THE ICE ROAD

Ice Road - Copyright WILD BUNCH– Bundesstart 14.10. 2021

Filme müssen nicht zwangsläufig einen tieferen Sinn ergeben. Filme einfach einmal so aus Spaß, nur so aus Freude am Spektakel, das gehört zum großen Plan der cineastischen Unterhaltung. Und dann gibt es Filme wie THE ICE ROAD, die unter Vollgas nicht merken, wann der Motor überhitzt. Wurden die Farben der Trucks und die ideologischen Einstellungen der jeweiligen Fahrer tatsächlich den Transformern Optimus Prime und Nemesis Prime nach empfunden, wäre das der cleverste Einfall in Jonathan Hensleighs Film. Doch leider ist man gewillt, Hensleigh selbst diese Kleinigkeit abzusprechen, der doch so gerne einen aufregenden Actionfilm gemacht hätte. Dabei haben drei Trucks auf Rettungsmission über ungesicherte Eisstraßen starkes Potential. Noch dazu wenn Liam Neeson am Steuer sitzt.

Bei einer Gasexplosion in einer Diamantenmine im nördlichen Manitoba, werden 26 Grubenarbeiter verschüttet. Ihre einzige Überlebenschance wäre ein neuer Brunnenkopf am Bohrloch, der aber erst über hunderte von Kilometern angeliefert werden müsste, und die Zeit drängt. Zeitlich zu schaffen wäre das nur über die vereisten Seen, den sogenannten Ice Roads, die allerdings noch nicht stark genug zugefroren sind, um gefahrlos befahren zu werden. Dazu braucht es also wirkliche Teufelskerle, und natürlich eine Frau.

Das Schlechteste an THE ICE ROAD sind bei weitem nicht die Special Effects, wie eingeblendete Explosionen und stark auffallende Miniatur-Modelle der Trucks. Es ist das Unvermögen trotz gegebener Möglichkeiten, einen konzentrierten Fokus auf den eigentlichen Kern der Geschichte zu legen. Immer weiter und weiter füllt Hensleigh die Handlung mit den naivsten Widrigkeiten im Spannungskino. Auf Gedeih und Verderb muss sich jedes Handlungselement anders auflösen, als es zu sein scheint. Doch dieses Konstrukt macht alles schnell vorhersehbar, und verdreht damit angedachte Überraschungselemente in ermüdende Abfolgen hinlänglich bekannter Muster.

Die Ambitionen sind spürbar, immerzu ersichtlich. Doch der Regisseur verlässt sich nicht auf seinen Hauptdarsteller. Noch dazu, wo Liam Neeson ohnehin der einzige ist, der in dem Haufen von stereotypen Charakterzeichnungen wenigstens seiner Figur eine Spur von Würde abgewinnen kann. Und Action- wie Spannungsmomente sind stets bis auf die letzte Sekunde austariert. Hensleigh spielt nicht mit der Angst vor einer Bedrohung, sondern setzt die mögliche Gefahren stets in tatsächliche Ereignisse um, und reizt diese immer in vollem Umfang aus.

THE ICE ROAD - Copyright WILD BUNCH

Eine aufbrechende Eisdecke, welche die Trucks verschlingen würde, stoppt nur einen Meter vor den Protagonisten. Und wenn ein Limit gesetzt wird, wie lange die verschütteten Bergleute noch Sauerstoff haben, braucht kein Zuschauer nachdenken, zu welchem Zeitpunkt der rettende Truck an der Mine eintrifft. So hangelt sich der Film von einem ausrangierten Spannungsklischee zum nächsten. Mit bester Absicht hat Jonathan Hensleigh seine offensichtlichen Anleihen an die Trivialität des Achtzigerjahre-Action-Kino voll ausgeschöpft. Allerdings lässt er das Gespür für einen angemessenen Rhythmus und einen atmosphärischen Übertrag auf das aktuelle Kino vermissen.

Die Ausgangssituation ist vielversprechend, und wäre mit der gefahrvollen Reise der Trucks auch ausreichend gewesen. Clouzots LOHN DER ANGST und dessen kongeniale Neuverfilmung ATEMLOS VOR ANGST von William Friedkin haben in diesem Bereich des Thriller Kinos neue Maßstäbe gesetzt. Sie haben keinen Überbau von verzwickten und verzweigten Handlungselementen benötigt. Es hätte auch THE ICE ROAD sehr viel mehr gebracht, sich ebenso auf die Essenz der eigentlichen Aufgabe zu fixieren. Mit aller Gewalt eine Handlung auszuschmücken, die sich ohnehin schnell selbst entlarvt, war noch nie eine gute Idee. Das kommt davon, wenn ein Filmemacher seinem eigenen Material nicht vertraut.

Der Film entlässt uns mit einer gut vorbereiteten und originell gemeinten Szene. Die wird allerdings vor allem Tierliebhaber sauer aufstoßen, und selbst den weniger sensiblen Zuschauer etwas ratlos lassen. So bleibt von THE ICE ROAD zuerst einmal eine verunglückte Schlusseinstellung im Gedächtnis, und das bei einem ohnehin schon sehr uninspirierten Film.

THE ICE ROAD - Copyright WILD BUNCH

 

Darsteller: Liam Neeson, Marcus Thomas, Laurence Fishburne, Amber Midthunder, Benjamin Walker, Holt McCallany, Cody Sensmeier u.a.
Regie & Drehbuch: Jonathan Hensleigh
Kamera: Tom Stern
Bildschnitt: Douglas Crise
Musik: Max Aruj
Produktionsdesign: Arvinder Greywal
Kanada – USA / 2021
109 Minuten

Bildrechte: WILD BUNCH Entertainment

 

 

 

 

 

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