NAMSANUI BUJANGDEUL
– Fantasy Filmfest 12.07.2020
DAS ATTENTAT
– VOD ab 31.07.2020
– DVD / Blu-ray ab 14.08.2020
Was weiß man eigentlich über die Geschichte Südkoreas, wo wir uns als Europäer immer so weltoffen geben, und als Deutsche jedem erklären können, wie es in Amerika läuft. Nun, als beflissener Kinogänger weiß man über Südkorea zum Beispiel, das dort die interessantesten und anspruchsvollsten Mainstream-Projekte Asiens produziert werden. Wie dieses Projekt, über die Ermordung des demokratisch gewählten Präsidenten Park Chung-hee, der von seinem Geheimdienstchef Kim Jae-gyu 1979 erschossen wurde. Jetzt ist Südkorea geografisch und politisch von Europa so weit weg, das man dies als politisch uninteressierter Mensch, als unwesentlichen Putsch in einem dieser unbedeutenden asiatischen Ländern abtun kann. Und genau diese faulen Ausreden sind schlichtweg unzutreffend.
Der Film beginnt am 26. Oktober 1979, wo vor den Toren des Präsidentenhauses noch einmal die sofortige Exekution bekräftigt wird. Dann springt die Geschichte vierzig Tage zurück, und offenbart die Verflechtungen ehemaliger Geheimdienstler, Botschafter, amerikanischer Kongressabgeordneter, und dem aktuellen Präsidenten Südkoreas. Regisseur Woo Min-ho verlangt dabei von seinem Zuschauer höchste Konzentration, bis man die Namen und deren Stellung, oder ehemaligen Posten richtig zuordnen kann. Es sind ruhige Einstellungen, die Kamera agiert immer besonnen, und in stimmigen Bilder, die nie zum Selbstzweck verkommen. Meist vermitteln sie in ihren an Intensität leicht zurückgenommen Farben, eine nüchterne Neutralität, um den Fokus auf Darstellung und Dialog zu halten.
Mit seinen vornehmlichen brauntönen in der Bildgestaltung, den zeitgemäßen Kostümen, und dem überragenden Produktionsdesign, ist eine erstklassige Epigone des Siebzigerjahre Thriller-Kinos gelungen. Die Erinnerung an Sidney Lumet, Norman Jewison oder Sidney Pollack kommen dabei nicht von ungefähr, sondern können nur bewusst so umgesetzt worden sein. Wirkungsvoller hätte eine Hommage nicht sein können. Das man dazu keine Mühen gescheut hat, Szenen an diversen, in die damalige Zeit zurückversetzte Sehenswürdigkeiten spielen zu lassen, ist keine optische Prahlerei, sondern perfektes Kino mit Anspruch. Besonders Washingtons Mall und das Lincoln Memorial sind atemberaubend verjüngt worden, ohne das die Inszenierung dies wirklich in den Vordergrund drängt. Woo Min-ho geht mit diesen kleinen Extravaganzen sehr zurückhaltend um, damit das Setting realistisch und nahbar bleibt.
Trotz des ständig ansteigenden Spannungsbogens, ist THE MAN STANDING NEXT im Gesamten etwa zu lang und getragen. Viele Szenen laufen vor dem nächsten Szenenwechsel ohne Dialog oder relevante Handlung einfach eine Zeit lang ins Nichts. Eine straffere Szenenfolge hätte die Dramatik intensivieren können. Was dem Film in Ausstattung und Bildern, Kostümen und Flair als Reminiszenz an frühere Zeit bestens gelingt, wäre bei Tempo und Rhythmus nicht notwendig gewesen. Nur einige Minuten weniger, mit denen sich der Film selbst einen Gefallen getan hätte. Das lässt allerdings noch lange nicht die Stimmung kippen, wenn der Film seinem Höhepunkt ansteuert, selbst wenn das Ende bekannt ist. Als demokratisch gewählter Präsident, hat Park Chung-hee Südkorea zum führenden Technologieland der damaligen Zeit gemacht. Das er sich letztendlich doch als unerschrockener Diktator hervor tat, wurde angesichts der florierenden Wirtschaft von anderen Ländern gerne ignoriert. Nur die Idealisten sahen darin einen Verrat an der Revolution. Und von einem dieser Menschen handelt dieser Film. Trotz seiner inszenatorischen Längen, spannendes und grandios umgesetztes Kino.
Darsteller: Lee Byung-hun, Lee Sung-min, Kwak Do-won, Lee Hee-joon, Kim So-jin, Jerry Rector u.a.
Regie: Woo Min-ho
Drehbuch: Woo Min-ho, Lee Ji-min
Kamera: Go Nak-seon
Bildschnitt: Jeong Ji-eun
Musik: Jo Young-wook
Produktionsdesign: Park Gyu-bin, Jo Hwa-seong
Südkorea / 2020
114 Minuten