HOLLYWOOD
– 01.05.2020 bei Netflix
Wegen der gesundheitlichen Risiken, konnte noch keine deutsche Sprachfassung gefertigt werden.
Als erster Teil, ein zaghafter Blick auf die ersten drei Episoden dieser neuen Drama-Serie. Die hört sich äußerst vielversprechend an, und hat Potential. Was, wenn Du die Geschichte umschreiben könntest? Fünf scheinbar junge Menschen tummeln sich im Gegenlicht der untergehenden Sonne auf dem fünfzehn Meter hohen Buchstaben H des Hollywoodland Schriftzuges. Ein einprägsames Plakatmotiv. Verbunden mit dem Namen des Produzenten und Serienerfinders Ryan Murphy, ist die Erwartungshaltung entsprechend hoch angesetzt. GLEE und 9-1-1 sind aus seinen Ideen erwachsen, nicht zu vergessen NIP/TUCK oder auch FEUD. In letzterer Serie begab er sich schon einmal in die Niederungen der mit Erfolg gefütterten Eitelkeiten des Hollywood Starsystems, und warf einen voyeuristischen Blick auf das Gerangel zwischen Bette Davis und Joan Crawford. Jetzt will Murphy mit seinem Langzeit Kollaborateur Ian Brennan einen verschärften Blick hinter die Kulissen des gesamten Apparates der in Los Angeles ansässigen Filmindustrie werfen. Und ihre Geschichte vielleicht sogar umkrempeln.
Leicht und unbeschwert in der Inszenierung, unaufdringlich und sanft in seiner Dramaturgie, zeichnen die ersten drei Episoden ein lockeres Bild von den stets anhaltenden Grabenkämpfen in einem immer dominanteren Hollywood. Der Zweite Weltkrieg ist gerade beendet, und Veteran Jack Castello kommt mit seiner schwangeren Frau nach Los Angeles um Schauspieler zu werden, ohne Referenzen oder Ausbildung. Der Schwarze Archie hat ein fantastisches Drehbuch geschrieben, was ihn angesichts der Zeit noch immer nicht gesellschaftsfähig macht. Raymond will sein persönliches Prestigeobjekt verfilmen, muss sich dafür aber erstmal mit einem anderen Film als würdig erweisen. Claire will als Tochter des Studiochefs ihre Schauspielkarriere beginnen, ohne das jemand ihren Familienhintergrund kennt. Der unterwürfige und untalentierte Roy hat Potential, allerdings weniger als Schauspieler denn als homosexuelles Lustobjekt. Und die ehrgeizige Camille ist davon überzeugt, sich trotz aller Rassefragen als Schwarze Schauspielerin gegenüber allen Weißen durchsetzen zu können.
Man kann nicht sagen, dass die einzelnen Geschichten und Schicksale vorhersehbar wären. Das Problem liegt vielmehr darin, dass sie dennoch in keiner Weise überraschen. Unerwartete Wendungen bleiben aus. Zumindest in den ersten drei Episoden ‚Hooray for Hollywood‘, ‚Hooray for Hollywood II‘ und ‚Outlaws‘. Überraschend ist vielmehr, mit welch einem Selbstverständnis und ungenierten Plattitüden die jeweiligen Handlungsstränge erzählt werden. Tatsächlich ist das Geflecht von Beziehungen und Zufällen sehr gut anzusehen, es gefällt und hat sehr guten Unterhaltungswert. Aber immerzu macht die bunte Fassade den Eindruck von leichter Oberflächlichkeit. Ein Filmdrama in der dargestellten Zeit, wäre genauso inszeniert worden. Erträglich, gefällig und es sollte nicht weh tun. Man könnte es als künstlerische Entscheidung betrachten, im Heute die damalige Zeit aus der Sicht von damals zu beleuchten. Was allerdings keineswegs mit der derben Ausdrucksweise und den angedeuteten, aber explizit angesprochenen Handlungen in Einklang stehen würde.
Die Schauspieler sind allesamt ansprechend, sehr gut und fühlen ihre Rollen mit überzeugenden Charakter. Lediglich Jake Picking spielt seine Figur des unbeholfenen Tölpels, wie ihn eigentlich ein unbeholfener Tölpel spielen wird. In der Reihe der Hauptdarsteller spielt er die einzig reale Person, aber diesen realen Schauspieler bringt man kaum mit Pickings Darstellung zusammen. Als zentrale Figur, die in den ersten beiden Episoden alle Charaktere zusammenführt, hält David Corenswet die bodenständigste Rolle, stets glaubwürdig, aber mit den wenigsten Ticks. Man könnte sie in diesem Ensemble schon als Veteranen bezeichnen, umso eindringlicher und am erfreulichsten sind zweifellos Holland Taylor, Patti LuPone und Dylan McDermott zu bewundern.
Für Cineasten und Filmfanatiker könnte HOLLYWOOD zum Spießrutenlauf und Historien-Albtraum werden. Unentwegt versucht man diverse Charaktere in eine reale Verbindung zu bringen. Versuche über Versuche, herauszufinden welche Figur lediglich auf wirklichen Personen basiert, oder tatsächlich real ist. Und wie raffiniert sind die Schreiber, erfundene Rollen und Handlungsstränge plausibel in den historischen Kontext einzufügen. Das ist für Hollywood-Enthusiasten wirklich ein Problem, was zu Fluch und Segen während des TV-Genusses werden kann. Meist obsiegt beim obsessiven Fan die Pausentaste, und der schnelle Blick zum besten Freund Google.
Was in den ersten drei Episoden wirklich dominiert, ist dieser ständig verklärte Blick auf ein im Grunde verdorbenes System. Amoralisches Verhalten werden als freigeistige Spleens und unreflektierte Verfehlungen inszeniert. Ständig nimmt der fröhliche Big-Band-Swing in den Szenenübergängen eine sich aufbauende Tiefe aus der eigentlichen Dramatik. Definitiv fehlt HOLLYWOOD der Biss, und die entlarvende Boshaftigkeit, um die Bigotterie und Egomanie ernsthaft bloß zu stellen, die sich bekanntlich bis heute im entsprechenden Geschäft gehalten, wenn nicht sogar verstärkt hat. Auch wenn Sarkasmus und Zynismus ab und an eine Übersättigung in Hinsicht auf das Film- und TV-Geschäft erfahren, hätte es dieser Serie und ihrer Intention wirklich gut getan. Sehenswert und unterhaltsam ist HOLLYWOOD trotz allem.
Bis jetzt. In vier nachfolgenden Episoden kann noch viel passieren.
Darsteller: David Corenswet, Darren Criss, Laura Harrier, Dylan McDermott, Jeremy Pope, Joe Mantello, Holland Taylor, Patti LuPone, Jake Picking, Jim Parsons, Samara Weaving
als Gäste: Maude Apatow, Mia Sorvino, Michelle Krusiec, Rob Reiner, Queen Latifah, Paget Brwester u.a.
Regie: Janet Mock, Michael Uppendahl, Daniel Minahan, Ryan Murphy, Jessica Yu
Drehbücher: Hernando Bansuelo, mit Janet Mock, Reilly Smith
Kamera: Simon Dennis, Blake McClure
Bildschnitt: Suzanne Spangler
Produktionsdesign: Matthew Flood Ferguson
Set Decoration: Melissa Licht
Bühne: Mark Robert Taylor
USA / 2020
Gesamtlaufzeit 347 Minuten
Pingback: Netflix: HOLLYWOOD II – Resolution | ABGESCHMINKT