RONs GONE WRONG
– Bundesstart 28.10.2021
Am Ende dieses Films möchte jedes Kind einen B-bot haben. Dieses sich selbständig bewegende, sprechende und sozial verbindende Smart-Gerät mit Kumpel-Funktion, dass exakt auf die persönlichen Vorlieben und Charakterzüge abgestimmt wird. Dieser Film fördert die Begehrlichkeiten für ein Erfindung, welche von der Handlung eigentlich in Frage gestellt werden möchte. Der B-bot ist die neueste Marke des Tech-Konzerns Bubble. Und Firmenboss Marc Weidell präsentiert diesen sozialen Rattenfänger, wie es seit dem Mann mit den Rollkragenpullovern und seiner Präsentation von fragwürdigen Technikwundern zu Standard geworden ist. Auf der Bühne eines riesigen Auditoriums, vor großer Leinwand, unter tosendem Applaus geblendeter Jünger. Nur Barney Pudowski muss im sozialen Gefüge zurückstecken, weil sein verwitweter Vater die Notwendigkeit eines B-bot nicht erkennt. Der ohnehin scheue Jugendliche wird dadurch noch mehr zum Außenseiter.
Der erste Film der bereits 2014 gegründeten Locksmith Animation Studios zeigt sich in ihrer künstlerischen Umsetzung wenig innovativ, sondern setzt ganz auf den gesetzten Standard der großen amerikanischen Mitbewerber. Die anatomischen Verhältnisse der Figuren und die Maßstäbe von Landschaft, Gebäuden und Gegenständen sind einer realistischen Abbildung abgerückt. Die Bilder strotzen vor überstrahlenden Farben, und das Schnitttempo ist ganz auf Dynamik ausgelegt, kaum auf inhaltliche Dramaturgie. Optisch könnte man RON LÄUFT SCHIEF bei allen anderen Animationsstudios einordnen. Das schafft sofort Bindung beim hauptsächlich jungem Publikum.
Drei Regisseure, zwei Drehbuchautoren, zwei Bildgestalter, drei Cutter. Das birgt sofort den bitteren Beigeschmack einem reinen Profilierungsprojekt, wo sich bei gleich gearteten Produktionen anderer Studios meistens regelrechte Herzensprojekte aus einem persönlichen Kreativfundus auftun. Selbst wenn diese anderen Projekte ebenfalls in Teams realisiert werden, und qualitative Schwankungen enorm sind, präsentiert sich RON enorm auffällig als durch und durch konzipierter Erfolgsversuch. Bewahre, wer denkt, dass wäre anderorts wirklich anders. Doch RON läuft schief, weil er auf allen Ebenen den besonderen Funke an Originalität vermissen lässt.
Das Barney doch noch seine B-bot bekommen wird, dürfte genauso wenig überraschen, wie die Besonderheit seines persönlichen Exemplars. Das der zurückgezogene Junge sozialen Anschluss finden wird, ist ebenso klar wie die Botschaft von hingebungsvoller Freundschaft. Das ist alles hinlänglich geläufig, dennoch lässt man es sich immer wieder gefallen, wenn dies ansprechend und inspiriert umgesetzt ist. In diesem Fall entsteht ein entscheidender Bruch, wie RON auf diese altbekannte Reise von Sinnfindung und moralischer Verantwortung geschickt wird. Und dies ist seine fragwürdige Auseinandersetzung mit sozial assoziiertem Medienwahn.
Natürlich ist es schick die manische Abhängigkeit von Technik gesteuertem Sozialverhalten unserer Gesellschaft in Frage zu stellen. Aber das ist weder im Buch noch in der Inszenierung klar definiert. Und einen Geschäftsführer wie Marc Weidell als Verschnitt einer realen Persönlichkeit richtig blöd aussehen zu lassen, ist wahrlich nicht genug, um Kritik in irgend einer Form zu üben. Es wirkt billig, weil nicht gut durchdacht. Währenddessen jagt die Handlung bei vollem Ausschlag über die Leinwand, und der defekte B-bot Ron bereitet dem genervten bis peinlich berührten Barney immer wieder Schwierigkeiten. Das Social-Media-Wunderwerk stellt sich eben nicht als das digitale Ebenbild seines Users ein, sondern entwickelt durch einen Platinenfehler ein Eigenleben.
Das hat sehr viel Tempo, mit einem Humorlevel, das sich hauptsächlich auf den selbstständigen B-bot beschränkt. Die ganzen bekannten Handlungselemente lassen kaum Leerlauf, weil deren Vorhersehbarkeit zum Spiel des Vorhersagens einladen. Doch dazwischen pendelt der Film unbeholfen zwischen Ablehnung und Befürwortung eines gesellschaftspolitischen Zustandes welchen er eigentlich zum Thema hat. So als ob sich der Film gegen etwas aussprechen wollte, was aber gerade sein junges bis jugendliches Publikum absurd finden würde.
RON hat keinen Mut, eindeutig Stellung zu beziehen, und generiert keinen Anspruch der über die abgedroschenen Phrasen von Courage und Freundschaft hinausgeht. Dabei soll er sich doch nicht einmal für ein Gut oder Schlecht aussprechen. Es wäre viel interessanter, innovativer und anspruchsvoller gewesen, hätten die Macher vorbildliche Ansätze gefunden, einen ausgewogenen, kritischen und viel bewussteren Umgang mit all den sozialen und medialen Gruppenzwängen zu demonstrieren. Möglichkeiten aufzuzeigen, wie schön es ist, dass man kann, aber deswegen noch lange nicht muss. Wenn sich solche Anflüge bei RON LÄUFT SCHIEF ergeben, werden sie im weiteren Verlauf schnell wieder aufgeweicht.
In den letzten Jahren hat es einige Beispiele im Familienfilm gegeben, die sich mit der Faszination über vernetzte Welten und dem Hindernissen durch Technikversessenheit auseinandergesetzt haben. Manche sehr originell und kritisch, siehe BAYMAX, andere sehr mehr überzogen und verspielt, wie DIE MITCHELLS. Einige verbanden ihre moralischen Aspekte ganz hervorragend mit einem mahnenden, aber nicht belehrenden Appell. Dann gibt es jene, die auf intellektuelle Ansprüche gerne verzichten, aber mit sehr inspirierten und überraschenden Charakterzeichnungen überzeugen. So temporeich und kurzweilig RON LÄUFT SCHIEF für sein junges Publikum sein mag, ist er kaum originell, wenig überraschend, und nicht wirklich anspruchsvoll.
Sprecher: Jack Dylan Grazer, Zack Galifianakis, Ed Helms, Olivia Colman, Rob Delaney, Justin Smith, Kylie Cantrall u.a.
Regie: Sara Smith, Jean-Philippe Vine, Octavio E. Rodriguez
Drehbuch: Peter Baynham, Sarah Smith
Kamera: David Peers, Hailey White
Bildschnitt: David Burrows, James Cooper, Sim Evan-Jones
Musik: Henry Jackman
Produktionsdesign: Nathan Kaplan
Großbritannien – Kanada – USA / 2021
106 Minuten