Es ist Genre übergreifend, dass es kaum noch neue, originelle Geschichten zu erzählen gibt. Auffallend leicht sticht das beim Teen-Horror-Slasher ins Auge. Wortwahl beabsichtigt. Es gibt aber durchaus sehr durchschlagende und treffsichere Variationen. Wortwahl weniger geglückt. Der vollkommen zu Unrecht missachtete THE FURIES war in den letzten Monaten ein exzellentes Beispiel, wie man aus überbeanspruchten Szenarien einen absolut originellen und sehr eigenständigen Horrorfilm formen kann. Vor einigen Jahren überzeugte die FINAL DESTINATION Reihe mit einer sehr einfachen aber äußerst effektiven Prämisse für verdient volle Kinos. Der Tod hat eben nun einmal einen Plan, und den gedenkt er auch einzuhalten. Wo kämen wir denn sonst hin. Und das Filmautor Justin Dec bei seinem zweiten Lang- und ersten Kinofilm genau FINAL DESTINATION im Kopf hatte, lässt schon die einzeilige Inhaltsangabe erahnen.
Dem Zeitgeist angepasst, ist es eine App, die das Ableben der jeweiligen Smartphone Besitzer bestimmt. Aus dem Tod wurde ein ominöser Dämon, was aber auch egal ist, wer versucht, seinem auf der App angezeigten Todeszeitpunkt zu entkommen, wird dennoch ins Jenseits geholt. Das hat sich Justin Dec sehr ambitioniert ausgedacht, und mit effektiver Unterstützung von Kameramann Maxime Alexandre und dem Schnitt von Brad Wilhite ordentlich und ansehnlich umgesetzt. Etwas dürftig ist es an Spannungsmomenten, dafür lässt Dec keine Gelegenheit für Jump-Scares aus. Besonders originell ist das nicht, aber das geneigte Publikum wird reichlich mit lauten Toneffekten und erschreckenden Bildsprüngen bedient. Attraktive junge Menschen, die sich noch keinen Namen gemacht haben, geben dem Zuschauer Hoffnung, dass es jederzeit jeden des Ensembles erwischen könnte. Dazu eine Tonspur mit einnehmenden Popstücken, die leicht am Mainstream vorbei schrammen. Da kann man nicht viel falsch machen. Das zeigt alles seine gewünschte Wirkung, unterhält sehr angemessen und sieht aus wie der perfekte Film für das erste Date.
Dabei ist COUNTDOWN, obwohl erfrischend kurzweilig, eine Mogelpackung. Immer wieder bekommt man zu hören, dass es nur Unterhaltung wäre, keinen tieferen Sinn ergeben müsste, dass es nur um den Schrecken als solches ginge, und es wäre absolut okay einfach nur Popcorn-Kino zu machen. Nein, das ist es eben nicht. Es ist nicht okay sein Publikum zu unterfordern, und es ist auch nicht okay, dies als Publikum einfach hin zu nehmen. Warum tut sich der Horrorfilm-Fanatiker das an? Selbstverständlich erwartet niemand slowakischen Arthouse-Tiefgang, aber die Geschichte sollte doch innerhalb ihrer eigenen Welt Sinn machen, nachvollziehbar sein und eine angemessene Logik verfolgen. Die Grundlage ist einfach, wer nicht auf seinem vorherbestimmten Weg stirbt, der wird mit dem Tod bestraft. Das macht überhaupt keinen Sinn. Das hat bei anderen Filmen auch wenig Sinn ergeben, doch da war es beabsichtigt und legitim, weil eindeutig der Spannungsaufbau zu den letztendlich überaus kreativen Todesarten das Kernstück bildete.
COUNTDOWN liefert keine originellen Todesarten, es reduziert sich alles auf sich ständig wiederholende Schockmomente. Zudem schiebt Justin Dec auch noch eine der trivialsten und unglaublichsten Nebenhandlungen ein, die man sich für das moderne Kino vorstellen kann, was dann noch als überraschend schockierende Wendung proklamiert wird. Die Thematik von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, sollte in der heutigen Zeit ganz anders behandelt werden. Wenn diese Nebenhandlung schließlich im weiteren Verlauf relevant wird, verläuft sie unkommentiert, ohne weitere Bedeutung im Sand. Es wird endlich Zeit, dass der Unfug mit billigen, kaum durchdachten Prämissen ein Ende findet. Es kann keine Rechtfertigung darin geben, dass eine Handvoll des Zielpublikums sich damit zufrieden gibt, oder vorgibt ordentlich bespaßt worden zu sein. Darunter leiden Filmemacher, die innerhalb ihres Genres wirklich originell und kreativ arbeiten. COUNTDOWN gehört nicht dazu, aber das hätte nicht sein müssen. Popcorn mampfen und das erste mal knutschen kann man auch in anspruchsvolleren Filmen.
Darsteller: Elizabeth Lail, Jordan Calloway, Talitha eliana Bateman, Peter Facinelli, Dillon Lane, Tichina Arnold, Tom Segura u.a.
Drehbuch & Regie: Justin Dec
Kamera: Maxime Alexandre
Bildschnitt: Brad Wilhite
Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
Produktionsdesign: Clayton Hartley
USA / 2019
90 Minuten