BODY CAM – Bundesstart 06.08.2020
Auf der bereits abnehmenden Welle der Found-Footage-Hysterie, drehte David Ayer mit Go-Pros und EOS Kameras END OF WATCH. Ein Cop-Drama geschnitten aus vorgeblich selbstgedrehten Filmmaterial der Protagonisten, Jake Gyllenhaal und Michael Peña. Während man im Vorfeld vor Entsetzen die Hände über den Kopf zusammen schlug, entpuppte sich der Film schließlich als realistisch plausibler Thriller mit perfekt funktionierender Dramaturgie. Sieben Jahre später verschlägt es wieder zwei Streifenpolizisten auf die Leinwand, mit einem verheißungsvollen Titel. Body Cams, die ungeliebten Körperkameras sind ja mittlerweile die Grals-Hüter der Wahrheit im amerikanischen Streifendienst, und Regisseur Malik Vitthal hatte schon sechs Jahre vorher mit seinem Spielfilmdebut IMPERIAL DREAMS tief in die Seele der Gradwanderung zwischen Gut und Böse geblickt. Da könnte ein bisschen übernatürlicher Einschub natürlich ziemlich interessant werden. Ja, könnte.
Nach acht Wochen Suspendierung, weil sie einen Verdächtigen geschlagen hatte, kehrt Officer Renee Lomito-Smith in den Streifendienst der Louisiana Police zurück. Noch immer quält sie der Verlust ihren jungen Sohnes, und zum Überfluss bekommt sie auch noch den Frischling Danny Holledge zur Seite gestellt. Ihr erster wirklicher Einsatz führt sie zu einem bizarren Todesfall eines befreundeten Kollegen. Renee kann einen Blick auf das Bildmaterial der Body Cam des Getöteten werfen, welches einige unerklärliche Szenen zeigt. Allerdings meint die später eintreffende Spurensicherung, dass es überhaupt keine Aufzeichnungen geben würde. Sehr zum Unmut des Anfängers Danny beginnt Renee, gegen die eigentliche Order, auf eigene Faust zu ermitteln. Eine dubiose Spur führt zu einer Frau, die ebenfalls vor kurzer Zeit ihren jungen Sohn verloren hat. Und es gibt weitere Bilder von Körperkameras, die aber offensichtlich niemand anderes sehen kann.
Es wird sehr schnell klar, das BODY CAM ganz bestimmt nicht die Art von Film ist, welchen man sich im Fahrwasser von END OF WATCH eventuell erhofft hat. Mit ihren Horrorelementen und Spannungsmomenten wird diese Geschichte sehr konventionell erzählt. Optisch, wie dramaturgisch. Die Body Cams sind hier ein Gimmick, das die Handlung auf sehr originelle Weise voran treibt. Allerdings macht es auch keinen tieferen Sinn, warum allein Renee in der Lage sein soll, die Beweise zu sehen. Das ist aber auch das geringste Problem, welches BODY CAM an Plausibilität mit sich herum trägt. Es ist der Mix von Drama, Horror und Action, der einfach nicht zueinander findet. Das beraubt dem Film ein einheitliches Tempo, wo sich drei Genres immer wieder gegenseitig unterbrechen und neue Stimmungen anschlagen. Eine große Überraschung ist es nicht, dass Handlungselemente miteinander zu tun haben, aber sie greifen nicht verständlich und logisch ineinander. Und die gelegentlich angerissenen Einschübe von Polizeigewalt und Diskriminierung wirken eher unbeholfen aufgesetzt, anstatt unaufdringlich homogen eingewoben.
Die erste wirkliche Erscheinung einer scheinbar übernatürlichen Präsenz ist fast schon grandios inszeniert, und generiert eine immense Spannung. Aber wie die beiden Hauptfiguren überhaupt in diese Situation kommen, ist schlichtweg an den Haaren herbei gezogen. Und wie sich die Szene letztendlich auflöst, hinterlässt nur ein Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. Bis zum nächsten Spannungsbogen, wird die Zeit aufgefüllt, mit dem Versuch eine emotionale Bindung zu Renees Charakter weiter auszubauen. Das stört allerdings die eigentliche Prämisse, weil der Film schon sehr früh nichts mehr an Überraschungen, oder zusätzliche Ebenen hinzufügen kann. Der Ton und Hintergrund werden von Anfang an gesetzt, und die Inszenierung gibt nur vor eine weitere Entwicklung zu offerieren. Gegen Ende gibt es dazu noch einen absoluten Fehlschlag von überraschender Wendung, weil diese Wendung sich eigentlich schon zu Beginn abzeichnet, und noch dazu so alt ist, wie das Spannungskino selbst.
Wenn Regisseur Malik Vitthal schließlich seine Geschichte erzählt hat, bleiben einige Fragen offen. Vielleicht beruft sich ja das Drehbuch von Nicholas McCarthy und Richmond Riedel darauf, dass rachsüchtige Geister sich nicht in allen Belangen rechtfertigen müssen. Allerdings bleibt der Zuschauer dann etwas unbefriedigt zurück. In der wohlgemeinten Anstrengung, eine alte Geschichte neu erzählen zu wollen, geht der wichtigste Aspekt verloren, und das ist Kontinuität einer stimmigen Atmosphäre. BODY CAM will zu viel, liefert aber von allem nicht genug. Und Bildgestalter Pedro Luque hätte noch einmal in sich gehen können, um vielleicht zu merken, dass durchgängig viel zu dunkle Sets noch kein Garant für gruselige Stimmung ist.
Darsteller: Mary J. Blige, Nat Wolff, David Zayas, Anika Noni Rose, David Warshofsky, Ian Casselberry u.a.
Regie: Malik Vitthal
Drehbuch: Nicholas McCarthy, Richmond Riedel
Kamera: Pedro Luque
Bildschnitt: Ken Blackwell
Musik: Joseph Bishara
Produktionsdesign: Elena Albanese
USA / 2020
97 Minuten