Beitrag FANTASY FILMFEST – 17.06. bis 27.06.2021
ERÖFFNUNGSFILM
CONJURING:
THE DEVIL MADE ME DO IT
– Bundesstart 01.07.2021
Am 16. Februar 1981 attackierte und verletzte Arne Cheyenne Johnson seinen Vermieter Alan Bono mit mehreren Messerstichen. Bono verstarb wenig später im Krankenhaus, und Johnson wurde wegen vorsätzlicher Tötungsabsicht vor Gericht gestellt. Es war der erste Mord in der Geschichte von Brookfield, Connecticut, und der erste Prozess in den Vereinigten Staaten, wo die Verteidigung auf Freispruch wegen dämonischer Besessenheit plädierte. Das Ereignis bleibt als „Demon Murder Trial“ bekannt, so ähnlich bekannt wie der Fall des „Enfield Poltergeist“ in London 1978, oder eine vom Bösen befallene Puppe. Und immer mitten drin, die Dämonologen und Erforscher des Paranormalen Lorraine und Ed Warren. Ebenfalls reale Personen, nur eine Spur echter als die ein oder andere Geschichte, welche sie als Wahrheit verkauften.
Der massentaugliche Horrorfilm zeichnet sich heutzutage damit aus, dass er mit einem einfachen Stilmittel sehr viel Wirkung erzielen versucht. In einer Szene baut sich Spannung auf, in dem sich die Tonebene ganz weit absenkt, und es sehr leise wird. Der Moment entlädt sich dann mit einem harten Schnitt auf das Unheil und einem extrem lauten Toneffekt. In CONJURING 3 wird es sehr oft sehr leise.
1981 leiten die Warrens eine Exorzismus bei dem achtjährigen, von einem Dämon besessenen David Glatzel. Der Exorzismus gelingt, doch Ed Warren glaubt zu bemerken, dass die Ausgeburt der Hölle auf Arne überspringt, der Freund von Davids älterer Schwester. Es vergeht einige Zeit, in der zuerst jeder zufrieden seiner Wege geht. Erst als Arne von seinem Vermieter Alan heftig provoziert wird, bricht der Dämon hervor. Im Rausch tötet Arne den stark angetrunkenen und bekifften Alan Bono. Später wird Arnes Anwalt versuchen, die Verteidigung auf dämonischer Besessenheit zu begründen. Das Gericht lehnt diese Strategie zuerst ab, würde dem Antrag allerdings stattgeben, wenn Lorraine und Ed Warren genügend Beweise sammeln könnten, um die Verteidigung in dieser Form zu rechtfertigen.
Man kann sagen was man will, aber im kreativ-technischen Sektor ist auch CONJURING 3 wieder ganz oben auf. Kameraführung und das Lichtkonzept funktionieren tadellos, um die richtigen Stimmungen zu erzeugen und die allgemeine Atmosphäre hoch und angespannt zu halten. Wobei der höchste Reiz bei diesem Film, wie bei seinen zwei Vorgängern auch, von den Darstellern ausgeht. Vera Farmiga und Patrick Wilson haben sich die Dämonologen schon so einverleibt, dass sie sogar die schlimmsten paranormale Albernheiten mit Würde und glaubhafter Natürlichkeit vermitteln können.
Auf der Suche nach dem Ursprung des Dämons und dessen Manifestationen haben sich die Macher noch ein schauerliches Zuckerstückchen einfallen lassen. Sie lassen Ed Warren einen Herzinfarkt erleiden, binden ihn deswegen den Film durch an einen Rollstuhl, oder an Gehhilfen, und lassen ihn geschwächt und außer Atem, nicht immer im richtigen Moment an der richtigen Stelle sein. Für Freunde dieser Reihe, oder des gesamten sogenannten ‚Conjuring-Universe‘, hebt das die eigentliche Handlung des ursprünglichen Falles noch einmal auf eine erweiterte, sehr persönliche Ebene.
Munter schmeißt Regisseur Michael Chaves immer wieder Querverweise in den Ablauf. So versucht Patrick Wilson als Ed eine Skeptikerin zu überzeugen und meint, „wenn sie zweifeln, kommen sie doch einmal zu uns nachhause und werfen sie einen Blick auf Annabelle.“ Das erfreut den kundigen Kinogänger und macht tatsächlich auch immer wieder Spaß, eben im Rahmen eines unerbittlichen Feuerwerks an sich ständig wiederholenden Standardsituationen.
Den Machern, und da steht außer Frage Urvater James Wan mit eiserner Härte dahinter, entgeht allerdings die beste aller Möglichkeiten, diesem künstlich erzeugten und unglaubwürdig gewachsenen Universum eine einzigartige Wendung zu ermöglichen. Mit etwas Ehrgeiz und gutem Willen, hätte man tatsächlich aus der Geschichte einen handfesten Gerichtsthriller machen können. Das wäre innovativ und originell gewesen. Die wahre Begebenheit hätte es doch möglich gemacht, der Stoff wäre nicht nur ‚basierend‘ auf wahren Begebenheiten.
Aber wahrscheinlich schrie jemand ‚Einspruch, Euer Ehren‘, und man stolperte wieder in die alten ausgetretenen Wege. Allerlei Hokuspokus mit sehr viel absehbaren Schreckensmomenten. Das macht solange gute Laune, wie man nicht darüber nachdenkt und bis auf ein gewisses Level wenig Ansprüche stellt. Die guten Absichten sind ja erkennbar, aber fruchten nicht. Die Idee des gesamtheitlichen Universums zerfällt ja auch immer wieder mit jedem Film, die zwar zueinander verweisen, aber nicht aufeinander aufbauen.
Im Mainstream hat sich aufgrund des Erfolges der Reihe von ANNABELLE zu THE NUN und eben CONJURING, ein einziges Element als Horror gefestigt, und das ist der Jump-Scare. Mittlerweile sind alle gängigen Gruselfilme nur darauf ausgelegt, einfach oft genug die Tonspur ganz, ganz weit herunter zu drehen, um die Szene dann mit kathartischen Geschrei zu entladen.
Das hat längst nichts mehr originelles, weil es ja nicht einmal Filme gibt, die diesen Zustand ordentlich konterkarieren. Innovationskino wie HEREDITARY oder GET OUT findet dann nur für Genre-Liebhaber statt, und findet in der Allgemeinheit kaum Aufmerksamkeit. Da dürfte James Wan, was viele tun, überhaupt nicht als der Meister des modernen Horrorfilms benannt werden, sondern als sein Totengräber.
Darsteller: Vera Farmiga, Patrick Wilson, Ruairi O’Connor, Sarah Catherine Hook, Julian Hilliard, John Noble, Eugenie Bondurant, Keith Arthur Bolden, Ronnie Gene Blevins u.a.
Regie: Michael Chaves
Drehbuch: David Leslie Johnson-McGoldrick
Kamera: Michael Burgess
Bildschnitt: Peter Gvozdas & Christian Wagner
Musik: Joseph Bishara
Produktionsdesign: Jennifer Spence
Großbritannien – USA / 2021
117 Minuten