UNCLE FRANK
– Amazon Prime 25.11.2020
Alan Ball hat schon immer in seinen Arbeiten seine eigene Homosexualität einfließen lassen und verarbeitet. Aber so direkt und auf den Punkt hat er sich dem Thema bisher noch nicht angenähert. Dabei geht die Idee und der Hintergrund dieses neuesten Werkes auf die Ereignisse um seinen Vater zurück. Ob Alan Balls Vater wirklich homosexuell war, konnte nie wirklich klar gestellt werden, unter anderem weil er viel zu früh verstarb. Aber Alans Mutter war davon überzeugt. Die Beziehung des Vater zu einem gewissen Sam Lassiter war auffallend und ließ wenig Raum für Spekulationen. Obgleich UNCLE FRANK eine fiktive Geschichte mit erfundenen Personen erzählt, ist es der Charakter und Name von Sam Lassiter nicht.
„Du wirst die Person sein, für die du dich entscheidest, oder jeder andere wird dir erzählen wer du sein sollst. Du musst dich entscheiden. Du machst das.“ – Frank
Es ist 1973 als die achtzehnjährige Beth herausfindet, dass ihr liebstes Familienmitglied schwul ist. In New York ist das für Onkel Frank kaum ein Problem, weder im Freundeskreis, noch gesellschaftlich. Aber in seiner Heimat South Carolina steht es zu dieser Zeit noch unter Strafe. In der Familie wusste es bisher nur seine ältere Schwester von seiner Homosexualität. Und sein Vater, dessen Beerdigung ansteht. Die noch arglose Beth erkennt nicht das gesellschaftliche Dilemma, als sie ihren Onkel für das Begräbnis nach South Carolina drängt.
Sorgsam führt Alan Ball seine Protagonisten durch die drei atmosphärisch unterschiedlichen Teile. Die Exposition, welche die Probleme bei einer Familienfeier andeuten, aber nie vertiefen. Was für Beth allerdings unerheblich scheint. Von 1969 springt der Film nach 1973, und beschreibt die Zeit von Beth mit ihrem Onkel in New York, wie sie seinen Lebenspartner Walli kennen und schätzen lernt. Es ist leicht im Ton, oft komisch, und für Beth‘ Leben richtungsweisend.
Das Ball im letzten Drittel die dramaturgische Schraube extrem anzieht, wollte man als Beobachter zuerst nicht vermuten. So schön und leicht war das zweigeteilte Intro inszeniert. Tatsächlich hätte man es aber auch wissen müssen. Wirklich überraschend ist die überhöhte Emotionalität dann schließlich doch nicht. Für Frank ist es die Katharsis seines bisherigen selbstverleumderischen Lebens. Doch leider löst sich Franks Dilemma sehr gefällig. Es schließt sich der Kreis von eher leichter Unterhaltung.
UNCLE FRANK steht und fällt mit seinen drei brillanten Hauptdarstellern. Sie können dem Klischee, und den vorhersehbaren Versatzstücken wirklich noch frische, überzeugende Facetten abgewinnen. Doch was Bettany, Lillis und Macdissi mit Balls merklichen Enthusiasmus angediehen wurde, fehlt eindeutig an Judy Greer, Steve Zahn und Margo Martindales Charakterzeichnung.
Stephen Root als unverzeihlicher Patriarch ist mit viel zu wenig Zeit einfach verschenkt, und verkommt dadurch zum undifferenzierten Dogmatiker. Ebenso wie die im alten Rassismus festgewachsene Lois Smith, die mit ihren arglos geplapperten Bemerkungen sehr gute Denkanstöße liefern könnte, aber nur für ironische Seitenhiebe heran gezogen wird. Zum Schmunzeln ja, aber kaum ein eindringliches Abbild seiner Zeit.
„Als du mir also vor vielen Jahren gesagt hast, ich soll die sein, die ich selbst sein wollte, und nicht wie andere Leute mich haben wollten, das war alles Bullshit? Diese Unterhaltung veränderte mein Leben. Und jetzt finde ich heraus, du kannst nicht sein wer du sein willst, solange noch jemand in deinem Umfeld dem widerspricht was du bist?“ – Beth
Die Struktur und der Handlungsaufbau zeigen durchaus Wirkung, und nehmen den Betrachter richtiggehend mit in die Geschichte. Allerdings geht Alan Ball mit seinem Film nie weiter, als man es von ebenso konzipierten Filmen nicht so oder so ähnlich schon öfters erlebt hätte. Es hat den Anschein, als wären seine eigenen Wort der Figuren symptomatisch für die Substanz des Filmes. Wo jeder sich selbst gerecht werden soll, doch am Ende das eigentliche Gegenteil entlarvt wird.
Für einen unbedarften Zuschauer ist UNCLE FRANK angenehme und gelungene Unterhaltung. Er erinnert an altbekannte Probleme und überholte gesellschaftliche Konventionen. Doch neue Ansätze und vertiefende Kontroversen bleibt der Film schuldig. Er ist unterhaltsam, sehr dramatisch und verständlich. Aber wie der Film wohl auf betroffene Menschen selbst wirkt, kann man nur sehr schwer einschätzen. Noch dazu wo Diskriminierung und Vorurteile selbst 50 Jahre nach der Zeit von UNCLE FRANK nicht wirklich überwunden sind.
Darsteller: Paul Bettany, Sophia Lillis, Peter Macdissi, Judy Greer, Steve Zahn, Stephen Root, Margo Martindale, Lois Smith u.a.
Regie & Drehbuch: Alan Ball
Kamera: Khalid Mohtaseb
Bildschnitt: Jonathan Alberts
Musik: Nathan Barr
Produktionsdesign: Darcy C. Scanlin
USA / 2020
95 Minuten