IF ANYTHING HAPPENS I LOVE YOU

If Anything Happens 1 - Copyright GILBERT FILMS - NetflixNetflix – Oscar Short

Es ist selten, dass ein Kurzfilm erhöhte Aufmerksamkeit außerhalb cinephiler Kreis erfährt. Die Freunde Will McCormack und Michael Goviers haben mit ihrem Film mehr als das erreicht. Er wurde zu einem Phänomen. Es gipfelte in einer TikTok-Challenge bei der man den Film ansehen musste, und versuchen nicht zu weinen. Das ist in Anbetracht des Filmes und seiner Thematik natürlich sehr fragwürdig. Doch man sollte es auch von der anderen Seite sehen. Nämlich von der, dass dieser Film zu Recht jede Art von Aufmerksamkeit. Es geht um Trauer und Aufarbeitung, um Schmerz und Isolation. Nur soweit zum Verständnis. Regelmäßige Zeitungsleser werden auch nicht um Aussagen der ausführenden Produzentin Laura Dern herum gekommen sein: „Niemand will darüber reden, und das wir ausgerechnet darüber nicht reden, ist verrückt.“

Die Handlung also solche auch nur zu überreißen würde zu nichts führen, Dinge vorweg nehmen, oder manipulativ einwirken. Tatsächlich gelingt McCormack und Govier die größtmögliche Wirkung, wenn man IF ANYTHING… unvoreingenommen sieht. Unvorbelastet zu sein, ist eine andere Sache. Unvorbelastet von diesem Thema werden die wenigsten sein, was viele leider am Ende des Film feststellen müssen.

Die Figuren sind grob skizziert, aber die Zeichner verleihen ihnen beeindruckende Ausdruckskraft. Die Bilder sind weitgehend schwarzweiß gehalten, wobei sich die Motive auf das Notwendigste reduzieren. Die Charaktere bewegen sich sozusagen in einer weißen Leere. Lediglich markante, für die Erzählung relevante Details sind farbig gehalten. Hintergründe sind nur selten zu sehen. Die Bewegung der Figuren wirken ruckartig, während die manipulierenden Schatten leicht über die Bilder fließen.

Zuerst wirkt IF ANYTHING… in seiner Machart lediglich auf die Geschichte konzentriert. Aber man merkt schnell, dass die Art der Animation ein wesentlicher Bestandteil des emotionalen, filmischen Ausdrucks ist. Und entscheidender Träger für sein Anliegen. Das Programm ‚TVPaint Animation‘ ist eine Software, die der klassischen handgemalten Animation am nächsten kommt. Was der herkömmliche Zuschauer tatsächlich anders wahrnimmt, als heute rein Computer animierte Filme. Handzeichnungen vermitteln immer noch unterbewusst eine einnehmende Ehrlichkeit.

Ob die ganze Auseinandersetzung mit den technischen und künstlerischen Aspekten wichtig ist, erkennt der Zuschauer daran, wie ihm die Geschichte nahe gehen wird. Emotionen sind ohne Dialog sehr schwer zu vermitteln, noch dazu wenn sie das elementare Wesen der Erzählung ausmachen. In diesem Sinne ist dieser Film ein Phänomen, weil er jeden Aspekt seiner künstlerischen und inszenatorischen Umsetzung makellos zusammen bringt. „If anything happens I love you“ ist keine wahllose Floskel, sondern basiert auf realen Textnachrichten junger Menschen einer wirklichen Ausnahmesituation.

If Anything Happens 2 - Copyright GILBERT FILMS - Netflix

 

Regie & Drehbuch: Will McCormack, Michael Govier
Bildschnitt: Peter Ettinger
Musik: Lindsay Marcus
Animation: Youngran Nho, Haein Michelle Heo, Julia Gomes Rodrigues
USA / 2020
12 Minuten

Bildrechte: GILBERT FILMS / Netflix
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Fernsehen gesehen abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar