LADY IN CEMENT – Bundesstart 20.12.1968
Das Autokino am Marienberg wird am 7. Mai 1969 eröffnet. Damit gibt es in Nürnberg das erste Autokino in Bayern, das Elfte in Deutschland. Exakt 1111 Stellplätze sind für die Autos vorgesehen. Somit können 4444 Menschen eine einzige Vorstellung nach Anbruch der Dunkelheit besuchen, wenn sie bequem sitzen wollen. Fünfzig Prozent mehr, wenn alle die Möglichkeit des blinden Passagiers im Kofferraum nutzen würden. Dazu braucht es auch einen echten Knaller, etwas aufregendes, wie zum Beispiel BULLITT. Der perfekte Männerfilm, mit einer edlen Karosse als geheimen Hauptdarsteller. Eigentlich perfekt. Aber was auch immer die Beweggründe gewesen sein mochten, es wurde das Frank Sinatra-Vehikel DIE LADY IN ZEMENT. Die Kopienzahl der Zelluloidstreifen ist reglementiert, nicht so wie später, wo Verleiher mit Festplatten und Satellitenstreams die Leinwände bespielen werden. Oder jemand hielt Sinatra grundsätzlich für eine bessere Wahl.
Privatdetektiv Tony Rome stößt beim Tauchen vor Miami auf eine im Wasser versenkte weibliche Leiche. Er meldet es seinen ehemaligen Kollegen der Polizei. In Folge dessen haut ihm der kräftige Waldo eins auf den Kopf, nur einmal so, und weil Tony eine verschwundene Freundin finden soll. Das wiederrum führt den Detektiv zum ortsansässigen organisierten Verbrechen. Nebenher verknallt sich Rome auch noch in seine Lieblingszeugin Kit Forrest. Dafür gehen ihm auch nicht die zynischen Sprüche aus.
Zwei Jahre vorher gab es schon einmal eine Tony Rome-Verfilmung mit Sinatra, nannte sich DER SCHNÜFFLER. Die hatte Richard L. Breen adaptiert, was ebenfalls von Gordon Douglas inszeniert worden war. Ob sich nun Romanautor Marvin H. Albert gedacht hat, dass seine Kreation für eine Umsetzung in den eigenen Händen besser aufgehoben wäre, kann man nicht genau sagen. Man kann nur sagen, dass LADY IN ZEMENT ein fürchterlich verwirrender Ablauf von Szene zu Szene, Situation zu Situation, und Kalauer zu Kalauer ist, der eine stringente Geschichte sehr geschickt zu verbergen versteht.
Nun ist das Schauspieltalent von Sinatra hinlänglich bekannt. Alles was er braucht ist einen gut geschriebenen Charakter. Aber der Marvin Albert hat im selbst verfassten Drehbuch einen wirklichen Krimi zugunsten von lockeren Sprüchen und erzwungen heiterer Atmosphäre aufgegeben. So verkommt der Film zu einer uninspirierten Detektivgeschichte, in der sich selbst ein Frank Sinatra verliert, und die Spannungsarmut nicht wett machen kann.
Das Konzept ist nicht unähnlich zu DER SCHNÜFFLER. Hier mit Raquel Welch besetzt, dem selben Frauentyp wie zwei Jahre vorher Jill St. John. Sprüche zählen mehr als kriminalistischer Scharfsinn. Genau damit wird die Frau auch dort gehalten, wo ihr Platz ist, nämlich unter der Fuchtel des Mannes. Doch 1969 befinden wir uns schon am Anfang eines emanzipatorischen Umbruchs, was die Inszenierung nicht wirklich wahrhaben möchte. Und der schlechte Versuch einer starken und selbstbewussten Frau erweist sich schnell als vorgeschobene Makulatur.
DIE LADY IN ZEMENT ist sexistisch was das Zeug hält. Bei zottigen Sprüchen soll es nicht bleiben. Hier und da mal ein blanker Frauenoberkörper, fertig ist die frivole Unzüchtigkeit. Es ist 1969, und es wirkt bereits jetzt angestaubt und längst überholt. Dabei hat der Film einiges zu bieten, das entweder nicht genutzt, oder von der eigenen Anspruchslosigkeit ignoriert wird.
Da ist der undurchsichtige Waldo Gronsky in Form des 1,93 Meter-Hünen Dan Blocker, der gerne mal die Bösewichter durch die Gegend schmeißt, oder am liebsten BONANZA schaut, mit sich selbst als Hoss. Das gewinnt dann leicht anarchische Züge, die LADY IN ZEMENT eine Art von Humor verleihen, die an vielen anderen Stellen dringend notwendig wären.
Der Filmverleih verspricht einen gnadenlosen Action-Film. Ein paar Schusswechsel und einige Schlägereien sind ansprechend und aufregend inszeniert, allerdings viel zu schnell beendet und über die gesamte Laufzeit nur spärlich gesät. Aber grundsätzlich fehlt dem Film ein besonderer Charakter, wie ihn das Sub-Genre des Neo-Noir eigentlich auszeichnet. Vielleicht der subtile Witz eines unbeirrten Verlierertyps wie in EIN FALL FÜR HARPER, oder die kaltschnäuzige Gleichgültigkeit von MADIGAN.
Mag sein das man den ersten Teil der zweiteiligen Tony Rome-Reihe sehen sollte, um einen gewissen Unterhaltungswert bei der LADY IN ZEMENT zu verspüren. Auch wenn beide Filme unabhängig voneinander bestehen. Aber sehenswert ist der Film nur in sehr eingeschränktem Maße, aber nicht wegen der Attribute für die er beworben wird.
Darsteller: Frank Sinatra, Raquel Welch, Richard Conte, Dan Blocker, Martin Gabel, Lainie Kazan, Tommy Uhlar u.a.
Regie: Gordon Douglas
Drehbuch: Marvin H. Albert, Jack Guss
nach den Romanen von Marvin H. Albert
Kamera: Joseph F. Biroc
Bildschnitt: Robert L. Simpson
Musik: Hugo Montenegro
Produktionsdesign: LeRoy Deane, Jack Martin Smith
USA / 1968
93 Minuten