BRAHMS: The Boy II
– Bundesstart 20.02.2020
Als Vater Sean auf Reisen ist, werden Mutter Liza und Sohn Jude Opfer eines Raubüberfalles im eigenen Haus. Vollkommen traumatisiert, kann Jude seit diesem Vorfall nicht mehr sprechen. Was mit Liza während dieser Nacht geschah, wird immer und immer wieder thematisiert, aber nie ausgesprochen. Im Laufe der Handlung bleibt man der irrigen Hoffnung, dass dies, was mit Mutter geschehen sein soll, auch die Ursache für die unheilvolle Entwicklung innerhalb des neuen Hauses sein könnte. Denn die Familie macht, was jede amerikanische Familie in einem Gruselfilm macht um ein Trauma aufzuarbeiten. Sie ziehen um, an einen Ort der vorher gar nicht begutachtet wurde und nicht abgelegener sein könnte. Verkantete elegische Kamerafahrten und bedrohliche Musik erklären die neue Umgebung sehr schnell und eindeutig.
Wenn über unsinnige Dialoge zwischen Therapeut und Eltern dem Zuschauer beigebracht werden muss, wie lange der Zustand des Kindes schon anhält, was gerade die Eltern am besten wissen müssten, dann weiß man eigentlich schon Bescheid. Und leider gelingt es dem Buch von Stacey Menear nicht, über dieses Niveau hinaus zu kommen. Auch Regisseur William Brent Bell rutscht mit dieser Vorgabe in den Spektralbereich herkömmlicher Gruselfilme. Menear und Bell haben zusammen schon den Vorgänger THE BOY geschrieben und umgesetzt, der mit seiner Schlusspointe ein wenig wett machen konnte, was der Film sonst nur mit Versatzstücken zu illusionieren verstand.
Es dauert nicht lange, bis Jude die verhängnisvolle Puppe vergraben im Wald findet. Fortan bestimmt das titelgebende Porzellangesicht die Abläufe im Haus, dem die Eltern etwas hilflos gegenüberstehen. Die ganzen Geschehnisse bleiben weitgehend vorhersehbar, und erzeugen leider selten Spannung. Man wird das Gefühl nicht los, dass Regisseur Bell sich dessen durchaus bewusst war und greift dafür auf den billigsten aller Taschenspielertricks zurück, und das sind unentwegt, unmotivierte Schreckmomente. Nun ist der Jump-Scare aus dem modernen Horrorfilm einfach nicht mehr weg zu denken. Alejandro Amenábar hatte in seinem Film THE OTHERS 2001 genau einen dieser Momente, und der war so perfekt gesetzt, dass er den ganzen Rest des Filmes bestimmte. William Brent Bell ist das leider nicht gegeben. Wahllos wird der Zuschauer erschreckt, meist nur aus reinem Selbstzweck. Mit der eigentlichen Handlung oder ihrem weiteren Verlauf hat das selten etwas zu tun.
Auch Spannung zu erzeugen fällt Bell schwer. Er versteht es nicht mit der Wahrnehmung des Zuschauers zu spielen, gerade was Brahms angeht. Hat sich die Puppe nun bewegt, könnte sie tatsächlich physisch für diverse Vorkommnisse verantwortlich sein. Schnitt und Kameraführung lassen daran keinen Zweifel, für die bedrohten Charaktere sowie den Zuschauer ist klar ersichtlich, dass sich Brahms von selbst bewegt. Zu diesem Zeitpunkt steht allerdings noch lange nicht fest, ob THE BOY II ein bodenständiger Gruselfilm sein will, oder etwa doch ein Psychogram der zwei Opfer Jude und Liza sein möchte. Für Letzteres spricht wesentlich mehr, das verfolgt allerdings weder das Buch noch die Inszenierung.
Am Ende zerfällt der Film mit seiner selbstauferlegten Freigabe ab 12 Jahren, in eine brave Abfolge von gut gemeinten Szenen. Man muss dem wenig überzeugenden Ensemble zugute halten, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten agieren. Als patronisierende Mutter sticht einzig Katie Holmes hervor, verliert sich aber auch in den Schwächen einer unsicheren Regie. Ein umgehend unsympathischer und beleidigender Cousin der augenscheinlich nur eingeführt wird, um eine paranormale Strafe zu erhalten, erzeugt eben keine wirkliche Spannung und ist zu dem von Glaubwürdigkeit weit entfernt. Genauso wie ein sich aufteilender Suchtrupp, wo die Beteiligten genau dann zu rufen aufhören, wenn ein Schockmoment etabliert werden soll. Das sehr viel mehr möglich gewesen wäre, beweist der Film immer wieder, nur um dann auf ausgetrampelten Pfaden weiter zu marschieren.
Das mit den letzten Einstellung unmissverständlich ein dritter Teil hervorgezaubert werden soll, lässt auf ein gesundes Selbstvertrauer der Macher schließen. Man kann nur hoffen, dass sich jemand ihrer vorher annimmt. Denn was das letzte Bild zu versprechen droht, kann der routinierte Kino-Fan sofort in einen schon sehr oft wiederholten Kontext setzen.
Darsteller: Katie Holmes, Christopher Convery, Owain Yeoman, Ralph Ineson u.a.
Regie: William Brent Bell
Drehbuch: Stacey Menear
Kamera: Karl Walter Lindlaub
Bildschnitt: Brian Berdan
Musik: Brett Detar
Produktionsdesign: John Willett
USA / 2020
86 Minuten