In unregelmäßigen Abständen werden hier Filme für das Wochenende vorgestellt, die vielleicht die ein oder andere Erinnerung wecken, oder als Inspiration für einen gemütlichen Abend dienen können. Wie der Titel der Reihe schon andeutet, werden hier selten kulturhistorische Filme besprochen, sondern Werke, die ihre Berechtigung dort fanden, wo das Autokino seiner Bestimmung nachging.
SLAPSHOT – Bundesstart 29.09.1977
Noch heute werden die naseweisen und gefälligen Sportreporter in der Minor Hockey League in Amerika mit dem Namen Dickie Dunn bedacht. Das ist nur zu einem gewissen Teil abfällig gemeint, eigentlich kommt es einer wohlwollenden Schmeichelei gleich. M. Emmet Walsh spielte 1977 einen dieser unterwürfigen und speichelleckenden Reporter. Sein Charaktername Dickie Dunn, der Film SCHLAPPSCHUSS. Ein Film, der eigentlich eine ernsthafte Dokumentation werden sollte, wie es der Autorin Nancy Dowd vorschwebte. Ihr Bruder Ned war Eishockey Spieler in der Minor League bei den Johnstown Jets, und seine Erlebnise inspirierten Nancy zu dem Buch. Doch Regisseur George Roy Hill sah in dem Stoff wesentlich mehr, und redete noch einmal ein ernstes Wörtchen mit der Autorin.
Aus den Johnstown Jets wurden die Charlestown Chiefs, und die stecken mangels Talent und Disziplin in einer tiefen Krise. Die stets verlierende Mannschaft wird nur zusammengehalten von dem immer optimistischen und verschlagenen Teamchef Reggie Dunlop. Als Motivation lügt er seinen Jungs vor, dass es Verhandlungen mit einem neuen Besitzer geben würde, der die Mannschaft kaufen möchte. Aber alles streng geheim. Zu allem Unglück bekommen die Chiefs drei neue Spieler, selbstredend die billigsten in der Liga. Doch die Hanson Drillinge mischen wider Erwarten das Spiel ordentlich auf. Mit der Mannschaft scheint es bergauf zu gehen. Und auch Reggies versautes Privatleben scheint einen neuen Höhenflug zu bekommen. Aber das Team geht vor, denn es hapert so bei einigen von Reggies Mitspielern und Schützlingen. Während es von Spiel zu Spiel chaotischer und verrückter wird, und mit Sport nur noch wenig zu tun hat.
Den Titel eines Klassikers bekommt man nicht einfach so. Das Werk muss einen signifikanten und längerfristigen Eindruck auf Kultur und Gesellschaft vorweisen. So wie SCHLAPPSCHUSS, der noch immer mit Selbstverständnis als ‚Die Bibel‘ in der Minor Hockey League bezeichnet wird. Seit jeher und bis zu seinen letzten Tagen sagte Paul Newman, dass er bei keinem anderen Film in seiner Karriere so viel Spaß während der Dreharbeiten hatte. Diese Aussage ist mehr als glaubwürdig, weil sich die gute Laune aller Beteiligten wortwörtlich auf die Leinwand übertragen hat. Mehr noch, es gibt kaum Filme die so würdig und zeitlos gealtert sind.
