UNDERWATER – Bundesstart 09.01.2020
Eigentlich waren es zehn Musikvideos, die William Eubank begleitend für das dritte Album der Band ‚Angels & Airwaves‘ drehen sollte. Herausgekommen ist eine psychedelische Reise von vierundachtzig Minuten, die wie das Album LOVE genannt wurde. 4,5 Millionen Dollar hat LOVE gekostet, veranschlagte 4 Jahre Drehzeit, spielt auf drei Zeitebenen, und war für Eubank eine handwerkliche Herausforderung. Es gab nicht nur ein gigantisches Schlachtfeld aus dem Bürgerkrieg, sondern im elterlichen Vorgarten einen Nachbau der Internationalen Raumstation. Das war 2011, und William Eubank wollte man damals ganz genau im Auge behalten. Doch schon seine zweite Regiearbeit mit THE SIGNAL drei Jahre danach, wurde weniger euphorisch aufgenommen. Noch einmal fünf Jahre später kommt nun UNDERWATER, mit zwei äußerst bedeutungsschwangeren Versprechungen auf die Leinwand.
Auf 7000 Metern Tiefe im Marianengraben, wird ein Teil eines Meereslabor von einem Erdbeben erschüttert. Um sich zu retten müssen sich die fünf Überlebenden von der zerstörten Station Keppler, in Tiefseetauchanzügen über den Meeresboden zur Roebuck Außenstelle begeben. Aber nicht nur der immense Wasserdruck bereitet den Wissenschaftlern Schwierigkeiten, sondern eine tödliche Gefahr, welche durch Stress und Panikattacken hervorgerufene Wahnvorstellungen sein könnten. Und auf diesen Weg schickt Regisseur Eubank seine Protagonisten sehr schnell. Die Autoren Brian Duffield und Adam Cozad haben dafür auch nicht viel Fleisch gelassen. Kristen Stewart kann sich gerade einmal stumm die Zähne putzen bis auch schon das Desaster Einzug hält. Charakterexposition muss sich also innerhalb des Chaos von Flucht und Panik entfalten. Leider nimmt sich weder Buch noch Inszenierung dafür Zeit. Die Akteure hetzten von einem Punkt zum Nächsten, bis auch Vincent Cassel zu der handvoll Überlebenden stößt.
Während Stewart gekonnt und überzeugend zwischen Powerfrau und überfordernder Hilflosigkeit nach vorne prescht, um möglichst schnell in Sicherheit zu kommen, agiert Cassel besonnen und auffällig mysteriös, stets dominierend mit seiner charismatischen Präsenz. Sein Captain Lucien könnte wissen, ob die Katastrophe vielleicht abzusehen war. Stewart und Cassel sind eben jene zwei vielversprechenden Zutaten in diesem Szenario einer klaustrophobischen Hölle. Beide Figuren ergänzen sich in den Bemühungen unbeschadet aus der Situation zu kommen. Allerdings bleibt beiden eine tiefer gehendere Zeichnung ihrer Charaktere verwehrt. Sie bleiben blass und werden dadurch im Verlauf der Handlung immer uninteressanter. Und das ist wie ein gerissener Tauchanzug in 7000 Metern Tiefe, wenn nicht nur die Luft raus ist, sondern der Körper unter dem Druck einfach zu roter Masse explodiert. Denn mit dem was William Eubank vorhat, aus seinem Film zu machen, dazu braucht es glaubwürdige, vor allen nachvollziehbare und in erster Linie Figuren, die dem Zuschauer nahe gehen.
Ganz offensichtlich und ohne den Ansatz von eigener Prägung, ist UNDERWATERs Prämisse eine fließende Vermischung von Ridley Scotts ALIEN und James Camerons THE ABYSS. Und dazu fehlen dem Film fast schon alle passenden und notwendigen handwerklichen Talente, welche eine wirklich eigenständige Hommage auch interessant und originell umsetzen können. Die Kamera bewegt sich im bildtechnischen Bereich auf Standardniveau, ohne eine eigene Ebene von Spannung aufzubauen. Das Produktionsdesign ist eher uninspiriert, wenngleich die Bauten Zweckmäßigkeit vortäuschen, haben alle Sets einen einheitlichen Look. Das mag dem Handlungsort angemessen realistisch sein, aber in einem Thriller-Action-Mix funktionieren eben verschobene Realitäten besser und eindriglicher. Und schließlich kann der Schnitt lediglich mit weit vorhersehbaren Jump-Scars das Blut in seichte Wallung bringen.
UNDERWATER ist eine sehr einfach gestrickte Mischung aus Horror, Action und Spannung. Jeder Meter Tiefe funktioniert nur in Maßen, aber im Gesamten kann man sich auch unterhalten fühlen. Als Zuschauer muss man allerdings gewillt sein, die Ansprüche gleich zu Anfang nicht zu hoch zu stecken. Mit gerade 95 Minuten ist der Film auch erstaunlich kurz, was ihm sehr gut tut. Wer Zeit hätte um zuviel Luft zu holen, würde schnell wegen der Unzulänglichkeiten abtauchen. Anstatt sich so ungeniert in den Pool der übermächtigen Vorbilder zu begeben, hätten Buch und Regie besser auf ihre eigene Imagination vertrauen müssen. Denn dass das künstlerische Potential nicht davon geschwommen ist, kann UNDERWATER durchaus klar machen. Nur die verbissenen Ansätze sich an der Fantasie anderer abzuarbeiten ist eben fehlgeschlagen.
Darsteller: Kristen Stewart, Jessica Henwick, T.J. Miller, Vincent Cassel, John Gallagher Jr., Mamoudou Athie und Gunner Wright
Regie: William Eubank
Drehbuch: Brian Duffield, Adam Cozad
Kamera: Bojan Bazelli
Bildschnitt: Brian Berdan, William Hoy, Todd E. Miller
Musik: Marco Beltrami, Brandon Roberts
Produktionsdesign: Naaman Marshall
USA / 2020
95 Minuten