TIME TRAP
– DVD Premiere 05.12.2019
– VOD Amazon & iTunes
Wenn man sich dem Mainstream-Kino verschrieben hat, bleibt immer einiges zu tun. Da springt man von einem Starttermin zum nächsten, muss koordinieren, zwischendrin auch mal etwas Arthouse einschieben. Und zu allem Unglück werden ab und an auch soziale Kontakte eingefordert. In Zeiten wie diesen, relativiert sich so manches. Da ist plötzlich Zeit, keiner hetzt einen von Blockbuster zu Blockbuster, und man richtet seine Aufmerksamkeit auch einmal auf Empfehlungen, wenngleich auch widerwärtig, denn was könnte ein Film mit einem Budget unter 80 Millionen Dollar ernsthaft bieten. Woody Allen macht noch Filme unter zehn Millionen Dollar, aber die werden ja nur geschaut, weil da ein Ensemble an Schauspielern dabei ist, das sonst nur in hochpreisigen Blockbustern spielt. Da muss man dann bei Filmen wie DIE HÖHLE schon beide Augen zudrücken, wo das Kameraequipment allein fünfzig Prozent des Budgets gefressen hat, und sich zudem auch noch Science Fiction schimpft.
Fünf Studenten begeben sich auf eine Höhlen-Expedition, weil ihr Professor seit einer solchen verschwunden ist. Nur wenige Meter in die Höhle hinein, begreifen sie, dass es hier im Dunkel nicht so mit rechten Dingen zu geht. Als der Jüngste im Höhlensystem zuerst verschwindet, und schließlich auf genauso mysteriöse Weise wieder gefunden wird, bestätigt sich eine unglaubliche Vermutung. Je tiefer sie in die Höhle vordringen, desto langsamer vergeht die Zeit. Mit Erschrecken müssen sie feststellen, das nur wenige Minuten in der Höhle, an der Oberfläche Jahre vergehen. Aber da stehen die jungen Leute erst am Anfang ihrer Probleme.
Das Gespann Dennis und Foster haben bereits mit ihrem ersten Langfilm STRINGS bei diversen Festivals Preise verdient. Dennoch hat es sechs Jahre gedauert, bis sie sich an ihr zweites Werk machten. Und man kann an diesem Film sehen, dass diese Zeit Weise genutzt wurde. Denn was zuerst auffällt, dass ist die vollkommen natürliche Atmosphäre in der sich die Figuren bewegen. Das gibt es keine Heldenposen, keine künstlich erhobene Spannungskurve, niemand verhält sich irrational, die Charaktere führen Dialoge, die natürlich sind, und nicht schon im Vorfeld das Unheil herauf beschwören. Ganz nach alter Filmschule haben Mark Dennis und Ben Foster ihren Film in drei Akte aufgeteilt. Der Weg zur und in die Höhle. Das Geheimnis der Höhle. Und schließlich die alle Konsequenzen umfassende Auflösung. Dabei ist der Anfang des zweiten Aktes der geschwätzigste, in dem man das Gefühl bekommt, es würde nun alles zu Tode erklärt. Doch das gibt sich auch wieder recht schnell.
Mit der Geschwätzigkeit geht allerdings auch ein zweiter, sehr wichtiger positiver Punkt einher. Die Macher wollten keine Fragen offen lassen, wollten Ungereimtheiten nicht mit einem Schulterzucken abtun. Innerhalb ihrer Prämisse, ist alles gut und plausibel durchdacht. Ja, es gibt diese eine Szene, die überhaupt nicht stimmig ist, aber die darf auch jeder für sich selbst entdecken, wenn es überhaupt jemanden auffällt. Es ist ja das altbekannte Problem mit Zeitreisen, oder dem Spiel mit verschiedenen Zeitebenen, diesem Szenario auch eine gewisse Logik angedeihen zu lassen. DIE HÖHLE hat das hervorragend umgesetzt. Natürlich bleiben Fragen offen, aber es sind spannende Fragen, die nicht aus Erklärungsnot entstehen, sondern zu den üblichen Diskussionen unter Film-Freaks anregen. Es gibt auch zwei Szenen, die etwas holprig umgesetzt sind, aber das kann durchaus dem limitierten Budget geschuldet sein. Dafür gibt es die Szene einer wortwörtlichen uralten Schlacht, die absolut beeindruckend umgesetzt wurde.
Man könnte nun sagen, dass Dennis und Foster mitsamt ihrer gesamten Crew und Ensemble sehr viel richtig gemacht haben. Tritt man einen Schritt zurück und betrachtet den Film aus seinem Budget und seiner Entstehung heraus, haben sie eigentlich alles richtig gemacht. Der Aufbau und das Tempo ist geradezu perfekt, gleich von den ersten Bildern an nimmt einen der Film an der Hand, führt erst ganz sanft, und lässt dann nicht mehr los. Die unbekümmerte Natürlichkeit der weitgehend unbekannten Darsteller ist einnehmend und glaubhaft. Und so kann man auch auf ausschweifende Special Effects verzichten, wenn die Schauspieler die Geschichte über ihre Figuren transportieren können. Und ein ganz dickes Lob, dass man wirklich das Gefühl hat, der Hund würde tatsächlich zu dem Charakter gehören, und nicht an der Kamera vorbei zu seinem Trainer schauen. Etwas das die wenigsten Filme auch nur annähernd hin bekommen. Das man hier eine unabhängige Low-Budget-Produktion vor sich hat, kann man eigentlich an keiner Szene wirklich festmachen. Als vertane Chance könnte man vielleicht anführen, dass der Geschichte die Möglichkeit entgangen ist, sich verstärkt mit den psychologischen und metaphysischen Auswirkungen der Höhle auf die Figuren auseinander zu setzen. Ein bisschen nach der Tradition des Science Fiction Films der Siebzigerjahre. Da der Film ohnehin sehr Charakter geführt ist, wäre dazu sehr gut die Möglichkeit gewesen, die Reise durch die Zeit auch als ein Reise ins Innere zu wagen. Immerhin geht es letztendlich in gewisser Weise auch um den Brunnen der ewigen Jugend.
DIE HÖHLE beansprucht wesentlich weniger Visuelle und Praktische Effekte, wie man selbst im Nachhinein vermuten würde. Dafür sind die Effekte sehr, nun ja, effektiv gesetzt. Der hervorragend durchdachte Aufbau der Geschichte benötigt auch gar nicht soviel optische Unterstützung. Der Film schlägt ja auch nicht sofort mit dem Science Fiction Element um sich, sondern führt sehr behutsam und real an die gegebenen Umstände heran. Der Zuschauer bleibt dabei auf Höhe der Figuren. Und das sich die Macher über die ein oder andere Schwachstelle durchaus bewusst sind, beweisen sie mit Dialogen wie: „Nichts von dem sollte passieren. Du suchst nach einer Person die vermisst wird, weil sie andere Personen suchte die vermisst werden.“ In diesem Sinne bleibt nur zu sagen, dieser Film ist bestimmt kein Muss, aber durchaus einen Blick wert. Auch wenn er mit einer Millionen Dollar weit unter dem sonst geschätzten Budget liegt.
Darsteller: Andrew Wilson, Cassidy Gifford, Reiley McClendon, Brianne Howey, Olivia Draguicevich, Max Wright u.a.
Regie: Mark Dennis, Ben Foster
Drehbuch: Mark Dennis
Kamera: Mike Simpson
Musik: Yiaotian Shi
Produktionsdesign: Jessee J. Clarkson, Madison Fisk
USA / 2017
88 Minuten