Optisch ist SCHLAPPSCHUSS ein typisches Kind der Siebziger. Doch wieviel hintersinnigen Humor und versteckten Witz er inne hat, abgesehen von den offensichtlichen Schenkelklopfern und dem derben Spaß, kann man beim ersten Mal überhaupt nicht erfassen. In der Liga der Komödien seiner Zeit, spielt er definitiv Major und niemals Minor. Auch wenn es sie schon vorher gab, der Begriff der Raunchy-Comedy wurde zweifellos durch George Roy Hills Film etabliert. Die derben und vulgären Sprüche sind nie aufgesetzt, sondern ergeben sich stets aus der Natürlichkeit der Figuren und ihrem gesellschaftlichen Milieu. Das es mit Filmbewertungsstellen dennoch Ärger geben würde, war unabdingbar. Genauso wie mit den teilweise brüllend komischen Gewaltexzessen, die auf der Eisfläche stattfinden. Die Altersfreigabe war für seine Zeit im angebrachten Bereich von R und ab 18. Aber nur für die Kinofassung. Für die Deutschfanatiker sei daher gemahnt, dass man deswegen bei einer filmgenüsslichen Auffrischung genau aufpassen muss, die Synchronisation der Kinofassung zu bekommen. Zudem kann nämlich auch das wichtige und ikonische ‚Get Right Back …‘ von Maxin Nightingale fehlen. Bei Fernsehausstrahlungen wird meistens extra darauf hingewiesen, ob es sich um die Kinofassung handelt. Wenn nicht, Finger, Augen und Ohren weg lassen.
Wenn auch leicht überzogen, nimmt der Film sehr gut das Milieu der einbrechenden Arbeiterstädte auf, die hauptsächlich im sogenannten Rust Belt im Nordosten der USA, Mitte der Siebziger immer mehr an Arbeitsplätzen verlor und ganze Stadt regelrecht verwahrlosten. Wo Sport der einzige ablenkende Ausgleich in der spärlichen Freizeit, oder eben in der Arbeitslosigkeit bedeutete. Einhergehend natürlich die familiären Probleme, mit ihren gescheiterten Zukunftsplänen, was auch vor den Spielern der Chiefs nicht halt macht. Zudem beschäftigt sich der Film mit dem Ausverkauf des Sports und dem taktlosen Umgang mit engagierten Sportlern. Aber SCHLAPPSCHUSS will nicht moralisieren, macht sich auch nicht darüber lustig, und behält durchweg diese leichte, unbeschwerte Note mit dem Fixpunkt auf seinen herzlichen Charakteren. Was Reggie Dunlop mit seinem Team macht, tut der Film auch für sein Zielpublikum. Guten Mutes bei Laune halten. Das er dabei kein Blatt vor den Mund nimmt, und niemanden vor dem Hockeyschläger schützt, macht den Film nur noch sympathischer und vor allem ehrlicher. Aber dennoch hinreißend komisch.
Nancy Dowd hat das Buch nach den Johnstown Jets aus Pennsylvania geformt. So war es nur verständlich, dass man auch das Team der Jets für die meisten Spielerrollen besetzte. Nancys Bruder Ned, der eigentliche Grund für diesen Film, hat als Ogilthorpe sogar einen nicht unerheblichen Part. Außer Profispieler Jean Rosario Tetreault, der aber einfach bei der ersten Szene auftauchte und auf Nachfrage mit Unschuldsmine behauptete, man hätte ihm einfach nur gesagt er solle kommen. Später ließ George Roy Hill sogar noch eine Szene für ihn schreiben, weil Tetreaults Herausnehmen des Zahnersatzes kein Film-Gimmick war, sondern echt. Man, was war da los im Kino, nicht nur bei dieser Szene, sondern den ganzen Film hindurch. Mit dem sogenannten Schlagschuss (Danke deutsche Übersetzer!), werden beim Hockey die höchsten Geschwindigkeiten für den Puck erzielt, aber keine präzisen Schüsse. SLAPSHOT allerdings ist ein sehr präziser Schuss mit höchster Geschwindigkeit. Herzlichst, Ihr Dickie Dunn.
Darsteller: Paul Newman, Strother Martin, Michael Ontkean, Jennifer Warren, Lindsay Crouse, Jerry Houser, Andrew Duncan und Jeff Carlson, Steve Carlson, David Hanson
Regie: George Roy Hill
Drehbuch: Nancy Dowd
Kamera: Victor J. Kemper
Bildschnitt: Dede Allen
„Get right back where we started from“ von Maxine Nightingale
Art Direction: Henry Bumstead
Set Decoration: James W. Payne
USA / 1977
123 Minuten
Bildrechte: KOCH FILM / UNIVERSAL PICTURES via IMDB