Owen Wilson als Woody Allen? Dieses nervöse Stottern, das hektische Zappeln. Bei Woody Allen ist das Programm, er ist schließlich der Stadtneurotiker. Da ist Owen Wilson eine ganz andere Preisklasse, egal in welcher Richtung man das sehen mag. Aber keiner kann eine Woody-Allen-Rolle so ausfüllen, wie es der Regisseur selbst vermag. Man erinnere sich mit Grausen an Kenneth Branaghs Versuch in Allens „Celebrity“ diese typischen Macken des schnellen Sprechens und der ständigen Bewegung zu imitieren. Fürchterlich. Und dann kommt Owen Wilson. Schwer vorstellbar.
Man spürt förmlich, dass Allen die Rolle des Gil am liebsten selbst gespielt hätte, dass er sich selbst dabei sah, als er das Buch verfasste. Dieser angehende Schriftsteller ohne fertiges Buch, der mit Frau und Schwiegereltern in Paris verweilt, und doch sehr einsam dabei ist. Er findet Paris im Regen wunderschön, die anderen halten das für hirnverbrannt. Er möchte genießen, die anderen nur sehr viel Geld ausgeben. Für den unverstandenen Gil ist es das Jahr 2010, bis er bei einer nächtlichen Tour Ernest Hemingway und dem Schriftsteller Pärchen Fitzgerald über den Weg läuft. An anderen Abenden trifft er Cole Porter, und lernt Matisse, Picasso und Dali kennen. Eine Welt, die Gils Frau Inez vorenthalten bleibt. Es ist seine Welt, es ist sein Traum. Und in diesem Traum findet Gil den ihm zustehenden Respekt und Anerkennung. Nicht nur als Schriftsteller, sondern besonders als Mensch.
Woody Allen hat etwas seine Gewohnheiten variiert. So beginnt er nicht mit den üblichen schwarzweiß Titeln, sondern mit einer Collage von verklärenden Paris-Motiven. Im Vorspann schließlich, sind nicht die üblichen Jazz-Noten zu vernehmen, sondern Gils Erläuterungen, was Paris so besonders macht, während seine Frau Inez ständig versucht zu wiedersprechen. Tatsächlich zeigt Allen die Stadt wie aus einem Werbeprospekt. Immer und immer wieder. Und wenn Gil mit einem alten Taxi in die 20er Jahre gebracht wird, dann ist das kein bunter Zauber, sondern wie das Prickeln eines Glases Champagner. Gil selbst nimmt die Ereignisse gelassen, und staunt eher über die illustre Gesellschaft, die sich seiner annimmt. Wie schon bei „Purple Rose of Cairo“, als der Darsteller aus der Leinwand stieg, inszeniert Allen das eigentlich Unmögliche wieder mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit.
Es ist ein sehr witziger, aber auch nachdenklicher Film, dafür zu keinem Zeitpunkt schwermütig. Er beweist, das Woody Allen immer dann am besten ist, wenn er seine Handlung auf das Notwendigste reduziert und seinen Charakteren freien Lauf lässt. Natürlich ist dieser „freie Lauf“ das Resultat der Einfühlsamkeit des Meisters, aus dessen Windungen diese Figuren auch entsprungen sind. Und man kann sich durchaus auch vorstellen, dass Allen diese Rolle des verträumten Gil selbst gut dargestellt hätte. Gil, der nicht etwa Zuflucht in den vergangenen Tagen sucht, oder das Hier und Jetzt hinter sich lassen will. Paris in seinem Postkarten-Idyll und all die prägenden Figuren, welche die 20er Jahre bereicherten, sind lediglich Aufforderung zu Gils Selbstbestimmung und dem Finden des eigenen Weges. Aber das in einer Leichtigkeit, die einfach glücklich macht. Da muss nicht so viel gezappelt, nicht zu hektisch gesprochen, oder mit jedem Satz absurde Lebensweisheiten ausgestoßen werden. Das Ensemble ist tadellos, aber Owen Wilson? Schwer vorstellbar, aber es funktioniert, und das perfekt.
Darsteller: Owen Wilson, Rachel McAdams, Kathy Bates, Adrien Brody, Carla Bruni, Marion Cotillard, Lea Sydoux, Michael Sheen u.v.a.
Regie & Drehbuch: Woody Allen – Kamera: Darius Khondji – Bildschnitt: Alisa Lepselter – Produktionsdesign: Anne Seibel
USA-Spanien / 2011 – zirka 94 Minuten