LAND
– Bundesstart 05.08.2021
Die Besprechung basiert auf der Streaming-Fassung von Amazon Prime US
Am besten ist ABSEITS VOM LEBEN immer dann, wenn er ohne Dialog auskommt. Erst am Ende, wenn sich die Geschichte auflöst gibt es erklärende Worte. Aber bis dahin hat es Robin Wrights eindringliche Inszenierung schon lange geschafft, das Schicksal seiner Protagonisten zu erfassen. Nicht in seiner Gänze, doch das ist bis zum Ende der Geschichte auch irrelevant geworden. Denn man wird feststellen, dass wir ohnehin machtlos gewesen wären, und das auch wir als Zuschauer keine Worte gefunden hätten, die ihren sichtbaren Schmerz zu lindern. Edee bricht jeden Kontakt zu anderen Menschen ab, und richtet sich in einer weit abgelegen Holzhütte ein. Dabei scheint der Film einen eher trägen Start zu haben, allerdings ist dies bereits Teil des Weges den Edee gehen möchte. Aber die konzentrierte Inszenierung gewinnt zunehmend an emotionaler Dynamik, weil der Zuschauer auf Augenhöhe mit Edee diesen Weg ausloten wird.
Die Geschichte ist weit weniger niederschmetternd oder frustrierend, wie man meinen möchte. Oder wie sie vielleicht sogar hätte umgesetzt werden können. Denn bei diesen am Ende doch sehr kurzweiligen 90 Minuten, hätte tatsächlich alles passieren können. Man bekommt Edees Schmerz förmlich zu spüren. Ein Kind und ein Mann treten immer wieder in verfremdeten Bildfragmenten auf, die uns etwas erahnen lassen. Aber gerade weil Robin Wright mit Edees Hintergrund nie konkret wird, macht es den Film unheimlich intensiv. Sie muss nicht mit Erklärungen eines überbordenden Schicksals um Verständnis heischen, weil sie die immense Erschütterung auch so greifbar machen kann.
Die Kamera- und Schnitt-Kombination von Bobby Bukowski und Anne McGabe mit Mikkel Nielsen sind für Robin Wrights Regiedebut kein künstlerisches Beiwerk. Es sind essenzielle und gleichbedeutende Teile der einnehmenden Atmosphäre, ohne die der Film nicht so eindringlich funktionieren würde. Die Kameraperspektiven der imposanten Landschaftsaufnahmen wiederholen sich immer wieder, weil sie auch den Blick von Edees Position spiegeln. Mal sind die bergigen Wälder malerisch einladend, und je nach Wetterlage wieder bedrohlich abweisend. Der Fluss kann besinnliche Ruhe vermitteln, oder zur gefährlichen Falle werden.
McGabe und Mikkelsen erzeugen einen sehr einfühlsamen Rhythmus in der Komposition der jeweiligen Sequenzen. Selbstredend scheitert Edee an den Bemühungen autark in der Wildnis zu bestehen. Die Cutter zeigen ein starkes Gespür wie lange Bilder stehen müssen, und wie viel der Zuschauer von Edees anschwellender Ohnmacht zur emotionalen Orientierung braucht, um bei einigen brenzligen Situationen nicht überstrapaziert zu werden. Aber auch wenn die Selbstaufgabe Edee mit dem Jäger Miguel zusammenbringt, erzeugen die szenischen Umsetzungen keine künstliche Verbundenheit, und suggerieren auch keine romantische Bindung.
Später wird Miguel zu ihr sagen, dass es angenehmere Arten gibt zu sterben, als in einer einsamen Berghütte zu verhungern. Da wissen diese zwei Menschen im Grunde genauso wenig von einander, wie der Zuschauer über die tieferen Beweggründe seiner Figuren weiß. Aber es gibt ein tiefergehendes Verständnis zwischen ihnen, was man bei Robin Wright und Damían Bichir auch merkt, fast schon spürt. Ihre gemeinsamen Szenen sind am besten, wenn in Andeutungen kommunizieren, und besonders wenn sie im emotionalen Einklang wunderbar nebenher schweigen dürfen. Wright und Bichir sind eine Paarung, die man unbedingt, und das schnellstmöglich, erneut zusammen auf der Leinwand sehen möchte.
Mit ABSEITS DES LEBENS – LAND ist Robin Wright ein beeindruckendes Regiedebut gelungen, dass durch sehr sensible Charakterzeichnung und seine konsequente Inszenierung besticht. Wrights Ex-Gatte Sean Penn hat mit INTO THE WILD ebenfalls einen Film über einen Aussteiger gemacht, der vielleicht etwas komplexer ist. Aber LAND ist erheblich nahbarer, und wirkt in seiner angenehm zurückhaltenden Art auch ehrlicher.
Darsteller: Robin Wright, Damían Bichir, Sarah Dawn Pledge, Kim Dickens, Brad Leland, Warren Christie, Finlay Wojtak-Hissong u.a.
Regie: Robin Wright
Drehbuch: Jesse Chatham & Erin Dignam
Kamera: Bobby Bukowski
Bildschnitt: Anne McGabe, Mikkel E.G. Nielsen
Musik: Ben Sollee & Time for Three
Produktionsdesign: Trevor Smith
Kanada – USA / 2021
89 Minuten