Netflix – 14.04.2021
LOVE AND MONSTERS vorzuwerfen, er wäre nur ein weiterer Aufguss der überstrapazierten Endzeit-Szenearien, ist ungefähr so, als würde man COWBOYS & ALIENS vorwerfen, da kämpfen ja nur Cowboys gegen Außerirdische. An dieser Stelle ist es wieder einmal ein Asteroid, der 95% der Menschheit vernichtet. Aber nicht weil das Himmelsgestein einschlägt, sondern die vereinten Supermächte es mit ihrem gebündelten Atomwaffenarsenal zerstören. Dumm nur, dass der chemische und radioaktive Fallout Amphibien und Insekten zu riesigen Monstern ihrer selbst mutieren lässt. Diese Katastrophe trifft die siebzehnjährigen Joel und Aimee ziemlich ungelegen. Die frisch Verliebten werden getrennt, allerdings nicht ohne sich noch die ewige Liebe zu schwören.
Joel ist geschickter weise gleichzeitig der Off-Erzähler, was die Atomsphäre locker und auch bei Laune hält. die ersten 15 Minuten als Exposition stimmen sehr gut ein, auf das was kommen wird. Joels nüchterne Erklärungen über sein Leben und der Zweckgemeinschaft in einer unterirdischen Kolonie, werden immer wieder durch konträre Bilder ad absurdum geführt. Was anderswo Dramatik und emotionale Überfrachtung herausfordert, inszeniert Michael Matthews mit flotter Gelassenheit und eine unkomplizierten Stimmung die bis zum Ende durchhält.
Kochen und Tiere füttern ist Joels Aufgabe während die anderen Überlebenden der Kolonie die gefährlichen Jobs übernehmen, wie Angriffe von mutierten Monstern abwehren, oder auf Nahrungssuche gehen. Niemand nimmt Joel seinen geringeren Beitrag übel, schließlich hat neigt er dazu bei Gefahr einzufrieren oder beim Schießen in heftiges Zittern zu verfallen. Doch nach sieben Jahren macht er über CB-Funk Aimee bei einer anderen Kolonie ausfindig. Joel, der seit der Katastrophe nicht mehr auf der Oberfläche war, bräuchte sieben Tage um zu Fuß seine großen Liebe zu erreichen. In einer Welt wo selbst erfahrene Jäger nur wenige Stunden zwischen riesigen Kröten und gigantischen Tausendfüßlern überleben. Aber es heißt ja LOVE AND MONSTERS.
Es gibt Filme die verärgern, weil ihr Plot so vorhersehbar und abgedroschen ist. Und es gibt Autoren, die können mit solchen vielfach verheizten Themen wirklich noch etwas anfangen. Das fängt bei Matthew Robinson und Brian Duffield schon damit an, dass sie erst gar nicht versuchen den Anschein von etwas Neuem, oder dem Besonderen zu erwecken. Sie greifen Standardsituationen und Klischee auffallend offen auf, und spielen damit mit sehr leichter Hand. Und genauso entspannt greift Regisseur Matthews das auch auf. Er lässt seinen Protagonisten, bravourös von Dylan O’Brien mehr gelebt als gespielt, situationsbedingt sehr unbeholfen durch diese monströse Welt stolpern, macht ihn aber nie zum Trottel.
Das sich LOVE AND MONSTERS wohlwollend und aufregend von seinen unzähligen Vorreitern und Genre-Brüdern abhebt, ist seine ungebrochene Ehrlichkeit. Er steht zu seinen Standards und Klischees, und deswegen kann er genau im richtigen Moment immer und immer wieder damit brechen. Das Joel auf seiner Odyssee zu überleben lernt ist der Standard, dass er mit diesen Erfahrungen den Showdown am Ende gewinnt wäre das Klischee. Aus dieser schon erwähnten Gelassenheit und lockeren Atmosphäre, entspinnen sich Szenen die wirklich nicht vorhersehbar sind und überraschen.
Die Szene mit Marv1s dem Roboter auf der Couch, ist so überwältigend poetisch, dass sie lange nachwirken wird. Und wie der Showdown dann gleichzeitig überraschende Wendungen und erfüllte Erwartungshaltungen wild durcheinander wirbelt, verleiht dem Film eine wunderbar einnehmende Dynamik. Und wie durch den ganzen Film hindurch, bestätigt sich dann, dass man doch etwas Eigenes schaffen kann, wenn man nicht versucht schlauer als andere zu sein. Ach, und der Hund. Man darf den Hund nicht vergessen, gespielt von Hero und Dodge. Wie jemand so althergebrachte Story-Elemente, so einnehmend frisch und immer noch ergreifend inszenieren kann, hat perfekt verstanden wie man Imitationen für sich nutzt.
Und mit einer Darstellerin wie Arianna Greenblatt, die eine naseweise und überhebliche Oberflächenüberlebende spielt, gewinnt man zusätzlich. Ein so nerviges und unverschämtes Kind, dass man mit Freude und strahlendem Gesicht an die Wand klatschen möchte. Das sind diese kleine Besonderheiten, die LOVE AND MONSTERS einen wirklich überraschenden Charme verleihen. Und in COWBOYS & ALIENS geht es auch nur darum, dass sich Cowboys gegen Aliens zur Wehr setzen und gewinnen. Etwas anderes verspricht der Titel doch auch gar nicht. Dafür hat er seinen Titel außerordentlich gut Rechnung getragen. Genau das macht auch LOVE AND MONSTERS, nur viel besser und sympathischer. So ganz nebenbei wird man noch damit konfrontiert, dass LOVE soviel mehr sein kann, als die blinde Leidenschaft einen glauben lassen will.
Darsteller: Dylan O’Brien, Jessica Henwick, Hero & Dodge als Boy, Michael Rooker, Ariana Greenblatt, Dan Ewing, Ellen Hollman u.a.
Regie: Michael Matthews
Drehbuch: Matthew Robinson, Brian Duffield
Kamera: Lachlan Milne
Bildschnitt: Debbie Berman, Nancy Richardson
Musik: Marco Beltrami, Marcus Trumpp
Produktionsdesign: Dan Hennah
Kanada – USA / 2020
109 Minuten