HITMAN’S WIFE BODYGUARD
– Bundesstart 26.08.2021
Zwischen zwei DEADPOOL Filmen gab es sehr viele Kurzfilme mit und um Wade Wilson und seinem Alter Ego Deadpool. Ryan Reynolds war heiß, das Publikum war heißer, Deadpool brannte. Nicht nur im Film. Und zwischen sehr vielen Kurzfilmen mit und um Wade Wilson und seinem Alter Ego Deadpool, gab es KILLERS BODYGUARD. Eine überdrehte Action-Extravaganz die sich genau auf dem Niveau bewegen wollte, wie Tim Miller das abgefahrene Drehbuch von DEADPOOL inszeniert hatte. Und David Leitch stand dem mit DEADPOOL 2 in nichts nach. Spätestens da hätte Regisseur Patrick Hughes bemerken müssen, dass ihm noch einige Stunden in Film- und Theaterwissenschaft abhanden gekommen sind. Denn was ihm gefehlt hat, war das Gespür sein Publikum liebevoll zu umarmen, um mit unverfrorener Kaltschnäuzigkeit mit seinem Anti-Helden die Pforten des Schweinestalls zu öffnen. Aber Patrick Hughes hat geschwänzt, aber seine Hausaufgaben diesmal nicht von Tom O’Connor schreiben lassen, sondern von den Brüdern Brandon und Philip Murphy.
Seit seinen erschütternden Erlebnissen mit dem weltbesten Auftragskiller Darius Kincaid, ist der ehemals weltbeste Personenschützer Michael Bryce in Therapie. Nach Monaten vergeblicher Couchbesuche, kommt Michael die Idee vom Personenschützen ein Sabbatjahr nehmen. Alles was ihm seine Psychotherapeutin zugesteht ist ein Schweizer Taschenmesser, sonst nichts was als Waffe benutzt werden könnte. Für die wenigsten wird es eine Überraschung sein, das genau dieses Plot-Element… Wer an dieser Stelle Spoiler schreit, der sei gewarnt. Dies ist genau dieser Film, der solche Handlungsteile benutzt und ausspielt. Später im Film wird ein neuer Charakter eingeführt, der mysteriös im Dunkeln gehalten wird, bis die Spannung die Adern platzen lässt. Wenn man nicht schon längst aus allen möglichen Quellen ungewollt erfahren hätte, wer dieser Überraschungsgast sein soll.
Sam Jacksons Kincaid und Reynolds Bryce haben also ihren Spaß am Prügeln, Schießen, und Sprengen abgearbeitet. Ganz im Sinne des Irrglaubens, alles müsste in einer Fortsetzung erhöht werden, trifft KILLERs BODYGUARD 2 genau ins Herz. ‚Höher, schneller, stärker‘ ist das Motto von olympischen Spielen, bei Filmen ist es mittlerweile überholt und ermüdend. In den wenigstens Beispielen fordert es die Filmemacher und Autoren, sondern sie hangeln sich an Versatzstücken entlang, für die man den Erfolg des Vorgängers verantwortlich macht. Eine gute Idee schien an dieser Stelle die an Flüchen und Schimpfwörtern nicht zu überbietende Salma Hayek als Sonia Kincaid. Mit kurzen Intermezzos aufgefallen, übernimmt sie im zweiten Teil die Hauptrolle, und zwingt den abstinenten Bryce, mit ihr zusammen den abgöttisch geliebten Ehemann Darius aus einer misslichen Lage zu befreien.
In der Regel sind Action-Filme, die über die Stränge schlagen und mörderischen Spaß daran haben die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen, eine wohltuende Abwechslung zwischen Psychothrillern und High Concept Science Fiction. Ryan Reynolds ist ein Typ, der dies herrlich schräg verkörpern kann. Mit jugendlichem Charme und ungehemmter Geradlinigkeit hat er grafische Brutalität zu einer merkwürdig faszinierenden Kunstform erhoben. Man denke nicht nur an Wade Wilson, sondern auch an Marjane Satrapis THE VOICES. Konnte man beim erste KILLERs BODYGUARD noch ein Auge zudrücken, obwohl der schon gewaltige Probleme mit Humor und handlungsinterner Logik hatte, wird es nun um einiges schwieriger. Hey, höher, schneller, stärker.
Nicht nur das der dürftige Handlungsverlauf überhaupt keinen Sinn macht, außer um von einem Set piece zum anderen zu kommen. Und das besteht hauptsächlich darin, dass Hayek ununterbrochen flucht und nicht oft genug Motherf***er sagen kann, Jackson seinen vermeintliche Kumpel Bryce ununterbrochen nieder macht, und Bryce immer wieder betont, dass sie alle beste Freunde wären. Die Actionsequenzen sind wirklich gut orchestriert und choreografiert, mit diesen allein hätte es ein unterhaltsamer Film werden können. Aber ein durch geknallter Grieche der Rache an der EU wegen Sanktionen gegen Griechenland nehmen will, und auch noch von einem Spanier gespielt wird, ist selbst für James Bond mäßige Allmachtsfantasien zu pubertär und unoriginell ausgefallen. Nicht einmal als Persiflage funktioniert das, was man anderorts eigentlich Plot nennt.
Was aber KILLERs BODYGUARD 2 wirklich zum No-Go macht, ist seine menschenverachtende Ignoranz gegenüber Menschenleben. Nicht der fragwürdige Umgang mit Michael Bryce, der von Kincaid und seiner Frau ständig auf das Schlimmste gedemütigt wird, und er beide trotzdem als seine Freunde bezeichnet. Auch nicht, dass dieses obszöne, abstoßend ordinäre Paar ihren absurden Kinderwunsch erfüllt bekommt. Es ist hier, wie bereits beim Vorgänger, dass unschuldige Menschen ohne Rücksicht, ohne Scheu, und ohne weitere Beachtung ihr Leben lassen müssen.
In anderen Action-Filmen wird so etwas als dramatischer Effekt genutzt, mit Empathie und emotionaler Bestürzung, und um eine psychologische Rechtfertigung zu finden. Regisseur Patrick Hughes lässt unbeteiligte Passanten oder Strandurlauber im Kugelhagel, oder bei Explosionen sterben, einfach weil sie da sind, und es hat keine handlungsspezifischen oder dramaturgischen Konsequenzen. Vielleicht will sich Hughes mit Begrifflichkeiten wie Satire, Farce oder politischer Kommentar rechtfertigen. Dann hätte er sowas in dieser Art inszenieren müssen, in diesem Film ist davon nichts zu finden.
Darsteller: Ryan Reynolds, Salma Hayek, Samuel L. Jackson, Antonio Banderas, Gary Oldman, Frank Grillo, Morgan Freeman u.a.
Regie: Patrick Hughes
Drehbuch: Tom O’Connor, Philip Murphy, Brandon Murphy
Kamera: Terry Stacey
Bildschnitt: Michael J. Duthie, Hack Hutchings
Musik: Atli Örvarsson
Produktionsdesign: Russell De Rozario
Großbritannien – USA / 2021
100 Minuten