a.k.a. PERCY vs GOLIATH
– Bundesstart 01.07.2021
Wer schon einmal in der Landwirtschaft tätig war, oder jemanden aus dieser Profession kennt, der weiß wie zäh und abgebrüht ein Farmer sein muss. Meist sind sie eigenwillig und unermüdlich, müssen es auch sein. Möchte jemand einen Menschen wie Percy Schmeiser darstellen, muss dieser ausdrücken können, was man als Außenstehender normalerweise nicht sehen kann. Es ist die innere Festigkeit, eine Stärke die fokussiert ist. Christopher Walken könnte viel artikulieren, er könnte viel gestikulieren, er könnte sehr viel tun, um das aufgewühlte Innenleben seiner Figur zu transportieren. Christopher Walken kann so etwas, ohne Buch, ohne Sparingspartner, ohne Textprobe. Aber dann wäre er nicht Percy Schmeiser. Aber Christopher Walken ist auch genau der Typ, der Percy kann. Eine glaubhafte, ehrliche Figur, die Clark Johnsons Adaption über Schmeisers Kampf gegen Monsanto wirklich ein besonderes Format gibt.
Unvermittelt bekommt der Farmer Percy Schmeiser aus Bruno, Saskatchewan in Kanada, eine anwaltliche Verfügung, den gesamten finanziellen Ertrag seiner letzten Rapsernte an das Agrarunternehmen Monsanto abzugeben. Witterungsbedingt und unbeabsichtigt hatte sich genmanipuliertes Saatgut dieser Firma auf Percys Feld niedergelassen. Damit hat er, wenn auch unwissentlich, gegen das Patentrecht verstoßen, was die Ernte nach gesetzlichen Maßstäben zum Besitz von Monsanto macht.
Es klingt wie absurder Anwaltshumor, aber wer etwas intensiver Nachrichten verfolgt hat, wird um den wahren Fall von Percy Schmeiser gegen Monsanto nicht herum gekommen sein. Doch was absurd anfängt, entwickelt sich noch wesentlich grotesker. Natürlich fehlt Percy jedes Verständnis für diese Forderungen, und er strengt eine Gegenklage an, die gar nicht überraschend zu seinen Ungunsten ausfällt. Nun erhebt Monsanto auch noch Anspruch auf alles über Jahrzehnte von Percy selbst gezüchtetes, nicht kontaminiertes Saatgut und Teile seiner Farm.
Die gesetzlichen Ausführungen und Winkelzüge, welche sich in den 10 Jahren des Rechtsstreites auftaten, wären viel zu komplex und kaum verständlich für ein 100 Minuten-Drama. So konzentriert sich Regisseur Clark Johnson, nach dem Buch von Garfield Lindsay Miller und Hilary Pryor, auf die rein menschliche Perspektive. Das ist bei Filmen dieser Art, wie zuletzt VEGIFTETE WAHRHEIT oder dem Instant-Klassiker ERIN BROCKOVICH, ein ganz selbstverständliches Stilmittel. So eine Geschichte funktioniert als filmische Umsetzung nur über ihre Identifikationsfiguren.
Bei PERCY geht Clark Johnson noch einen Schritt weiter zurück, und beschränkt sich bei den gesetzlichen und gerichtlichen Ausführungen auf notwendigste Eckdaten. So konzentriert die Geschichte dann auf seine Figuren gerichtet ist, umso stärker gerät der Film auch auf das schon vielfach behandelte Terrain der allseits bekannten David-gegen-Goliath-Formel. Erster Sieg, starker Rückschlag, Hoffnungslosigkeit, das allerletzte Aufbäumen… PERCY ist geradezu eine Blaupause für diese Art von Film.
Das Johnsons Film dennoch wichtig und sehenswert ist, liegt natürlich an der Thematik. Der Fall Monsanto ist geradezu exemplarisch, wie unternehmerische Konglomerate nicht nur Menschen unterdrücken, sondern auch noch rechtsstaatliche Systeme beherrschen. Es ist aber auch beeindruckend, wie Johnson hier das Leben und die Mentalität der Provinz zeigt. Auch wenn Monsantos Agenten versuchen Percy in der Gemeinde als Dieb zu diskreditieren, bleiben die Farmer untereinander neutral, was bei anderen Filmen gerne für emotionale Spitzen ausgenutzt wird.
Besonders in den ersten Sequenzen beeindruckt Luc Montpellier mit sehr stimmungsvollen Bildern. Mit sehr präzisen Einstellungen kann er ohne jeden Kommentar erklären, worauf sich die Geschichte stützen wird, und wie Percy Schmeiser zu diesen Vorwürfen kommt. Und was einen wesentlichen Charakter der Landwirtschaft ausmacht, nämlich die Unberechenbarkeit der Natur, die keine von Mensch geschaffenen Gesetze kennt. Selbstverständlich sind die einführenden Szenen darauf ausgelegt, dem Zuschauer eine gewisse Natürlichkeit und Schönheit auch in der Agrarkultur vor Augen zu halten. Das ist manipulativ, aber sehr gekonnt.
Roberta Maxwell gibt mit Walken ein Paar, dessen gemeinsame Vergangenheit spürbar wird. Kein bisschen dramaturgisch aufgepeppt, sondern ehrlich und geerdet nehmen sie den Zuschauer mit. Was man von Christina Ricci als Rebecca leider nicht sagen kann, die als Aktivist nur mit Standardphrasen und überzogenen Attitüden ausgestatten wurde, dabei uninteressant wird und unglaubwürdig wirkt. Dafür überzeugt Zach Braff als Provinzanwalt, der eben nicht mit allen Wassern gewaschen ist, und auch kein überraschendes Ass aus dem Ärmel ziehen kann. Seine offene Hoffnungslosigkeit unterstreicht noch einmal sehr eindringlich die tatsächlichen Chancen in diesem Kampf.
So bleibt nach 90 Minuten wenngleich formelhafter, dennoch guter, sehenswerter und irgendwie auch spannender Unterhaltung, eine grundlegende Gewissheit. Veränderungen sind möglich. Und irgendwo in diesem Moment, findet einer dieser aussichtslos scheinenden Auseinandersetzungen statt. Das ist das offensichtliche Anliegen von PERCY. Was wir daraus mitnehmen, muss jeder für sich entscheiden.
Darsteller: Christopher Walken, Roberta Maxwell, Zach Braff, Christina Ricci, Adam Beach, Pathy Aiyar, Luke Kirby, Martin Donavan u.a.
Regie: Clark Johnson
Drehbuch: Garfield Lindsay Miller & Hilary Pryor
Kamera: Luc Montepellier
Bildschnitt: Geoff Ashenhurst, Maureen Grant, Susan Maggi
Musik: Steven MacKinnon
Art Direction: Scott Layton
Kanada / 2020
99 Minuten