Pop, aber sie macht ebenso glücklich, selbst die alten Leute von Heartland wippen begeistert im Takt.
Doch dann geht alles Schlag auf Schlag. Ein großer und sehr suspekter Plattenproduzent will die Hearts Club Band in Hollywood weltberühmt machen. Und während die Band Erfolge feiert und sich im Reichtum wälzt, wird Heartland von einem bösen Immobilienmakler heimgesucht, der alles aufkauft und die Stadt dem Verfall überlässt. Billies große Liebe Strawberry Fields verzehrt sich indes einsam zurück gelassen. Und dann stehlen auch noch Aerosmith in Gestalt der Future Villain Band die magischen Instrumente von Sgt Pepper, um die Musikherrschaft über die Welt erspielen zu können.
Das alles wird weiterhin von George Burns erzählt und kommentiert, weil scheinbar erst während der Produktion aufgefallen ist, dass alle vier Hauptdarsteller Engländer sind. Und ein typischer Amerikaner aus dem mittleren Westen kommt bei einem englischsprachigen Publikum ganz schlecht an, wenn er einen starken britischen Akzent spricht. Entsprechend wirken die Spielszenen, weil Dialoge komplett entfallen und die ohnehin darstellerisch unerfahrenen Hauptprotagonisten Peter Frampton und die Gibb-Brüder wie in einem Stummfilm von 1920 agieren müssen. Das hat sehr viel peinlichen Charakter.
Die 23 Songs aus den kreativen Köpfen der vier Beatles George Harrison, John Lennon, Paul McCartney und Ringo Starr erzählen zumindest thematisch die sehr dünne Handlung. Die Texte weichen manchmal weit von dem ab, was die Songs versinnbildlichen sollen. Das ist aber immer noch besser, als wenn Robert Stigwood auch noch verlangt hätte die Lieder umzuschreiben. ‚With A Little Help From My Friends‘, ‚Strawberry Fields‘, ‚Golden Slumber‘ oder ‚Get Back‘ sollen nur stellvertretend für die Reihe von Klassiker stehen. Oder ‚Come Together‘ und ‚ Lucy In The Sky With Diamonds‘. Da kann selbst eine reine Cover-Version riskant sein.
Die Mitglieder der legendäre Combo, die sich Anfang 1970 getrennt haben, waren an der Produktion nicht beteiligt, und haben das Projekt schon im Vorfeld mit Missachtung gestraft. Aber ihr ehemaliger Musikproduzent George Martin hat sich daran beteiligt und das Projekt vorangetrieben.
Die Bee Gees, Peter Frampton und ihre illustren Gäste wurde viel aufgebürdet, was sie allein gesehen musikalisch überhaupt nicht so schlecht adaptiert haben. Nur in Verbindung mit einer vollkommen amateurhaften Regie wird das Gesamtwerk zur Katastrophe, die natürlich auch die Musik mit ins Negative zieht. Filmtechnisch sind die Gesangseinlagen an einigen Stellen nicht Lippensynchron, oder die darstellenden Musiker reagieren in vielen Einstellungen erst gar nicht auf das abgemischte Playback.
Das Schlimmste für einen Musikfilm überhaupt: Die ununterbrochen aneinandergereihten Musikstücke sind absolut unspektakulär und lustlos inszeniert. Selbst die aufwendigsten, und/oder verrücktesten Kulissen können nicht darüber hinweg täuschen, das Regisseur Michael Schultz nicht das geringste Gespür dafür zeigt, Musik ihrem Charakter angemessen in Szene zu setzen. Gekrönt von Patricia Birchs Auftritts- und Tanzchoreographien, die den belächelten Charme von Schulaufführungen der unteren Klassen haben.
Der immense Produktionsaufwand kann da nichts mehr ausrichten. Für manchmal nur zwei kurze Einstellungen werden hier extreme Anstrengungen an Kostümen und Bauten unternommen. Bei manchen Sequenzen bekommt der Zuschauer wirklich das Gefühl, als hätte Robert Stigwood ernsthaft VOM WINDE VERWEHT hinterher jagen wollen. Dennoch fallen die verdientesten Lacher dabei den ausgestopften Schafen und Hühnern in den Farmszenen zu, die man sehr leicht erkennen kann. Freunde von Musik- und Popkultur können sich wenigsten im Finale am großen Rätselraten beteiligen, wer bei der Wiederholung von ‚Sgt Pepper‘ die meisten, extra eingeladenen Künstler erkennen kann.
SGT PEPPER’S LONELY HEARTS CLUB BAND taugt für einen Abend mit Freunden und bewusstseinserweiternden Substanzen, oder eine Vorstellung im Autokino, wo die Aufmerksamkeit ohnehin auf dem BH-Verschluss der neuen Bekanntschaft liegt. Zurück kommend auf die dritte, oben aufgeführte Schlagzeile, gibt es hier am Ende eine Art Ergänzung. Wenn die Gibb-Brüder die Rechte an ihrem Musik-Katalog zurück kaufen, gehört das Soundtrack-Album ‚Sgt Peppers Lonely Hearts Club Band‘ nicht dazu. Aus welchen Gründen auch immer, verzichten sie darauf.
Heute ist SGT PEPPER auf YouTube in diversen Fassungen frei zugänglich zu finden
Darsteller: Peter Frampton, Barry Gibb, Maurice Gibb, Robin Gibb, Donald Pleasence, Steve Martin, Frankie Howerd, Sandy Farina, Dianne Steinberg u.a.
als Gäste Aerosmith, Alice Cooper, Earth Wind & Fire, Billy Preston, Stargard und George Burns
Regie: Michael Schultz
Drehbuch: Henry Edwards
Kamera: Owen Roizman
Bildschnitt: Christopher Holmes
Musik: John Lennon, Paul McCartney
Produktionsdesign: Brian Eatwell
USA / 1978
113 Minuten