RESISTANCE – Widerstand

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– Bundesstart 14.10.2021

Die Besprechung liegt der britischen Prime Video Fassung zugrunde.

Als große, epische Biografie kann RESISTANCE kaum etwas falsch machen. Namhafte Stars, eine geachtete Persönlichkeit von öffentlichem Interesse, ein bisher weitgehend unbeleuchteter Lebensabschnitt, und ein geschichtlicher Hintergrund, der dramaturgisch keine moralische Abwägung zulässt. Daraus sind immer ganz sichere Geschichten für großes Kinos gemacht, die durch ihre Machart jede Kontroverse vermeiden. So wie die Geschichte des Marcel Mangel, Sohn eines koscheren Metzgers in Straßburg. Am Vorabend des nächsten großes Krieges, ist es noch möglich, sich über den größenwahnsinnigen Österreicher aus Deutschland lustig zu machen. Wie es Marcel macht, der sich lieber als Schauspieler im Varieté verdient macht, anstatt seinem Vater als Metzger nachzufolgen.

Aber Jonathan Jakubowicz führt nicht langsam oder behutsam in seine Erzählung ein. Wir werden schon in der Eingangssequenz damit konfrontiert, dass dieser Film keine Zweifel an seiner ethischen Geradlinigkeit aufkommen lassen wird. Er will das Gute im Menschen zelebrieren. Wie viele andere Filme auch, die in solchen biografischen Bemühungen Fakten soweit verdrehen, damit man es immer noch als dramaturgische Notwendigkeit rechtfertigen kann. So verkündet General Patton (genau dieser General Patton) im Film, dass Marcel Mangel hunderten von jüdischen Kindern das Leben gerettet hat, während Kurzbiografien davon berichten, Marcel wäre dreimal mit Kindern über Grenze von Frankreich in die Schweiz geflüchtet. Die von Ed Harris im Film gebrauchte Wortwahl lässt hier durchaus Spielraum für Interpretationen.

Der Venezolaner Jakubowicz hat keineswegs einen schlechten Film gemacht. Faktisch ist er durchaus lehrreich und dramaturgisch ganz auf seine emotionale Wirkung fokussiert. So weit fokussiert, dass man den Wahrheitsgehalt der filmischen Klammer in der Nürnberger Kongresshalle eher in Frage stellt. Es ist 1945, und Patton hat sein 3. US Army antreten lassen um einen großartigen Menschen zu würdigen. Am Ende des Films, wenn der General seinen Appell an die Menschlichkeit beendet hat, wird der besungene Held noch vor den Soldaten auftreten. Es ist natürlich Marcel Marceau, und es wäre wirklich eigenartig, würde auch nur ein Zuschauer nicht wissen, dass es sich bei dieser Geschichte um einen Lebensabschnitt des, zumindest gefühlt, einzig akzeptierten Pantomimen der Welt handelt.

Marcel kommt durch seinen Bruder zum französischen Widerstand. Zuerst ist es nur die Neugierde an der gleichaltrigen Emma. Später gewinnen auch die Kinder aus den betreuten Pfadfinder-Gruppen sein Herz. Der Schlächter von Lyon, Klaus Barbie, zieht während dessen seine Schlingen zur Aufdeckung der Résistance immer weiter zusammen. Zeigt sich Marcel erst als unbekümmerter Mitläufer, übernimmt er langsam eine immer aktivere Rolle im Kampf gegen die deutschen Besatzer.

Resistance 3 - Copyright WARNER BROS

Jonathan Jakubowicz legt sein ganzes filmisches Vermögen auf eine möglichst große Inszenierung. Groß, in Form von Ausstattung, geschichtlichem Bezug, und vor allem sehr viel Pathos. Es hat den Eindruck, als wollte Jakubowicz jede Szene mit Relevanz und Aussage füllen. Auch Kameramann Miquel Littin-Menz beansprucht die historischen Drehorte, gerade in Nürnberg und Prag, im maximalen Umfang des zeigbaren. Da werden immer wieder Gebäude, Straßenzüge und Plätze in derart epische Einstellungen gesetzt, dass sie teilweise sogar kontraproduktiv zum Inhalt der Szenen stehen. Auch wenn man zugeben muss, wie beeindruckend sich ein zeitgeschichtlicher Film noch ohne tricktechnische Mittel inszenieren lässt.

Ebenso beeindruckend präsentieren sich die Darsteller. Wobei Jesse Eisenberg als Marcel ein klein wenig zu geschwätzig scheint, für einen Mann der die mimische Darstellung für sich entdeckte, gerade wegen seiner Schwierigkeiten mit zwischenmenschlichen Kontakten. Aber Eisenbergs Physis und immer leicht unsicher wirkende Dynamik gehen hervorragend mit den charakterlichen Merkmalen des realen Mimen einher. Für eine differenziertere und vielschichtigere Interpretation der Figuren zeigt sich der Regisseur allerdings nicht bereit. Die moralische und ethische Rollenverteilung ist unverrückbar gesetzt.

Die Guten bleiben die Guten, und dies wird auch in den jeweiligen Szenen immer sicht- oder hörbar ausgearbeitet. So wie Matthias Schweighöfers Darstellung von Klaus Barbie durchaus schockiert und fesselt, doch alle seine Auftritte sind nur darauf ausgelegt, den Charakter als die unbarmherzige Bestie zu wiederholen. Es gibt keinen Hintergrund für die Figuren. Berufung und gesellschaftlicher Wertegang bleiben genauso außen vor, wie ihre psychologische Motivation. Bei RESISTANCE fällt immer wieder auf, dass eine Vertiefung der Figuren wesentlich interessanter wäre, als die gut gemeinte Inszenierung von epischen Proportionen.

Marcel Mangel hatte während seiner Zeit in der Résistance einen gefälschten Ausweis mit dem Familiennamen Marceau, welchen er aus Respekt vor Ereignissen nach dem Krieg übernahm. Der Begründer des Mimotheaters war wegen seiner guten Englischkenntnisse Verbindungsmann unter anderem für die 3. US Army. Erst 1947 legte er mit 24 Jahren Monsieur Bip als sein Alter-Ego auf der Bühne fest. Mit weiß geschminktem Gesicht, Ringelhemd und zerbeulten Hut. Vielleicht hätte ihm dieser Film gefallen, vielleicht. Als Zuschauer allerdings hat man das Gefühl, dass Jonathan Jakubowiczs Interpretation wesentlich mehr Interesse an filmischem Kunsthandwerk hat, als an charakterlicher Aufarbeitung.

Resistance 2 - Copyright WARNER BROS

 

Darsteller: Jesse Eisenberg, Clémence Poésy, Felix Moati, Matthias Schweighöfer, Ed Harris, Vica Kerekes, Géza Röhrig u.a.
Regie & Drehbuch: Jonathan Jakubowicz
Kamera: M.I. Littin-Menz
Bildschnitt: Alexander Berner, Jonathan Jacubowicz
Musik: Angelo Milli
Produktionsdesign: Tomas Voth
Großbritannien – Deutschland – Frankreich – USA
2020  /  120 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS.
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